Vermintes Gelände
Dass manche PR Agenturen nicht zimperlich sind bei der Auswahl ihrer Klienten, ist bekannt. Selbst solche Fälle wie Ex-VW-Vorstand Peter Hartz (s. a. „medium magazin“ 11/06) oder andere haben immer noch jemanden gefunden, der die Entlohnung für so attraktiv hält, dass sämtliche Bedenken um das eigene Image beiseite geschoben werden. Auf ganz und gar vermintes Gelände hat sich nun aber die vor allem auf Finanzkommunikation spezialisierte Agentur Brunswick begeben. Brunswick vertritt den Verleger David Montgomery aus London – und damit beginnt das Problem. Montgomery hatte bekanntlich nach hartem Wettbewerb die „Berliner Zeitung“ gekauft, den damaligen Chefredakteur Uwe Vorkötter vergrault und mit Josef Depenbrock einen neuen Chef installiert, zugleich mit Geschäftsführungsmacht ausgestattet und lässt ihn nun mit eiserner Hand eine Schreckensherrschaft ausüben mit dem Ziel höchstmöglicher Rendite.
Montgomery gilt in einer Reihe von Ländern als „Zeitungs-Heuschrecke“. Seither sind alle Medien in Deutschland ziemlich einhellig entsetzt über das, was bei den Berlinern passiert. Scharenweise verlassen Redakteure und Führungskräfte die Zeitung (s. a. „medium magazin“ 3/08). Journalistengewerkschaften riefen gar zu Protesten in London, Montgomerys Zentralsitz, auf.
Und mittendrin ist nun Brunswick, die versuchen, die PR für den rüden Finanzinvestor zu machen, der aber gar nicht Finanzinvestor sein will, sondern, bitte schön, „Verleger“ genannt werden möchte. So hat er es zumindest in einem gelinde gesagt unfreundlichen Brief an die „FAZ“ verlangt, den Brunswick nebst Begleitschreiben überbrachte.
Es ist bemerkenswert, dass eine Agentur, die eigentlich ein Interesse daran haben müsste, eine gute Beziehung zu den Medien zu unterhalten, für einen solchen überall in den Redaktionen so schlecht angesehenen Klienten arbeitet. Das Branchen-Image von Montgomery könnte jedenfalls kaum schlechter sein. Thomas Knipp, Deutschland-Chef von Brunswick und früher auch schon mal Chefredakteur des „Handelsblatt“, muss eigentlich ein anderes Interesse haben. Es wird im eigenen Haus gemunkelt, dass die deutsche Brunswick-Tochter diesen Auftrag auf Befehl seiner britischen Mutter übernehmen musste. Dass Knipp in seiner Zeit als Chefredakteur des „Handelblatt“ selbst als Hardliner gegen die Mitarbeiter galt, macht ihm den Job eventuell einfacher. Gut tut er ihm sicher nicht!
Zumwinkels Neuer
Spin doctor Dieter Schweer hat einen neuen Klienten: Klaus Zumwinkel, tief gefallener Ex-Chef der Deutsche Post, lässt sich jetzt vom Ex-HVB-, Ex-T-Systems- und Ex- RWE-Kommunikationschef Schweer begleiten. Immerhin: Diesmal machte Spin doctor Schweer das Mandat selber bekannt, während er andere Mandate bisweilen dem Anschein nach mit allen Mitteln zu vertuschen sucht. Schweer, ehemaliger „Wirtschaftswoche“-Ressortchef, war zuletzt viel rumgekommen. Nach langen zehn Jahren Einsatz bei RWE folgten eher kurze Intermezzi als Bereichsvorstand bei der Telekom-Tochter T-Systems und 2005 für noch kürzere Zeit als Kommunikationschef bei der HVB. Nach nur wenigen Monaten verließ er die Münchener, die von der italienischen Unicredit übernommen worden waren – nicht ohne sich der lukrativen Auszahlung seines mehrjährigen Vertrages zu brüsten.
