Woran vielfach eine konsequente Volontärs-Betreuung scheitert

Der schlimmste Satz in einem Arbeitszeugnis lautet: „Er hat sich bemüht.“ Ein ähnlicher Satz ist auch in zahlreichen Redaktionen zu hören, wenn es um die Betreuung der eigenen Volontäre geht. Entgegen der tariflichen Regelung („Der Volontär hat Anspruch auf Anleitung und Beratung durch einen für diese Aufgabe befähigten Redakteur, der … „in erforderlichem Umfang von anderweitiger Arbeitspflicht freigestellt“ werden soll) können sich die Redaktionen in der Praxis häufig allenfalls darum „bemühen“, ihre Volontäre zu betreuen, wie bei unserer Umfrage in den Redaktionen zu hören ist.

Typisch ist beispielsweise die Situation bei der „Celleschen Zeitung“: Zuständig für die Volontärsbetreuung ist Volker Franke, der stellvertretende Chefredakteur, der allerdings auch etliche andere Baustellen zu betreuen hat: Gerade hat er damit zu tun, einen Newsdesk einzurichten, die Redaktion neu zu organisieren und ein Crossmedia-Seminar in die Volontärs-Ausbildung zu integrieren. „Theoretisch“ gebe es regelmäßige Besprechungsrunden mit den fünf Volontären, tatsächlich fehle aber oft die Zeit. „Man bemüht sich“, sagt er. Immerhin werden die Volontäre nach Tarif bezahlt.

Auch Stefanie Sayle kennt das Problem, sie leitet die Medienakademie Augsburg, an der die Volontäre der „Augsburger Allgemeinen“ und der „Allgäuer Zeitung“ ausgebildet werden (Zeitungen und Akademie gehören zur „mediengruppe pressedruck“). Zum Konzept gehören ein sechswöchiger Einführungskurs, jeden Monat ein Schwerpunkt-Seminar, Bezahlung zwar unter Tarif, aber 1.500 Euro im ersten und 1.750 Euro im zweiten Jahr. In den Lokalredaktionen sollen sich die Redaktionsleiter um die Volontäre kümmern – doch die haben, wie fast überall, im Tagesgeschäft oft zu wenig Zeit. „Prinzipiell bemüht sich jeder um eine gute Betreuung“, sagt Sayle, „es kommt einfach darauf an, wie gut die Redaktionen gerade besetzt sind.“ Sie versucht gegenzusteuern: Jeder Volontär soll seine Texte sammeln und in einem Ordner bei ihr abgeben, sie liefert dann Feedback nach.

Ähnliches praktiziert die „Passauer Neue Presse“ seit knapp einem Jahr: Auch dort kümmern sich die Leiter der Lokalredaktionen um die 20 Volontäre. Ansprechpartner in der Hauptredaktion sind ein stellvertretender Chefredakteur und die Chefin vom Dienst, Carola Holler. Sie lege Wert auf „regelmäßige Gespräche“ und ausführliche Bewertungen – von beiden Seiten. Volontäre und ihre Betreuer bekommen regelmäßig Fragebögen, die sie ausfüllen müssen; Gespräche mit der Chefredaktion seien institutionalisiert und fänden spätestens nach den ersten sechs Monaten statt, die Volontäre sollen auch Arbeitsproben einreichen. „Wichtig war uns, dass sie ihre Bewertungsbögen erst nach der bestandenen Probezeit ausfüllen“, sagt Holler, damit niemand Angst haben müsse, wegen seiner Kritik nicht weiterbeschäftigt zu werden.

Manfred Sauerer, Chefredakteur der „Mittelbayerischen Zeitung“, hält bereits das Benennen eines festen Ansprechpartners für einen Fortschritt: „Als ich Volontär war, hat sich niemand um uns gekümmert“, sagt er. Er baut gerade die Ausbildung in seinem Haus um: Von Herbst an sollen in vier Jahren Abiturienten zum Führungskräfte-Nachwuchs ausgebildet werden, Studium zum „Medienfachwirt“ inklusive. Die drei Volontäre sollen auch „einen Blick fürs Marketing haben“, wie Sauerer sagt. Momentan arbeiten in seinen Redaktionen zehn Volontäre im üblichen zweijährigen Verfahren. Diese Plätze könnten reduziert werden, wenn sich sein neues Modell bewähre, sagt Sauerer.

Laut Tarifvertrag haben alle Volontäre Anspruch „auf eine schriftliche Beurteilung nach Abschluss der Ausbildung in jedem Ressort“. Sie werden hoffen, dass darin nichts über „Bemühungen“ steht. mm

Erschienen in Ausgabe 6/2008 in der Rubrik „Special“ auf Seite 69 bis 69. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.