Bücherkiste

Der Kunde ist König

Andrea Mlitz, Dialogorientierter Journalismus. Leserbriefe in der deutschen Tagespresse, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2008, 446 S., 44 Euro

Als Fels in der Brandung trotzt der Leserbrief der Konkurrenz durch Internet-Diskussionsforen auch über 200 Jahre nach seinem ersten Erscheinen in einer Tageszeitung. Kommunikationsberaterin Andrea Mlitz untersucht in ihrer Dissertation dieses unverzichtbare Instrument der Leser-Blatt-Bindung. Die Leserbrief-Rubrik findet nachgewiesenermaßen nicht nur ein hohes Interesse (und kann ihrerseits Anlass für einen Leserbrief – oder gar die Eröffnung eines Duells – sein), sondern ist auf Grund der unaufwendigen Produktion auch für die Verlage dankbar – zudem müssen die Autoren der Texte nicht honoriert werden. Interessanterweise überwiegen bei den Leserbriefschreibern deutlich die Männer. Eine Befragung der Autorin ergab einen Anteil von zwei Dritteln. Dagegen haben Leserzuschriften von Frauen größere Chancen, abgedruckt zu werden. Übrigens handelt es sich um keinen altbackenen Zeitvertreib, da die Redaktionen in aller Regel per eMail kontaktiert werden. Zudem zeichnet den Leserbriefschreiber Treue aus: Er sieht sich im Grunde als freien Mitarbeiter.

Medienstar Benedetto

Christian Klenk, Ein deutscher Papst wird Medienstar. Benedikt XVI. und der Kölner Weltjugendtag in der Presse, LIT Verlag, Berlin 2008, 244 S., 19,90 Euro

Die Frage nach den relevanten Nachrichtenfaktoren ist bei den meisten Themengebieten rasch geklärt. Wie aber verhält es sich bei der Berichterstattung über Kirche? Diplom-Journalist Christian Klenk, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, sieht in Benedikt XVI. im Zusammenhang mit dem Kölner Weltjugendtag 2005 einen wichtigen, aber bei Weitem nicht den einzigen Faktor. Das Buch diskutiert zunächst aber einmal das Spannungsverhältnis zwischen Vatikan und Medien. Johannes Paul II. habe versucht, der Kirche ihre Angst vor den Medien zu nehmen, die vor allem auf der Befürchtung negativer Berichterstattung beruhe. Was den Weltjugendtag betrifft, kommt der Autor nach seiner Auswertung zu dem Ergebnis, es sei insgesamt ein positives Image von Kirche und Glauben vermittelt worden. Im Anhang finden sich drei ausführliche Interviews mit Journalisten, die vom Weltjugendtag berichteten. Hier räumt Philipp Gessler von der „taz“ mit der Ansicht auf, dass für Linke eine religions- oder kirchenkritische Einstellung zwangsläufig zum Glaubensbekenntnis gehört.

Fleißige Wachhunde

Lars-Marten Nagel, Bedingt ermittlungsbereit. Investigativer Journalismus in Deutschland und in den USA, LIT Verlag, Berlin 2007, 347 S., 29,90 Euro

Wie beflügeln oder behindern Redaktions- und Organisationsstrukturen die investigative Recherche in Deutschland und in den USA? Lars-Marten Nagel hat Journalisten von sechs Tageszeitungen interviewt und bei ihrer Arbeit begleitet. Neben dem Flaggschiff „Washington Post“ nimmt sich der „Kansas City Star“ zwar eher unscheinbar aus, doch ändert dies nichts an den grundlegenden Unterschieden zu den drei deutschen Blättern, angeführt von der „Süddeutschen Zeitung“. US-Titel stellten gezielt Geld und Personal für die Recherche bereit, der deutsche Recherchejournalist bleibe der „exotische Außenseiter“. Der Autor entwickelt zum Schluss seines Buches zehn „redaktionelle Sofortmaßnahmen“, um Abhilfe zu schaffen. Dabei scheut er auch nicht den Stich ins Wespennest: Seite-3-Reportage und Leitartikel seien hierzulande als höchste Leistungsnachweise überbewertet.

Erschienen in Ausgabe 6/2008 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 84 bis 88. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.