„Alles ist möglich“

Was haben die Sandlers, die Sie bezahlen, über die beiden ersten Stücke gesagt?

Paul Steiger: Vor der Veröffentlichung sprechen wir nicht über unsere Arbeit, weder mit Geldgebern noch mit Mitgliedern des Aufsichtsgremiums noch mit Nachrichtenorganisationen. Hinterher schienen die Sandlers sehr zufrieden zu sein mit der Qualität unserer Arbeit.

Wie viele Stücke werden Sie produzieren?

Im nächsten Jahr wollen wir im Schnitt alle 14 Tage ein größeres Stück veröffentlichen.

Wie oft sprechen Sie mit Redakteuren über mögliche Zusammenarbeit?

Praktisch täglich. Bislang hat niemand abgelehnt. Aber nicht jede Geschichte passt zu jedem Partner.

An welchem Punkt der Recherche beginnen Sie die Zusammenarbeit?

Das ändert sich sehr von Geschichte zu Geschichte. Natürlich müssen wir genug recherchiert haben, um sicher zu sein, daß unsere Annahme stimmt und es tatsächlich eine Geschichte gibt. Das kann sehr schnell gehen oder sehr lange dauern. Unterschiedliche Partner wollen auf unterschiedliche Weise zusammenarbeiten – Videoaufnahmen brauchen mehr Zeit. Bei der Gasgeschichte lag die kurzfristige Zusammenarbeit am Thema. Wir hätten uns gewünscht, unserem Zeitungspartner mehr Zeit zu geben.

Der Anstoß für „60 Minutes“ kam von Ihnen, bei der Gasgeschichte war es ebenso. Sind Sie auch offen für Ideen, die von Partnern kommen?

Dafür sind wir offen. Gerade arbeiten wir an einem Projekt, das uns vorgeschlagen wurde.

Werden Sie auch mit Internetzeitungen wie der „Huffington Post“ zusammenarbeiten, die sich aus vorhandenen und kostenlosen Angeboten nährt?

Natürlich.

Was ist eine typische Geschichte, die Sie aufgreifen?

Wir konzentrieren uns auf die wirklich wichtigen Themen, also Geschichten, die moralisch zwingend sind. Wir wollen die Ausbeutung von Schwachen durch Starke beleuchten und Fehler und Schwächen der Mächtigen, damit sie das Vertrauen, das sie genießen, rechtfertigen müssen.

Was war für Sie entscheidend, dass Sie diesen Job übernommen haben?

Die wichtigste Frage war, ob die Verpflichtung zu unabhängigem Journalismus ernst gemeint war. Das habe ich so gesehen und bislang hat es sich bestätigt.

In Amerika gibt es viele Vorurteile gegen Public Journalism, er sei zu links und verfolge unter dem Vorwand der Unabhängigkeit die Interessen von wenigen Geldgebern. Beschäftigen Sie einen Ombudsmann oder planen Sie, eine solche Position zu besetzen?

Alle Journalisten müssen sich gegen Vorurteile und Befangenheit schützen. Befangenheit ist eine Gefahr, gegen die alle guten Chefredakteure ständig auf der Hut sein müssen. Aber ich glaube nicht, dass wir deshalb einen Ombudsmann einstellen müssen. Seine Funktion ist Teil der Aufgabe eines jeden Redakteurs. Wir hatten keinen beim Journal und wir haben keine Pläne, einen bei Pro Publica zu beschäftigen.

Was ist Ihre Messlatte für Ihre Arbeit? Erwarten Sie, für Pulitzerpreise nominiert zu werden?

Unsere Herausforderung ist die Wirkung, also ob wir Dinge verbessern können. Auszeichnungen können das messen, aber es gibt andere, zuverlässigere Tests. Unsere Geschichte über Al Hurra hat dazu geführt, daß Anhörungen im Kongress gefordert wurden und unsere Geschichte über die Bohrung von Gas hat bereits zu gesetzlichen Änderungen geführt. Pulitzerpreise sind auf Zeitungen beschränkt. Wir haben jetzt erst zwei Geschichten veröffentlicht. Es wäre wirklich viel zu früh, um über Preise nachzudenken.

Werden Sie umfangreichere Recherchen in Form von Büchern oder Dokumentarfilmen veröffentlichen?

Alles ist möglich. Buchverleger haben uns angesprochen und Filme sind auch möglich. Auf jeden Fall werden wir viel mehr mit Fernsehen zusammenarbeiten.

Linktipp:

www.propublica.com

Erschienen in Ausgabe 9/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 70 bis 71 Autor/en: Interview: Thomas Schuler. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.