Bücherkiste

Schröders Visionen

Sebastian Feuß, Die imaginäre Kampagne. Eine Untersuchung der Presseberichterstattung vor und nach der Bundestagswahl 2005, LIT Verlag, Berlin 2008, 99 S., 14,90 Euro

Wer erinnert sich nicht an Gerhard Schröders legendäre Performance in der „Berliner Runde“ am Abend der Bundestagswahl 2005? Sebastian Feuß weist in seiner Untersuchung nach, dass des damaligen Kanzlers mediale Paranoia jeder Grundlage entbehrte: Konservative und linke Medien positionierten sich zu Rot-Grün sehr unterschiedlich. Der Autor, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Praktische Journalismusforschung in Leipzig, spricht zwar von einem „für die SPD ungünstigen Klima“ in den Medien, der Kampagnen-Vorwurf sei allerdings haltlos gewesen. Ein Printmedien-übergreifender Kampagnenjournalismus werde schon durch den ökonomischen Druck auf dem Medienmarkt verhindert. Der Ruf einer Zeitung – konservativ oder progressiv – bleibe über den Tag hinaus bestehen. Das Schlusskapitel wirft noch einen Blick auf die Große Koalition: Diese stehe einer geschlossenen Medienfront gegenüber, die sich als einzig wahre Opposition begreife – zu Lasten der Rolle des kritischen Beobachters.

Digitale TV-Revolution

Reinhard Scolik / Julia Wippersberg (Hrsg.), Was ist neu am neuen Fernsehen?, LIT Verlag, Wien 2008, 206 S., 19,90 Euro

Der Tagungsband der „TVienna 2007“, des ersten Wiener Symposiums zu Fernsehen und Medienwandel, beschäftigt sich mit Herausforderungen und Chancen der „Digitalen Revolution“. Ist alles, was technisch machbar ist, für den Mediennutzer auch sinnvoll? Als der Teilnehmer einer Podiumsdiskussion davon schwärmt, sich Fußballspiele auf dem Handy anzuschauen, weist ihn ein Mitdiskutant zurecht, dass er als Fußballfan hieran definitiv keinen Gefallen fände. Grundsätzlich gilt sowieso: Medien bleiben über längere Zeiträume nur bestehen, wenn ein gesellschaftlicher Bedarf für sie vorhanden ist. Der mit aufkommende Schnickschnack sollte nicht über die großen Vorteile der Digitalisierung hinwegtäuschen: eine deutlich bessere Qualität in Bild und Ton, aber auch die Möglichkeit, über Antenne vier- bis acht Mal so viele Kanäle übertragen zu können wie mit der analogen Distribution.

Elektronisch schnacken

Frank Martin Hein, Elektronische Unternehmenskommunikation, Deutscher Fachverlag, Frankfurt 2008, 609 S., 98 Euro

Moderne Zeiten: „Was keine elektronischen Spuren hinterlässt, findet nicht statt.“ Mit diesem Satz steigt Frank Martin Hein in sein voluminöses Werk über Unternehmenskommunikation ein, an dem zahlreiche Gastautoren mitgestrickt haben. Der Verfasser hat seine Erkenntnisse nicht im akademischen Elfenbeinturm ersonnen, sondern ist als Communications Director von Bombardier Transportation in Berlin täglich selbst mit der Frage effizienter elektronischer Unternehmenskommunikation befasst. Bevor es in die Praxis geht, behandelt ein Kapitel das Phänomen Kommunikation aus einem kulturellen Blickwinkel. Eine wichtige These hierbei lautet, dass durch elektronische Medien Wissen immer leichter zugänglich wird, und folglich zunehmend den Charakter des Machtinstrumentes verliert. Ausführlich stellt ein Kapitel Formate und Trends bei elektronischen Medien vor – von Corporate TV bis „Wikis“. Weiter geht es mit den sensiblen Themen Kommunikationsstil, „Netiquette“ und Verteilerpflege. Zum Abschluss präsentiert das Buch konkrete Beispiele elektronischer Unternehmenskultur – von Bertelsmann und SAP bis zur Dresdner Kelterei Walther, die dank ihres „Saftblogs“ über die Kundengeschmäcker auf dem Laufenden bleibt. Was den Umsatz berauscht hat, und dies in einer hart umkämpften Branche.

Bernd Stößel

Erschienen in Ausgabe 9/2008 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 88 bis 88. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.