Auch der „Spiegel“ will Recherche und Edelfedern häufiger zusammenbringen

Das Modell der „Washington Post“ ist nicht nur für Amerika tauglich. „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo sagt, ähnliche Kooperationen wie von Priest und Hull „gibt es beim „Spiegel“ schon lange, etwa mit Klaus Brinkbäumer nach dem 11. September. Wir wollen dies, bei geeigneten Gelegenheiten, noch weiter ausbauen.“ Das Ziel: eine tief recherchierte Geschichte auch gut zu erzählen.

Ein Beispiel der vergangenen Monate war eine Titelgeschichte über Siemens am 14. April, recherchiert und geschrieben von einem Dreier-Team: Dinah Deckstein, Jörg Schmitt und Jürgen Dahlkamp. Die Reporter reisten durch halb Europa und sichteten nach eigenen Angaben Tausende Seiten Ermittlungsakten. In Genf erhielten sie Einblick in ein Schmiergeldgeschäft der siebziger und achtziger Jahre: Siemens baute zwei iranische Atomkraftwerke und zahlten dafür über 266 Millionen Mark an einen ehemaligen Vertrauten des Schah, wie er den Reportern bestätigte. Kaufmännischer Leiter des Projekts bei Siemens war Heinrich von Pierer, der spätere Vorstandchef und Aufsichtsratschef, der heute nichts von den Bestechungspraktiken bei Siemens gewusst haben will. Die Provisionen waren damals nicht verboten, aber die Erzählung zeigt, dass von Pierer solche Praktiken stärker genutzt hat, als ihm heute lieb ist.

Motor der Geschichte war Jürgen Dahlkamp, der die Geschichte laut Mascolo am Ende geschrieben hat. Er beginnt die 15 Seiten lange Geschichte „Die Firma“ mit dem Hinweis, dass Bestechung schlecht und verboten ist und bringt dann das Beispiel der Frau Georgia O. aus Nigeria, um den „größten Bestechungsskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte“ mit einem kleinen Lichtblick im Korruptionssumpf. Frau Georgia O., die Frau eines ehemaligen nigerianischen Staatssekretärs für Telekommunikation, hatte für 20.000 Dollar, mit denen ihr Mann von Siemens bestochen wurde, für eine „Fruchtbarkeitsbehandlung“ verholfen. Thomas Schuler

Erschienen in Ausgabe 7/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 68 bis 68. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.