>>> Serbien
Die Karawane zieht weiter
Danja Antonovic,
Belgrad
Am späten Abend wüten die Gewitter über Belgrad, es blitzt und donnert mächtig, als die Bombe kurz vor Mitternacht platzt: Karadzic, der Boss der serbischen Serben, seit 13 Jahren gesucht, ist gefasst. Die deutschen Medien durstet es nach „breaking news“ und so werde ich am nächsten Morgen durch das gleichzeitige Klingeln von Handy und Telefon um sieben Uhr aus dem Bett geholt. Ein deutscher TV-Sender will ein Telefoninterview, und zwar auf der Stelle, am besten schon gestern. In zehn Minuten bin ich tatsächlich „auf Sendung“, das Weltreporter-Foto aus dem Internet wird eingeblendet und ich darf, als „unsere Korrespondentin“ tituliert, in einer Minute erzählen, wie die Lage in Belgrad ist. Der Mann, der als oberster Befehlshaber die Toten von Srebrenica zu verantworten hat, wird in dieser Woche zur absoluten, zur weltweiten Medienfigur aufsteigen. Ich auch, via Fernsehen, berichte stündlich über die allgemeine Karadzic-Hysterie, teilweise als Wiederholung, meistens jedoch live. Das Bankkonto freut sich. Der Spuk dauert eine Woche, bei Nacht und Nebel wird der Weihnachtsmann – wie Karadzic ob seines weißen Bartes hier genannt wird – nach Scheveningen ausgeliefert. Im Nu ist die Meute der wartenden Journalisten weg. Die Karawane zieht weiter, Belgrad fällt wieder ins Sommerloch, alles wie gehabt: Die Sonne brennt, die Preise steigen, die Nationalisten und die Europäer bekämpfen sich laut. Für die Medien ist Serbien kein Thema mehr. Zum Mekka des Weltjournalismus wird Belgrad nur noch einmal: Dann, wenn Mladic verhaftet wird.
Internet: www.naslovi.net/search.php?q=karadzic
>>> Papua Neuguinea
Begrenzte Trauer
Anke Richter,
Christchurch
Als Papua Neuguineas Präsident im Sommer mit gerade mal 54 Jahren verstarb, quoll die Kathedrale von Port Moresby beim Abschiedsgottesdienst von seinen Anhängern über. Aus der ganzen Welt trafen Beileidsbekundungen für Joseph Kabui ein, der einst Priester war und später Rebellenführer wurde. Besonderes Mitleid kam auf, als bekannt wurde, dass der kranke Mann sich keine Behandlung im Ausland für sein Herzleiden leisten konnte. Statt teurer Medizin greife er lieber auf ein einheimisches Heilwasser zurück, verriet er noch 12 Stunden vor seinem Tod einer Interviewerin. Bei vielen Journalisten des melanesischen Inselreichs hielt sich die Trauer jedoch in Grenzen. Erst vor wenigen Wochen war Kabui von einem Treffen mit Frank Bainimarama, dem diktatorischen Putsch-General aus Fidschi, wiedergekehrt. Der hatte unlängst den unliebsamen Verleger der „Fiji Times“ des Landes verwiesen, was bei Kabui anscheinend Eindruck hinterließ. Wieder daheim, erklärte Papuas Präsident vor der Presse, dass er ähnlich verfahren wolle, wenn jemand beabsichtige, Kritisches über die Regierung zu veröffentlichen. Ruhe sanft!
Internet: www.postcourier.com.pg
>>> Indonesien
Asiatisches
aus Asien
Christina Schott,
Jakarta
Als erste westliche Nachrichtenagentur wird die dpa in Zukunft täglich ein Paket ausgewählter Artikel des größten asiatischen Zeitungssyndikats Asian News Network (ANN) verbreiten. Was daran so besonders ist, ging bisher beinahe unter: Erstmals werden westlichen Medien täglich etliche Geschichten angeboten, die nicht von Asiaten geschrieben worden sind, die in Europa oder den USA aufgewachsen sind oder studiert haben, sondern die als Journalisten in ihrem eigenen Land arbeiten. „Damit füllen wir eine Lücke, die schon lange im Mosaik der globalen Nachrichtendienste klaffte: asiatische Geschichten aus asiatischer Perspektive“, erklärt Endy Bayuni, Chefredakteur der „Jakarta Post“ und Mitglied des ANN-Vorstands. „Wir sind keine Nachrichtenagentur, aber wir bieten eine exklusive Sammlung von Berichten, Reportagen und Kommentaren über hiesige Themen. Die Zusammenarbeit mit der dpa ist der Durchbruch, auf den wir schon lange gewartet haben, damit wir unsere Sicht der Dinge auch auf dem globalen Nachrichtenmarkt vertreten können.“ Das ANN wurde 1999 auf Initiative der Konrad-Adenauer-Stiftung gegründet, deren Medienprogramm das Netzwerk bis heute unterstützt und berät. Die Idee für den Zusammenschluss von 19 überwiegend englischsprachigen Zeitungen aus 18 asiatischen Ländern entstand infolge der Asienkrise und sollte vor allem zur Verständigung der Medien untereinander dienen. Heute ist das ANN mit einer Printauflage von fast 15 Millionen das größte Zeitungssyndikat Asiens. Mit mehr als 50 Millionen Lesern hat es nach eigenen Angaben die größte Reichweite der Welt.
