Wie der „Spiegel“ mit Maybrit Illner die Fälle Telekom und Talkshows diskutierte

Auf dem heißen Stuhl sitzt ZDF-Politik-Talkerin Maybrit Illner während ihres Gespräches mit „Spiegel“-Wirtschaftsredakteur Thomas Tuma an diesem Juni-Tag nicht: Bevor er bei der Podiumsdiskussion in der Universität Berlin zum eigentlichen Thema „Was bringen politische Talkshows?“ kommt, schneidet er wachsweich die Frage an, die in den vergangenen Wochen wohl mehr interessierte: „Die Telekom-Affäre. Ist das ein geeignetes Thema für Ihre Talkshow?“ Die Frage stelle er „nicht, weil ihr Freund da arbeitet“ (Illner ist mit T-Chef René Obermann liiert). Vielmehr gäbe es doch kaum eine Gegenposition dazu, die Vorgänge in diesem Konzern verwerflich zu finden. Vorauseilend beschwichtigend lobt er Illner mit Blick auf deren Sendung Anfang Mai: „Es war tapfer von Ihnen, dieses Thema zu behandeln.“

Die Anspielung auf ihren Lebensgefährten bringt die Journalistin nicht aus dem Konzept: „Ich werde nicht mehr mit ihm in eine Sendung gehen können, aber alles andere ist möglich.“ Auch hätte das Publikum ja grade gesehen, dass ihre Gesichtszüge beim Wort „O-ber-mann!“ nicht entgleiten, sagte die gut aufgelegte 43-Jährige. Dass sich nur etwa 40 Interessierte im Hörsaal eingefunden haben, nimmt sie mit Humor: „Wollen Sie nicht alle ein bisschen nach vorne kommen? Ich bin auch für kritische Distanz, aber die muss nicht physisch sein.“

„Grantenmäßig in die Hose“. Tuma zeigte sich auf dem Podium nicht halb so scharfzüngig wie in seinen Glossen, hakte nicht nach, als Illner behauptet, für sie sei die Telekom-Talkshow „eine ganz normale Sendung“ gewesen. Die Journalistin hatte gefühlte 90 Prozent Redeanteil, wies den Kollegen zurecht: Er lasse ja wirklich keine der erwartbaren Fragen aus: erst René O., dann ihre Ost-Biografie und natürlich der Klassiker, „Talken Frauen anders?“

Natürlich verwahrte sich Illner gegen den Vorwurf, Talkshows böten Politikern lediglich eine Bühne, um sich zu inszenieren: Dass Wirtschaftsminister Michael Glos das Gleichstellungsgesetz „groben Unfug“ nennt, dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zugibt, Geld werde nur von Ressort zu Ressort geschoben um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, das zeige ja wohl, dass man sich nicht mit Phrasen abspeisen lassen müsse. „Beide Politiker sind nicht mit der Intention in die Sendung gegangen, diese Sachen zu sagen“, sagte Illner mit einem selbstbewussten Lächeln.

Der Einfluss von Spin-Doktoren sei überbewertet, fügte sie noch hinzu. „Wenn die Politikern raten, es, menscheln‘ zu lassen, kann das granatenmäßig in die Hose gehen“, sagte sie mit Blick auf die Pool-Fotos von Rudolf Scharping, der Verteidigungsminister war, als die Bilder damals in der „Bunten“ verbreitet wurden.

Talkshows böten vielmehr Chancen, ernste Fragen zu diskutieren. Grade Sendungen zu trockenen Themen wie Hartz IV würden „grandios geguckt“. Schwierig sei hingegen, das Publikum für außenpolitische Themen zu begeistern: „Wie sagt man so schön? Die rocken nicht so richtig.“

Im Publikum, einem Hörsaal, waren Illners Durchschnittszuschauer, Männern um die 60, stark vertreten, hatten aber keine Lust, die Rolle der Talkshow zu diskutieren. Ein betagter Herr klagte lieber über das ZDF: In den Siebzigern hätte der Sender noch Niveau gehabt, sagte er. Aber heute: nur noch Krimi-Serien! Und was diese merkwürdige Kampagne solle, bei der sich Stars des Senders mit zwei Fingern vor dem Auge ablichten lassen?

Den Uni-Pförtner stört die Werbekampagne scheinbar weniger: Bevor Illner in den lauen Sommerabend entschwindet, lässt er sich ein Autogramm geben, auf einer Karte, die das Gesicht des Politik-Talks im ZDF in just dieser Pose zeigt.

Annette Leyssner

Erschienen in Ausgabe 7/2008 in der Rubrik „Spektrum“ auf Seite 10 bis 10. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.