Seither war es stiller geworden um ihn. Schweer ließ sich in Hamburg nieder, schlug seine Zelte an der lebhaften Mönckeberg-Straße auf und tat so, als widme er sich der Jagd in der heimatlichen Lüneburger Heide, segle über die Meere, zähle sein von der HVB mitgenommenes Geld und berate hier und dort ein wenig. In Wahrheit mauserte er sich zum gewieften Spin doctor, der sogar so weit ging, sich für ein Mandat, das ganz und gar nicht öffentlich werden sollte, im Stile eines Geheimdienstlers eine Legende zuzulegen: Schweer beriet Josef Ackermann, den Chef der Deutschen Bank, in dessen schwerster Zeit, als er in Düsseldorf vor Gericht stand. In jener Zeit verbreitete Schweer in der Branche die Mär, er wolle ein Buch über Ackermann schreiben und recherchierte entsprechend. Es sieht so aus, als habe er seine Tätigkeit in dem Fall vertuschen wollen, um zugleich unauffällig die Szene beobachten zu können. Das Buch ist nie erschienen, die Sache mit dem Prozess ging für Ackermann auch nicht wirklich gut aus – und Schweer arbeitet auch nicht mehr für Ackermann. Schweer hatte das Pech, dass ausgerechnet sein früherer Chef bei der „Wirtschaftswoche“, Stefan Baron, der neue Kommunikationschef der Deutschen Bank wurde. Und der ist nicht nur erfolgreich, er ist auch alles andere als ein Freund von Schweer. Nun muss Schweer also bei Zumwinkel ran. Vielleicht schreibt er ja ein Buch über den Fall …
Heikle Mission
Ulrich Lissek, der geschasste ehemalige Kommunikationschef der Deutschen Telekom, geht zu Rewe. Damit hat eine lange Suche vorläufig ein glückliches Ende gefunden. Lissek war schon Ende 2006 aus seinem Amt entfernt worden, nachdem auch sein damaliger Vorstandschef Kai Uwe Ricke gehen musste. Im März 2007 hatte er die Telekom dann offiziell verlassen. Jetzt also Rewe. Dort wirbelt seit 2006 der Franzose Alain Caparros als neuer Vorstandschef. Viele Skandale pflastern den Rewe-Weg der letzten Jahre. Caparros räumt kräftig auf und langt genauso kräftig hin. Sein Ego gilt als legendär. Und er drängt in die Presse. Deshalb suchte die Unternehmens- und Personalberatung Kienbaum lange nach einem neuen Kommunikationschef. Nun soll Lissek ihn verkaufen. Noch-Kommunikationschef Wolfram Schmuck arbeitet ihn noch ein wenig ein – dann darf Lissek den weißen Kittel anziehen und in Handel machen. Viel Glück, wünscht Dr. Who!
PR-Straßenstrich
Kopfschüttelnd berichteten Dr. Who Journalisten, die vom Genfer Automobilsalon 2008 zurückgekehrt waren, von der neuesten PR-Anmache à la Straßenstrich. Wer als Journalist an den beiden Pressetagen durch die Hallen stromerte und mit seinem um den Hals baumelnden Ausweis weithin als solcher erkennbar war, wurde alle paar Meter von Phantasie anregenden Damen mit tiefen Ausschnitten und sehr kurzen Röcken angebaggert – ohne Rücksicht darauf, ob die Herren Journalisten ins Gespräch vertieft waren oder nicht. Ihre Frage an die verdatterten männlichen Berichterstatter: „Do you know Infiniti?“ Wer Nein sagte, wurde ultimativ aufgefordert, sich zu einem bestimmten Ort in der Halle zu begeben, wer Ja sagte, auch. Und konnte dort Fahrzeuge der Marke Infiniti bewundern, einer Marke des Nissan-Konzerns, umsorgt von ähnlich aufgemachten Damen. Die Art der Anmache sorgte allenthalben für Verärgerung – und selbst den alles andere als Kost verachtenden Auto-Journalisten ging das dann doch zu weit. Political Correctness scheint sich selbst dort durchzusetzen. Das wird auch Infiniti sicher noch lernen.
Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. eMail: autor@mediummagazin.de
Erschienen in Ausgabe 4/2008 in der Rubrik „Unter „3““ auf Seite 66 bis 81. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.