Blasen und Phrasen

„Dynamisch“

Ein Phrasenwort für alle Fälle. Möchte man meinen. Doch Obacht, liebe Eleven des fortgeschritten Bullshit-Talks. Wer dieses Wort allzu dynamisch auf der Zunge führt, wird allzu schnell als „Jungdynamiker“ gebrandmarkt. Und da ist ja nun leider nicht groß was anderes als ein Hornochse mit dicken Eiern in der Hose und einem Schlips um den Hals. Kein wirklich erstrebenswerter Status. Wer oder was ist aber überhaupt dynamisch? Dynamisch ist nicht nur der Manager selbst, sondern vor allem der Markt, die Entwicklung, das Segment, in dem alles selbstredend steil bis sehr steil nach oben zeigt. Sonst müsste sich ja auch kein Erfolgsmensch damit näher befassen. Gruner+Jahr- Zeitschriftenvorstand Bernd Buchholz beispielsweise verkündete unlängst, mit dem Kauf des People-Blatts „In“ „neue Potentiale im dynamisch wachsenden Segment der jungen Peoplemagazine“ erschließen zu wollen und das „Werbeträger-Portfolio für junge Frauen-Zielgruppen“ damit abzurunden. Besser geht es nicht. Das Segment ist jung, es wächst dynamisch und rundet auch noch die jungen Frauen, äh, Zielgruppen ab. Pralle Formulierungskunst auf höchstem Niveau.

„Entscheider“

Wer so dynamisch spricht wie im obigen Beispiel, der ist im Regelfall Entscheider. Dies sind die großen Schraubendreher des gehobenen bis höheren Managements. Herren über Kassen und Budgets und dementsprechend umgeben von Wein, Weib und Werbe-Industrie. „Wir wollen die Entscheider ansprechen“, tönt es aus den Marketingabteilungen irgendwelcher Spezialunternehmen, die entweder niedrig auflagige Publikationen mit Wirtschafts-Hintergrund herausgeben, breite E-Mail-Handys mit sehr vielen Knöpfen herstellen oder dicke Autos produzieren. Das Mobile ist für die stets von hier nach dort eilenden Entscheider von zentraler Bedeutung. Bernd Ziesemer, der Chefredakteur des „Handelsblatts“, erklärte neulich zum Start des frisch angepinselten Handelsblatt.com: „Auch im Mobilnetz wollen und müssen sich wirtschaftliche Entscheider rund um die Uhr Informationen verschaffen.“

Puuh, ganz schön anstrengend. Weil sie den gestressten Mobil-Entscheidern helfen wollen, brüsten sich Magazine oder Wirtschafts-Tageszeitungen gerne damit, „Entscheider-Medien“ zu sein. Will heißen: Wer uns liest, der hat was zu sagen und ist dauernd unterwegs, weswegen er oder sie viel Geld für teuren Schnickschnack ausgibt. Seltsam nur, dass die mit dickem Geldbeutel gesegneten Herren in Eigen-Anzeigen oftmals mit Billigst-Uhren und Tand-Kulis als Abonnenten geködert werden sollen. Vielleicht sind wir ja alle ein bisschen Entscheider. Werbe-Strategen ginge diese Aussage aber sicher entschieden zu weit.

„Tempi passati!“

Italienisch für „vergangene Zeiten“. Eine hübsche Abschlussphrase auch und gerade für Journalisten, die nach einem pfiffigen Schlusssatz oder einer Knaller-Überleitung suchen. Man beschreibt irgendwas, im Regelfall den Umstand, dass früher alles besser war und setzt forsch ein „Tempi passati!“ hintendran. Es folgt die knüppelharte Anaylse, was in der Gegenwart alles schiefläuft und die Zukunft an weiterem Unbill bringen mag. So eine Italo-Phrase signalisiert Weltläufigkeit und suggeriert Formulierungsfrische, wenn einem sonst gerade nix einfällt. Die Phrase ist allerdings ziemlich universell einsetzbar, auch von Interviewgebern, die mit unliebsamen Zeug aus der Vergangenheit konfrontiert werden. Miese Zahlen im vorvergangenen Quartal, Arbeitsplätze en gros abgebaut, Fabriken dichtgemacht, neue Zeitschrift nach vier Wochen schon wieder eingestellt? Tempi passati! Alles weggewischt und nach vorne geschaut! Das ist die hemdsärmelige Einstellung, wie sie Amis lieben und Manager sowieso. Auch von Phrasen-Anfängern ohne große Stolpersteine problemlos zu benutzen.

Erschienen in Ausgabe 9/2008 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 86 bis 86. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.