Spötter sagen, die ARD sei nur dann die ARD, wenn sich alle paar Monate die Intendanten der neun Landesrundfunkanstalten treffen. Ansonsten würden BR, NDR, WDR & Co. völlig unterschiedliche Ziele verfolgen. Die „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“ existiere demnach nur auf Papier.
Was so auf die mehr als 70 Fernseh- und Radioprogramme der ARD gemünzt ist, lässt sich auch auf die Ausbildung übertragen, denn auch bei den Volontariaten geht jeder Sender seinen eigenen Weg. Nimmt man dazu noch die Ausbildung in den privaten Sendern, bieten sich Nachwuchsjournalisten eine ganze Palette an Möglichkeiten, die sich teils fundamental unterscheiden.
Wie weit die Modelle reichen, zeigt allein, dass sich die einzelnen Sender der ARD noch nicht einmal einig darüber sind, was sie mit ihren Volontären am Ende deren Ausbildung überhaupt anfangen wollen. Die Spanne reicht von „Unser Ziel ist es, allen Volontären eine Stelle anzubieten“ (WDR) bis „Unsere Volontäre sollen anschließend vor allem als Freie für uns arbeiten“ (HR).
Aber auch der NDR übernimmt nur ein paar seiner Volontäre unmittelbar in eine Festanstellung. Die meisten kommen zwar zunächst noch mit einem sogenannten Rahmenvertrag als „Fest-Freie“ unter. Damit sie sich aber nicht irgendwann eine feste Stelle vor Gericht erstreiten können, müssen sie nach spätestens 15, meist aber schon nach acht bis neun Jahren gut ein Jahr pausieren (siehe „NDR-Mitarbeiter proben den Aufstand“ in MM 3/08).
Die Uneinheitlichkeit der Ausbildungsmodelle, die natürlich auch für eine gewisse Vielfalt sorgt, fängt aber schon bei der Auswahl der Volontäre und den Grundzügen der Ausbildung an. So heißt es beim HR, Generalisten hätten Fachjournalisten abgelöst. „Für uns spielt die Vermittlungsfähigkeit heute eine wichtigere Rolle, als das früher der Fall war“, beschreibt das Volo-Chef Heiko Konrad. Deshalb hält er inzwischen vor allem nach jungen Leuten Ausschau, die in der Lage sind, sich „in jedes Thema“ schnell einzuarbeiten, sagt aber gleichzeitig: „Dieses Talent ist aber nicht wirklich breit gestreut.“ Deshalb bräuchten sie in Frankfurt auch die hohe Zahl an Bewerbern, um überhaupt an die richtigen zu kommen. Auf jeden Volontariats-Platz kamen beim HR in den vergangenen Jahren stets etwa 60 Bewerbungen. Bei den anderen Sendern sieht das ähnlich aus.
Der NDR sucht hingegen „ganz bewusst ganz unterschiedliche Leute“, sagt Ausbilderin Nina Tschierse. Und WDR-Volo-Betreuer Rainer Assion erklärt: „Um die Frage, ob wir Generalisten haben wollen oder Fachexperten, wurde doch schon immer gerungen.“ Aber in Köln sei es „überhaupt nicht so, dass wir heutzutage keine Fachkompetenz mehr suchen würden“. Auch da hat jeder Sender eben seinen eigenen Geschmack.
Übrigens glänzt die ARD auch bei ihren Voraussetzungen für ein Volontariat mit Abwechslung: Während Konrad (HR) sagt, sein Sender habe „nach langem Überlegen“ entschieden, Bewerber müssten zwingend einen Hochschulabschluss mitbringen, heißt es dazu gegensätzlich beim NDR: „Wir bleiben dabei, dass wir auch Quereinsteigern eine Chance bieten wollen.“
Längst hat sich bei der Ausbildung des journalistischen Nachwuchs zudem nicht nur zwischen den ARD-Anstalten eine große Kluft aufgetan, sondern zusätzlich auch noch zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Sendern.
Entscheidend ist hier die Frage, ob Volontäre in 18 Monaten zu Alleskönnern ausgebildet werden oder ob sie sich auf die Kernkompetenz des jeweiligen Mediums konzentrieren und dafür hauptsächlich lernen sollen, wie ordentliche Fernseh- oder Radioberichte produziert werden.
Das Ergebnis überrascht und widerspricht allen Klischees: Nicht bei den Privaten, bei denen Synergien und Flexibilität eigentlich höchste Priorität genießen, sondern ausgerechnet bei den gut ausgestatteten, häufig als unbeweglich und schnarchig degradierten Gebührenfinanzierten trimmen sie ihren Nachwuchs zu Allround-Journalisten, die im Idealfall in der Lage sein sollen, ein und dasselbe Material sowohl für das Versenden im Radio und Fernsehen als auch für eine dauerhafte Präsenz im Netz aufzubereiten. „Sie müssen in der Lage sein, das Medium selbst zu gestalten“, sagt etwa NDR-Ausbilderin Tschierse zu der „sehr, sehr wichtigen Rolle“, die der Online-Journalismus heute im Volontariat spiele.
