Medienschelte

An manchen Tagen ging fast nichts mehr. Jede halbwegs kritische Website war blockiert. In den Tagen unmittelbar nach den gewalttätigen Ausschreitungen in Tibet im März wurde in China die Internetzensur massiv verschärft. Viele englischsprachige Berichte über die Unruhen ließen sich einfach nicht mehr anklicken und in den staatlich kontrollierten chinesischen Medien waren natürlich nur die Berichte der offiziellen Agentur Xinhua zu lesen. Also Anruf in Deutschland mit der Bitte – schickt uns doch Berichte zu. Aber in manchen Fällen ging nicht mal mehr das. Einzelne E-Mails ließen sich nicht mehr öffnen. „The Great Fire Wall of China“ fing allzu heikle Sendungen einfach ab. Unangenehmer Nebeneffekt: Die „Weltreporter“-Mailadresse war manchmal für Stunden blockiert. Abgefangen und heimgeschickt wurden auch Korrespondenten, die nach Tibet oder in die tibetischen Gebiete der angrenzenden Provinzen reisen wollten. So viel zur Reisefreiheit, die die chinesische Regierung vor über einem Jahr ausländischen Journalisten in China versprochen hatte. Der Club der Auslandspresse in Peking registrierte über 40 Fälle von Behinderungen von ausländischen Journalisten seit Beginn der Tibetkrise. Aber auch in ihren Büros wurden Kor- respondenten unter Druck gesetzt. Statt der sonst üblichen Anrufe von Firmen, die günstige Internetpakete anbieten, jetzt also Telefonate mit „besorgten Bürgern“. Manche Kollegen in Peking bekamen regelrechte Schmähanrufe. Andere hörten Klagen über die angeblich verzerrte Tibet-Berichterstattung der Westmedien. Woher die Anrufer diese kannten, blieb jedoch schleierhaft. Denn bei allzu kritischen Berichten von CNN oder der BBC wurden die Bildschirme in China einfach schwarz. Ohnehin sind Auslandssender nur in wenigen Wohnanlagen und Hotels zu empfangen. Umso mehr staunten wir, dass nach Jahren der Blockade auf einmal die Webseiten von BBC-Online entsperrt wurden – mit Ausnahme des Online-Angebots auf Chinesisch. Doch als auch die BBC über eine von der Regierung organisierte Propagandatour nach Tibet kritisch berichtete, wurden diese Berichte schnell wieder blockiert. Dass vor den handverlesenen ausländischen Journalisten in Lhasa Mönche spontan protestiert hatten, sollte in China doch lieber niemand sehen oder lesen dürfen.

Internet: www.anti-cnn.com

Erschienen in Ausgabe 5/2008 in der Rubrik „weltreport“ auf Seite 72 bis 72 Autor/en: Ruth Kirchner, Peking. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.