Kuscheltalk mit Estrada

Es hätte richtig spannend werden können. Die Foreign Correspondents Association of the Philippines hatte Joseph Estrada eingeladen. Der 2001 wegen illegaler Bereicherung aus dem Amt gejagte Ex-Präsident war im September 2007 zu lebenslanger Haft verurteilt worden, nur um wenige Wochen später begnadigt zu werden. Seither ist der einstige Filmheld der Star der Opposition. Eine Rolle, die er bei dem Pressegespräch genüsslich auskosten konnte. Die zumeist einheimischen Kollegen, die aus Manila für ausländische Medien berichten, umschmeichelten „Mr. President“. Kritische Fragen? Nachhaken bei nichtssagenden Antworten? Fehlanzeige. Stattdessen Schmusekurs mit Wohlfühlgarantie. Estrada plauderte über sein neues Filmprojekt, sein geplantes Buch, seine Wohltaten für die Armen und die vielen Feinde, denen er vergeben habe. Ein AFP-Reporter wagte schließlich die freche Frage, ob die Opposition nicht eine weniger belastete Führungsfigur brauche? Schweigen, dann ein grober Anraunzer. Fühlbare Peinlichkeit. Ein Reuters-Mann besänftigt mit einer Frage zum Filmprojekt. Aufatmen im Forum. Nach eineinhalb Stunden Kuscheltalk bleibt der Eindruck, dass zwielichtige Gestalten wie Estrada offenbar in die Blöcke diktieren können, was ihnen passt. Ein bedenkliches Signal.

Internet: www.erap.ph

Erschienen in Ausgabe 5/2008 in der Rubrik „weltreport“ auf Seite 72 bis 72 Autor/en: Hilja Müller, Manila. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.