„Ich traue meinem Instinkt für Themen“

Wolfgang Blau (40), geboren am 16.10.1967 in Stuttgart, arbeitete unter seinem Familiennamen „Harrer“ zunächst als Chef vom Dienst bei BLR-Radiodienst München, seit 1999 als freier Journalist in den USA, wo er eigentlich dauerhaft bleiben wollte. Daher auch der Namenswechsel: Weil „Harrer“ sich im Englischen als schwierig erwies, legte er sich den Künstlernamen „Blau“ zu. Neben der Autorentätigkeit mit dem Schwerpunkt Technologie- und Medientrends aus dem Silicon Valley entwickelte er selbst Online-Projekte (wie 1999 für „Die Welt“ das erste Online-Audio-Portal einer europäischen Tageszeitung, 2003 die Online-Audioausgabe der „Zeit“). 2004 produzierte er für das ZDF und Deutsche Welle Online Podcast- und Blog-Angebote zur US-Präsidentschaftswahl und 2005 einen Blog über die Tsunami-Katastrophe für heute.de. Wolfgang Blau ist seit 1. März Chefredakteur von „Zeit Online“.

Ihre Vorbilder im Journalismus?

Zum Beispiel Adrian Holovaty, der mit www.everyblock.com den Begriff „Lokaljournalismus“ neu definiert. Ich bewundere auch den 73 Jahre alten Journalisten Bill Moyers beim amerikanischen Sender PBS.

Wann ist ein Journalist ein guter Journalist?

Wenn er nicht vergisst, dass er nur ein Journalist ist.

Wie wird sich der Journalistenberuf künftig verändern?

Die Erwartungen an unsere Transparenz werden weiter steigen. Die Leser werden zu Recht verlangen, dass zum Beispiel Politik-Redakteure ihre eventuelle Mitgliedschaft in Parteien oder dass Wirtschaftsredakteure ihr privates Aktienportfolio offen legen.

Können Sie ein Buch oder einen Beitrag über „Ethik im Journalismus“ empfehlen?

Ich empfehle die persönliche Profilseite im Blog des Journalisten Jeff Jarvis. Seine Art der Offenlegung theoretisch möglicher Interessenskonflikte finde ich richtungweisend. www.buzzmachine.com/about-me/

Wie lernt man Journalismus am besten?

Das hängt von der Person ab. Ich fand es hilfreich, in allen Mediengattungen Erfahrungen zu sammeln, um überhaupt erst die eigenen Vorlieben zu entdecken. Wichtig ist auch, Erfahrungen im britischen oder amerikanischen Journalismus zu sammeln. Die schnellen Text- einstiege des „Economist“ finde ich beispielsweise einzigartig.

Haben es Frauen im Journalismus schwerer?

Ja. Vor allem in Deutschland gilt das ja nicht nur für den Journalismus, sondern auch noch für viele andere Berufe. Deutschland tut sich damit keinen Gefallen.

Ihre persönlichen Stärken und Schwächen?

Stärken: Ich beobachte die Veränderungen durch das Internet seit Mitte der 90er mit Neugier und Begeisterung statt Angst und Ablehnung. Ich mag harte Arbeit, ständiges Lernen und traue meinem Instinkt für Themen. Schwächen: Ich schreibe immer noch nicht schnell genug. Ich neige zu Ungeduld, die in Ungerechtigkeit ausarten kann und betreibe zu viel Mikro-Management.

Ihre Lieblings-Internetadressen?

www.zeit.de, www.google.com/reader, www.delicious.com

Was war Ihr bisher größter Erfolg?

Dass meine Freundin mit mir ein Buch geschrieben hat und mich anschließend immer noch heiraten wollte.

Ihr größter Flop?

Dass ich sie nicht schon viel früher darum gebeten habe.

Welche Medienprojekte aus jüngerer Zeit sind für Sie besonders zukunftsträchtig?

www.everyblock.com, www.semapedia.com, www.maplight.org; Datenbank-Journalismus: www.usatoday.com/news/politics/election2008/poll-tracker.htm, www.lasvegassun.com/guides/flightdelays

Ihre Lieblingszeitung?

„Zeit“ und „Süddeutsche“.

Ihre Lieblingssendung?

Ich schaue mir im Netz TV-Nachrichten an. Zum Fernsehen komme ich nur noch selten.

Ohne was kommt ein Journalist nicht aus?

Zeit, um über ein Thema noch wirklich nachzudenken.

Was sollte Ihnen später einmal nachgesagt werden? Die Wahrheit. n

Erschienen in Ausgabe 5/2008 in der Rubrik „terminal“ auf Seite 90 bis 90. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.