Chaostage bei der Dresdner Bank
In der Kommunikation der angeschlagenen Allianz-Tochter Dresdner Bank ist das blanke Chaos ausgebrochen. Nur wenige Wochen nachdem Kommunikationschef Matthias Fritton reichlich entnervt das Handtuch geworfen hatte, geht nun auch Pressechef Ulrich Porwollik.
Seit Jahren steht die Kommunikation der Dresdner Bank unter keinem guten Stern. Intrigen, Machtkämpfe, Speziwirtschaft – alles war zu besichtigen. Der glück- und erfolglose Bank-Chef Herbert Walter liebt es, sich mit alten Weggefährten zu umgeben. Das gilt für Vorstände ebenso wie für Kommunikationsleute. Vor wenigen Wochen warf Fritton genervt das Handtuch und wollte die Dresdner/Allianz verlassen. Das fanden jetzt die Allianzer nicht gut und boten ihm an, Public Affairs für die Münchener zu machen. Fritton nahm an.
Daraufhin versuchten Walter XXXXXXXXX erneut, Porwollik nach oben zu hieven, was wiederum scheiterte. Nun hatte auch Porwollik die Nase voll und reichte seine Demission ein. Neues Ziel: unbekannt. Kommunikationschef wird nun – Überraschung – zwar wieder ein alter Spezi von Walter, aber einer, der bisher Marketing & Branding für die Dresdner Bank betrieben und keine Erfahrung in PR und Pressearbeit hat (und damit wohl den Münchnern ungefährlich scheint): Luca Marighetti. Fortsetzung dürfte folgen.
PR für Berufskläger
Zu den nervigsten Erfindungen, die das Rechtswesen in den letzten Jahren hervorgebracht hat, zählen die Berufskläger, allen voran Rechtsanwaltskanzleien vom Schlage Rotter, Tilp und auch Nieding & Barth. Diese Anwaltskanzleien sind den Kommunikationschefs und Vorständen der börsennotierten Unternehmen in der Regel bestens bekannt, pflegen sie doch ein besonders perfides Geschäftsmodell. Wenn irgendetwas – vermeintlich oder tatsächlich – bei einem Unternehmen schiefgegangen ist, dauert es nicht lange und einer dieser auch als „Geier des Anwaltsberufs“ verschrienen Berufskläger meldet sich in der Presse zu Wort. Angeblich kämpfe man für die entrechteten Kleinaktionäre, die doch bitte als Mandanten zu ihnen kommen mögen, damit man dem Unternehmen tüchtig einheizen kann und die Aktionäre entschädigt werden, wofür auch immer. Dass bei diesem Spiel meist nur einer gewinnt, nämlich die Berufskläger, haben viele noch nicht richtig verstanden. Die Gerichte sind genervt, die Unternehmen auch, und erreicht wird kaum etwas, aber das ist nicht wichtig, weil die Berufskläger ja schon verdient haben. Dabei ist die Präsenz in der Presse besonders wichtig, denn die sichert Zulauf.
Erstmals bedient sich einer dieser Berufskläger nun einer als professionell geltenden Agentur. Nieding & Barth lässt sich die Pressearbeit von Stockheim Media in Köln machen. Stockheim Frontfrau Tanja Klatt soll für Stimmung in der Presse sorgen. Merkwürdig nur: Während Stockheim auf seiner Webseite stolz Unternehmen nennt, für die man arbeitet, wird dieses Mandat still verschwiegen. Warum denn nur?
Neue Prügeleien der Spindoktor-Agenturen
Deutschlands Kommunikationschefs beobachten derzeit mit stillem Vergnügen, wie die drei Großagenturen des Spindoktorings, CNC (Christoph Walther), Brunswick (Thomas Knipp) und Hering Schuppener (Ralf Hering) aufeinander losgehen. Ort des Geschehens: Die heftig umkämpfte TUI. Ein norwegischer Großreeder will als Großaktionär der TUI mehr Performance und ein anderes Management und teilt kräftig aus. Er wird dabei begleitet von Brunswick. Dem hält TUI gegen – und schickt Hering Schuppener in die Schlacht, die auch nicht kleinlich sind im Austeilen. Und als wäre das nicht genug, hat sich auch der zweitgrößte TUI-Aktionär eingeschaltet, ein schillernder Russe namens Alexej Mordaschow – für den CNC die Fäden spinnt. Der Fall Siemens und seine Kommunikationsquerelen lassen grüßen! Dr. Who rät zu professioneller Zurückhaltung beim Spiel um die Gunst der Medien, sonst geht’s wieder krachend daneben.
Bravo zum Einjährigen
Zum Thema Branchen-Schwachsinn und Presseinfos, die die Welt nicht braucht, eine neue kleine Nettigkeit: Stolz verkündete jetzt der „ehemalige Daimler/smart Marken- und Produktkommunikationschef Deutschland Peter Kraushaar“, dass seine Beratungsagentur 1-jährigen (!) Geburtstag feiere. Da scheint wohl der Inhaber selbst so überrascht gewesen zu sein, volle 365 Tage überlebt zu haben, dass er dies für würdig befand, darüber eine Presseinformation zu versenden. Wann schreibt endlich einmal einer die erste Presseinfo zum 1-monatigen Geburtstag?
Anerkennung für Lidl
Das muss man Lidl lassen: Nach dem Desaster mit den überwachten Mitarbeitern und den Verdi-freundlichen Enthüllungen im „Stern“ klotzt Lidl kräftig ran beim Kampf um seine Reputation und verärgerte Kunden. Zwar weiß Lidl die feinen Florette der PR nicht zu handhaben und hat dafür auch niemanden, aber dort, wo sie gut sind, langen sie kräftig hin und greifen hartnäckig tief in die Taschen: bei den Anzeigen. Seit Wochen haben nahezu alle Blätter der Republik immer wieder neue und ganzseitige Anzeigen, in denen um Vertrauen geworben wird. Mal sehen, ob es funktioniert. Die Verleger zumindest sehen es mit Freude.
Rückrufaktion bei Reuters
Das ist neu: Rückrufaktionen kennen wir von Autoherstellern, Lebensmittelproduzenten etc. Nun hat es Reuters erwischt. Hochoffiziell teilte Reuters kürzlich mit, dass zwei von ihr versandte Meldungen über Abschreibungen der Deutschen Postbank falsch sind und zurückgezogen werden. Das hat Größe!
Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. eMail: autor@mediummagazin.de
Erschienen in Ausgabe 6/2008 in der Rubrik „Unter „3““ auf Seite 74 bis 81. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.