Geht in die Schulen!

Die rechtsextreme Szene wächst. Die NPD gilt, gemessen am Durchschnittsalter ihrer Mitglieder, als die jüngste Partei Deutschlands. Rechte Kameradschaften und Organisationen bieten im Vorfeld der NPD für jeden etwas – besonders für Jugendliche und erleichtern den Einstieg in die Szene.

Die Rechtsextremen kümmern sich. Sie bieten Jugendfreizeiten und gründen Jugendclubs. Viele Kids lassen sich trotz Aufklärung ködern. Der Einstieg erfolgt oft über Freunde und Geschwister. Er ist motiviert durch den Wunsch, endlich mal dazugehören, jemand zu sein, einfache Antworten auf schwierige Fragen zu erhalten oder zu provozieren. Die rechte Szene ist moderner, offener geworden. Auch Mädchen sind willkommen. Jung, dumm, männlich, arbeitslos, gewaltbereit und aus Ostdeutschland – dieses Klischee greift nicht (mehr). Studien wie die des Soziologen Wilhelm Heitmeyer oder die Untersuchung „Vom Rand zur Mitte“ der Friedrich-Ebert-Stiftung belegen: Der „nette Menschenfeind von nebenan“ lebt mitten unter uns, auch im Westen, auch in der Großstadt, auch im Akademikerhaushalt. Er drängt an die „Schule ohne Rassismus“ und ins Kinderzimmer – das Web2.0 mit seinen Social Networks macht’s möglich. Jugendschutz.net dokumentierte im vergangenen Jahr mehr als 750 rechtsextreme Videos und Profile auf Internetplattformen und 1.635 rechtsextreme Internetseiten. Das sind 1.635 Seiten zu viel.

Und was tun die Journalisten? Sie berichten. Seit Jahren. Doch die Berichterstattung ist oftmals zu monoton. Immer wieder werden Klischees bedient, immer wieder die gleichen intellektuellen Erklärungsversuche angeführt. Und immer wieder findet die Berichterstattung dort statt, wo sich nur wenige Jugendliche informieren. Zeitung lesen, Nachrichten gucken oder Info-Radio hören, ist ziemlich uncool. Die Infoangebote für die eigentlich betroffene Zielgruppe sind unattraktiv: Zu viel Text, zu viele intellektuelle Worthülsen, zu viel pädagogischer Übereifer. Die Mediennutzung von Jugendlichen ist eine andere. Das Gros der Unter-18-Jährigen nutzt täglich mehrere Stunden lang Social Networks und Plattformen wie SchülerVZ, StudiVZ und Facebook, My Space oder YouTube. Dort ist man im Geflecht seiner sozialen Beziehungen abgebildet. Und wenn der Kumpel mit der rechten Einstellung in die Gruppe „Heil Hitler“ lädt, ist das rechte Gedankengut erst im PC und bald im Kopf. Auch wenn die Betreiber täglich Gruppen und Profile wegen rechten Gedankenguts löschen, die Plattformen sind längst unterwandert.

Darüber wird noch zu wenig berichtet. Investigative Recherchen im Web2.0, Social Networks als sinnvolles Rechercheinstrument zu nutzen, tun nur wenige Journalisten. Mit den Online-Recherchen ist es nicht getan. Es ist nicht-virtueller Reporterfleiß und -schweiß gefragt. Die Recherchen im rechtsextremen Milieu sind teuer, gefährlich, zeitintensiv. In Zeiten des Outsourcing, Personalabbaus und Honorardumpings leisten sich das die wenigsten Medienunternehmen. Und was war mit aufklärerischem Journalismus? Verleger und Sender sollten für schwierige und gefährliche Recherchen angemessen bezahlen und ihre Journalisten unterstützen. Gerade dann, wenn sie bedroht werden. Die Drohungen rechter Schläger müssen zwar ernst, dürfen aber auch nicht zu ernst genommen werden. Dass Journalisten aus Angst einknicken, wäre ein Erfolg für die Rechtsextremen. Beispiele wie die Recherchen und Veröffentlichungen des „NDR-Info“-Redakteurs Stefan Schölermann haben gezeigt, dass Berichterstattung etwas verändern kann. Sei es, dass braune Kaderfrauen keinen Schwimmunterricht mehr geben oder Neonazis nicht an Marathonläufen teilnehmen dürfen.

Nicht zuletzt müssen die Journalisten vor der braunen Propaganda gefeit sein: Viele der rechten Strippenzieher sind intelligent, sie sprechen eine geschliffene Sprache, ihre Angebote und Auftritte kommen harmlos daher. Im echten Leben wie im Netz.

Was also tun? Recherchieren, berichten, veröffentlichen – in den traditionellen Medien und dort, wo die Kids sind. Im Netz. In der Schule. Echt und authentisch. Journalisten, die in Schulen von ihren Recherchen berichten, wirken auf Jugendliche viel glaubwürdiger als bloße Zeitungsartikel und Radiobeiträge. Schluss mit dem Vorschreiben und Vorbeischreiben. Haltung zeigen. Medien haben eine gesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung. Wir Journalisten sollten uns dieser stellen.

linkTipps:

Internetportale gegen Rechtsextemismus:

www.netz-gegen-nazis.com/, Internetportal initiiert von der ZEIT

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/ , Internetportal initiiert vom STERN

www.bpb.de/themen/R2IRZM,0,Rechtsextremismus.html

Erschienen in Ausgabe 7/2008 in der Rubrik „Standpunkt“ auf Seite 12 bis 12 Autor/en: Tina Groll. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.