Ist es um den Nachwuchs wirklich so schlecht bestellt, wie viele meinen? „medium magazin“ hat junge Journalisten nach ihren Erfahrungen mit Volontariaten befragt. Sechs exemplarische Antworten verdeutlichen die Bandbreite von Licht und Schatten – und dürfen – gemessen an den empirischen Ergebnissen zur Ausbildungssitation (s. a. Seite 60 f.) – durchaus als repräsentativ gelten. Vier Antworten erscheinen auf eigenen Wunsch nur anonym (die Namen sind der Redaktion bekannt), denn Kritik ist keineswegs überall willkommen.
Pauline Tillmann
25 Jahre, Volontärin beim Bayerischen Rundfunk
„Das Volontariat beim Bayerischen Rundfunk dauert zwei Jahre, Seminare und Redaktionsaufenthalte wechseln sich regelmäßig ab. Hier kann man wirklich noch eine Menge lernen – auch wenn man vorher unzählige Praktika absolviert hat. Die Seminare reichen von Nachrichten über Reportagen, Magazinbeiträge, Interviewtraining, Moderation bis hin zu einer Woche im Bayerischen Landtag. Was ich spannend finde: Die Ausbildung ist bimedial angelegt, wir werden sowohl fürs Radio als auch fürs Fernsehen fit gemacht.
Und in den Redaktionen, da ist es so wie immer: Friss oder stirb. Zuerst wird man ins kalte Wasser geschmissen und wenn man schwimmen kann, wird man ins Team aufgenommen. Vieles muss man sich selber organisieren, konkrete Ansprechpartner oder Volo-Betreuer gibt es kaum. Es liegt an einem selbst, ob man das Beste aus seinem Volontariat herausholt.“
Anonymus
„Licht und Schatten liegen oft sehr nahe beisammen – das gilt auch für ein Volontariat bei der Nachrichtenagentur ddp. Wer sich für eine Ausbildung bei ddp bewirbt, darf eines nicht sein: blutiger Anfänger im Nachrichtengeschäft. Beste Vorkenntnisse im aktuellen Journalismus sind ein Muss, denn viele Volontäre beginnen ihre Ausbildung in einer Ein-Mann-Redaktion. Dort ist man oft auf sich allein gestellt und fühlt sich mitunter arg ins kalte Wasser gestoßen. Diese Situation hat natürlich auch Vorteile. Es gibt wohl keine deutschsprachige Agentur, bei der Volontäre so stark in den Arbeitsalltag der Redaktion integriert sind. Vom ersten Tag an darf man quasi über alles schreiben und jeden Termin wahrnehmen. Learning by Doing – und je nach Außenbüro oder Ressort in der Zentralredaktion mit hilfreichen Rückmeldungen.“
Florian Zinnecker
ehemaliger Volontär des „Nordbayerischen Kurier Bayreuth“
„Ganz ehrlich: Es gab viel zu tun. Die meisten Tage waren bis oben hin voll gepackt. Wie voll, das merkte ich oft erst bei den vergleichsweise ruhigeren Volo-Stationen. Untragbar? Finde ich nicht. Weil die Theorie nicht zu kurz kam. Und weil ich immer am meisten gelernt habe (und auch am meisten Spaß hatte), wenn ich selbst ran durfte. Das ging nicht ohne Pflichttermine und Redigierarbeit ab, hieß aber viel öfter: Recherchen in Eigeninitiative, eigene Kommentare, Glossen, Interviews – und bei mir sogar ein eigenes Büchlein. Auch die Meinung von uns Volos zählte – wofür die Redaktionsleitung selbst dann ein offenes Ohr hatte, wenn es nicht nur darum ging, einen Text gegenzulesen. Klar, viele unserer Aufgaben hätte ein Redakteur übernehmen können. Dann aber wäre ich jetzt nicht ausgebildet.“
Anonymus
„Von der ersten Minute weg erwies sich das Volontariat als Mogelpackung. Die anfangs noch großzügig versprochenen Fort- und Weiterbildungen verpufften im stressigen Arbeitsalltag, eine Heranführung an Arbeitsweisen und organisatorische Details des Magazin- und Verlagsgeschäft blieb ebenso aus wie versprochene zusätzliche Unterstützung in der Redaktion, Schnupperausflüge in andere Redaktionen standen außer Frage. Ins kalte Wasser geworfen, mit alleiniger Verantwortung für den umfangreichen Filmteil in zwei Magazinen, gestalteten sich die ersten Monate als stressiger trial-and-error-Feldversuch, mit Ausbildung hatte meine Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt etwas gemein.“
Anonymus
„Rückblickend bin ich mit meinem Nachrichtenvolontariat bei einem Fachverlag nicht zufrieden. Gelernt habe ich in den dafür viel zu langen zwei Jahren kaum etwas. Von wem auch? Viele meiner Kollegen waren unmotiviert, weil sie ihre eigene Arbeit – Nachrichten schreiben, Pressemitteilungen bearbeiten und Marktpreise abfragen – nicht herausgefordert hat. Den Texten hat man das angemerkt.
Mit der Zeit galt das auch für die Artikel der Volontäre. Ich tat mich immer schwerer damit, außerhalb meines Verlags „lockere“ und gut lesbare Texte zu schreiben. Immerhin: der Verlag zahlt übertariflich, vermutlich auch, um für Bewerber interessanter zu werden. Zudem konnte man früh Verantwortung für einzelne Teil-Redaktionen übertragen bekommen. Das hat allerdings nicht jedem Redakteur gepasst, manche haben angefangen zu mobben, die Chefs haben weggeschaut. Nicht nur deshalb habe ich mich so sehr auf meine zwei Volontärskurse gefreut.“
Anonymus
„Ein Volontariat in der Medienbranche zu finden, ist kein leichtes Unterfangen.
Umso glücklicher war ich, als die Zusage für einen Volontariatsplatz bei einem privaten Fernsehsender in Süddeutschland kam. Das Glücksgefühl hielt jedoch nicht allzu lange. Statt einer fundierten Ausbildung blieb es bei Lippenbekenntnissen. Eine Ausbildung, die diesen Titel auch wirklich verdient hätte, fand trotz mehrfachen Nachfragens nicht statt. Stattdessen blieb das ungute Gefühl, lediglich billige Arbeitskraft zu sein und nicht ein Auszubildender, dem die Chance gegeben wird, wirklich etwas dazuzulernen und sich weiterzubilden. Einfach fiel die Entscheidung nicht, die Konsequenzen zu ziehen und das Volontariat abzubrechen. Und doch war es ein Gefühl der Befreiung, als es vollzogen war. Ich bereue diese Entscheidung nicht. Was genau in einem Volontariat an Wissen vermittelt werden muss, ist in Deutschland leider nicht festgelegt. Der Leitfaden des DJV zur Volontärs-Ausbildung bietet allerdings einen guten Überblick. Abschließend kann ich jedem in der gleichen Lage nur raten, sich nicht mit einer solchen Situation abzufinden. Ein Volontariat, das nur auf dem Papier besteht, qualifiziert nicht für die Anforderungen im Medienbereich.“
Tipp:
Modelle guter Volontariatskonzepte stellen wir auf Seite 66 ff. vor.
Erschienen in Ausgabe 6/2008 in der Rubrik „Special“ auf Seite 62 bis 64 Autor/en: Umfrage Katy Walther. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.