Anders sieht das eben bei den Privaten aus. „Das Radio als solches ist immer noch unser Kerngeschäft. Dafür suchen wir uns die Kollegen aus“, heißt es etwa bei FFH, einem der fünf größten privaten Radiogruppen in Deutschland. Nachrichtenchef Norbert Linke, der sich in Bad Vilbel bei Frankfurt auch um die Volontäre kümmert, sagt: „Online soll On-air nur unterstützen.“ Deshalb solle der FFH-Nachwuchs später zwar in der Lage sein, die Online-Redaktion „gezielt mit inhaltlichen Ideen“ anzusprechen und „ein Gespür dafür entwickelt haben, was im Netz alles möglich ist“. Die Projekte umsetzen würden dann aber die Kollegen vom Fach.
Gleiches Spiel bei den Kollegen vom privaten Fernsehen, wie der RTL-Journalistenschule, die inzwischen den Großteil des journalistischen Nachwuchses von RTL, RTL II, n-tv und Vox heranzüchtet. Schulleiter Leonhard Ottinger sagt: „Der Schwerpunkt liegt mehr auf der fernseh-journalistischen Praxis.“
Während die Volontäre bei FFH in der gesamten Ausbildung nur zwei Wochen bei den Online-Kollegen hineinschnuppern, steht bei der RTL-Journalistenschule in Köln aber schon ein vierwöchiger „Intensivkurs Onlinejournalismus“ auf dem Lehrplan. Dies dürfte allerdings auch damit zu tun haben, dass etwa die Hälfte der Schüler später in anderen Medien, auch öffentlich-rechtlichen Häusern unterkommt – wie zuletzt mehrfach bei der „Tagesschau“ bis hin zu Zeitungsredaktionen.
Einig ist sich die Branche hingegen, dass Rundfunk-Volontäre heute mehr lernen müssen, als ein Storyboard zu entwerfen und Kameramänner und Cutter zu delegieren – sie müssen auch selbst Hand anlegen. „Wir können keine Leute mehr einstellen, die eine Technikaversion haben“, sagt dazu HR-Ausbilder Konrad. Die Branche erwartet vom Nachwuchs durch die Bank weg, selbst eine Kamera in die Hand zu nehmen, also nicht nur klassischer Redakteur, sondern gleichzeitig auch Videojournalist (VJ) zu werden.
„Unsere Volontäre müssen sich in jedem Fall zumindest vorstellen können, auch als VJ zu arbeiten – auch wenn das bisher nicht die dominierende Arbeitsweise ist“, sagt Konrad. Genauso sieht es im WDR aus. „Vor allem in unseren Regionalstudios wird längst trimedial gearbeitet“, sagt der Kölner Volo-Vater Assion. Auch in der Auslandsberichterstattung sei diese „Qualifikation“ immer häufiger gefragt. Seit zwei Jahren schult auch das ZDF seine Leute darin, selbst mit handlichen Kameras zu filmen und das Material am Laptop zu sendefähigen Beiträgen bis hin zu Reportagen zu schneiden.
„Immer mehr Bewerber bringen ers- te VJ- und Schnittkenntnisse mit. Das nimmt zu – und ist für den Einzelnen natürlich ein Vorteil“, sagt Ottinger von der RTL-Schule. Gleichzeitig betont er, dass diese Kenntnisse keine Pflicht sind. „Bei uns kommen trotzdem immer wieder auch Bewerber weiter, die nur Printerfahrungen mitbringen..“
Videojournalismus und das Gestalten von Internet-Seiten: Auf Rundfunk-Volontäre, vor allem bei öffentlich-rechtlichen Sendern, kommt deutlich mehr zu als noch vor zehn Jahren. Weil sich gleichzeitig aber nicht die Dauer der Ausbildung verlängert hat, steigt das Lernpensum. „Das ist eine Arbeitsverdichtung“, sagt auch etwa Rüdiger Assion (WDR).
Früher spielten technische Fertigkeiten eben keine Rolle, die heute aber einen großen Teil der Ausbildungszeit beanspruchen. Dass dies zu Lasten anderer Teile der Ausbildung gehe, bezeichnet Assion als einen „schmerzhaften Prozess“. Manches, wofür sich die WDR-Volontäre früher drei Tage hätten Zeit nehmen können, habe eben auf einen Tag „eingedampft“ werden müssen. Aus alledem lässt sich zweifellos die Er
kenntnis ableiten: Der Nachwuchs muss sich im Rundfunk eben auf eine Ausbildung im Schnelldurchlauf einstellen – ob er will oder nicht.
Linktipp:
Das „medium magazin“ hat eine Liste aller Volontariate bei den öffentlich-rechtlichen Sendern und den beiden großen Privatsender-Gruppen RTL und ProSiebenSat.1 zusammengestellt. Darin sind Fristen, Voraussetzungen und die Modalitäten für Bewerbungen samt den Kontaktdaten zu den Ausbildern aufgeführt. Abonnenten können die Liste (PDF) auf www.mediummagazin.de in der Rubrik „Downloads“ abrufen.
Erschienen in Ausgabe 6/2008 in der Rubrik „Special“ auf Seite 70 bis 71 Autor/en: Daniel Bouhs. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.