Internet: www.asianewsnet.net
>>> Libanon
Auf der Suche
nach Professionalität
Birgit Kaspar,
Beirut
Die libanesische Presse ist im Vergleich zu den Nachbarländern relativ frei. Nun mehren sich jedoch die (selbst)kritischen Stimmen. Denn Freiheit bedeutet im Libanon nicht Überparteilichkeit. Nach dem Mini-Bürgerkrieg Anfang Mai, in dem die Hisbollah für kurze Zeit die Kontrolle über Teile West-Beiruts übernahm, sind die Medien im Libanon noch parteiischer geworden, als sie es ohnehin schon waren. Joe Haddad, der kürzlich einen Medienworkshop für die libanesische Maharat Foundation organisierte, sagte am Rande dieser Veranstaltung: „Wir haben gesehen, wie die Medien regelrechte Hass-Propaganda verbreiteten“ – gegen die jeweilige politische Opposition. Halbwahrheiten und Gerüchte gehören ebenso zur Tagesordnung wie der Mangel an Quellenangaben. Häufig werden Meinung und Bericht vermischt. Gegenüber der Medienentwicklungsorganisation „Jemstone“ erklärten libanesische Kollegen: „Es gibt viele schlechte Journalisten im Libanon, sie sind nicht objektiv, ohne professionelle Standards.“ Die gut gemeinten Versuche nationaler und internationaler Nichtregierungsorganisationen, den libanesischen Journalisten mehr Verantwortungsgefühl und Ethik nahezubringen, werden wohl wenig nützen. Es sei denn, die politischen Führer geben den ihnen nahe stehenden und teilweise von ihnen finanzierten Medien den Auftrag zu verantwortungsvoller statt parteiischer Berichterstattung. Das ist aber angesichts der politischen Polarisierung in naher Zukunft nicht zu erwarten.
Internet: www.maharat-foundation.org
>>> Grönland
Grönländische Grönländer
Clemens Bomsdorf,
Kopenhagen
Je weiter weg und je unbekannter das Gebiet ist, aus dem eine Geschichte kommt, desto mehr, so scheint es, wird mit Klischees gearbeitet. Als eine deutsche Fernsehgesellschaft auf Grönland drehen wollte, ließ sie die dortige Stringerin nach einer Grönländerin suchen, die gefilmt werden sollte. Die Stringerin bot sich selber an, wurde aber abgewiesen. Sie sehe nicht grönländisch genug aus. „Die suchten nach richtigen Mustergrönländern“, sagte Julie Edel Hardenberg der dänischen Zeitung „Weekendavisen“. Hardenberg, die die Geschichte von der Stringerin hörte, inspirierte die deutsche Vorstellung vom grönländischen Ideal zu einem Buchprojekt, aus dem diesen Sommer auch eine Fotoausstellung wurde. In „Den stille mangfoldighed“ (Die stille Vielfalt) dokumentiert sie, wie Grönländer aussehen können – rothaarig, blond und blauäugig, aber natürlich auch dunkelhaarig mit Mandelaugen. Grönland ist nämlich eine multiethnische Gesellschaft, auch wenn es manche Medien vielleicht nicht wahrhaben wollen. Auf die zu Dänemark gehörende Insel kommen seit Jahrhunderten Einwanderer. Manche Grönländer, die nie die Insel verlassen haben, haben deshalb womöglich Vorfahren, die niederländische Walfänger waren. Den größten Teil der Einwanderer machen die Dänen aus Festlanddänemark aus. Die sind so zahlreich und die Beziehungen zu dem Mutterland so eng, dass es schwer ist, sich auf der Insel nur mit der grönländischen Sprache durchzuschlagen. Hardenberg, selber Tochter einer grönländischen Mutter und eines Vaters vom dänischen Festland, hat das zu einem
neuen Projekt inspiriert. Sie will versuchen, auf der größten Insel der Erde ein halbes Jahr nur Grönländisch zu sprechen. Alles wegen eines deutschen Fernsehteams – passt prima zu einem hoffentlich veralteten Deutschlandbild.
Internet: www.bryggen.dk/ default.asp?news=99&Doc=9
Serie
Die Nachrichten rund um den Globus aus verschiedenen Ländern werden regelmäßig in „medium magazin“ veröffentlicht. Die Autoren sind Mitglieder von Weltreporter.net. Homepage: www.weltreporter.net, eMail: cvd@weltreporter.net.
Erschienen in Ausgabe 9/2008 in der Rubrik „Weltreport“ auf Seite 72 bis 73. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.