Hilfspolizist Journalist

Am 15. September hört der Innenausschuss des Bundestages elf Sachverständige zu einem der umstrittensten Gesetzesvorhaben an: dem neuen BKA-Gesetz. Medienvertreter gehörten bis Redaktionsschluss allerdings nicht zu den geladenen Experten (s.a. Kasten). Obwohl – unbeachtet im Sommerloch und überlagert von der Debatte um den Datenschutz – mit dem Gesetz der Schutz von Presseinformanten abermals verschlechtert werden soll. Denn Journalisten müssen fürchten, dass Fahnder künftig die Herausgabe von Recherchematerial verlangen – und das notfalls mit Zwangsgeld, Beugehaft und Redaktionsdurchsuchungen durchsetzen können. Der Journalist wird so wider Willen zum Hilfspolizisten.

„Neue Regeln zum Zeugnisverweigerungsrecht räumen dem BKA Rechte ein, die weit über alles bisher Bekannte hinausgehen. Der Gesetzestext und seine Begründung zeigen, wie die Verfasser denken: Wenn das BKA ermittelt, muss die Pressefreiheit zurücktreten,“ sagt die auf Medienpolitik spezialisierte Hamburger Presseanwältin Dorothee Bölke: „Das Gesetz hebelt den Informatenschutz aus.“ Initiatoren des Gesetzentwurfes zur Änderung des „Bundeskriminalamtgesetzes“ sind CDU/CSU und SPD.

Scharfe Kritik. Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, kritisiert auf Nachfrage von „medium magazin“: „Mit dem Entwurf schleift die Bundesregierung den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von Journalisten. Die Pressefreiheit gerät durch die stetig ausgeweiteten Überwachungsmaßnahmen immer weiter in Gefahr. Wenn Informanten nicht mehr sicher sein können, dass ihre Kommunikation mit Journalisten vertraulich bleibt, wird die Pressefreiheit untergraben.“

Piltz schildert, wie sich das neue BKA-Gesetz auf die Arbeit eines Journalisten auswirken könnte. Bei einer Recherche über ein islamisches Jugendzentrum hat ein Journalist Kontakt mit einem Informanten. Die Kontaktperson besucht später ein Terrorcamp – ohne das Wissen des Journalisten. Das BKA erfährt von dem Kontakt – und überwacht E-Mails und Telefonate des Reporters. Gisela Piltz: „Unweigerlich werden auch andere Informanten kompromittiert. Die Vertraulichkeit von Pressegesprächen wird mithin generell infrage gestellt.“

Wolfgang Wieland, Fraktionssprecher im Bundestag für innere Sicherheit bei Bündnis 90/Die Grünen, warnt, dass Journalisten umfassend auskunftspflichtig würden. Es bestehe die Gefahr, dass erhebliche Teile der Arbeit investigativer Journalisten auf diesem Themengebiet ungeschützt bleibe.

Der juristische Hintergrund. Seit Anfang des Jahres existieren zwei Klassen von Berufsgeheimnisträgern. Abgeordnete und Seelsorger können ihre Quellen und Kontaktleute geheimhalten. Sie dürfen auch nicht von Fahndern ausspioniert werden (Telefon, E-Mails). Anders Journalisten, Ärzte und Anwälte. Sie können zwar ebenfalls über Informanten, Patienten und Mandanten schweigen, dürfen beispielsweise aber abgehört werden, wenn es um die Aufklärung einer Straftat „von erheblicher Bedeutung“ geht. Das erlaubt Paragraf 160 a der Strafprozessordnung (StPO).

Das geplante BKA-Gesetz geht in der Einschränkung aber noch deutlich weiter. Der Paragraph 20 u ist zwar überschrieben mit „Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen“. Doch Rechtsexpertin Bölke sagt: „Das ist eine Mogelpackung.“ Denn der Gesetzesentwurf lässt in seiner Definition von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu viel Spielraum für Ermittlungen in bisher geschützten Bereichen wie eben der journalistischen Recherche. So sei keine Rede mehr davon, dass Ermittlungsmaßnahmen gegen Journalisten nur bei sehr schweren Straftaten durchgeführt werden dürften. „Es wird unterstellt, dass BKA-Ermittlungen per se Straftaten von erheblicher Bedeutung betreffen.“ Doch genau das bezweifeln Experten. Bündnis 90/Die Grünen verweisen auf den Paragrafen 4a des BKA-Gesetzes. Danach kann die Behörde auch bei Straftaten tätig werden wie der „Störung von Telekommunikationsanlagen“ ( § 317 Strafgesetzbuch).

„Unzulässiges Sondergesetz“. Ein zweiter Kritikpunkt am Paragrafen 20 u des BKA-Gesetzes: „Das BKA darf abwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung und dem Geheimhaltungsinteresse des Journalisten an seinen Informationen. Wie werden solche Entscheidungen wohl ausgehen?“, fragt Bölke. Sinn und Zweck des Zeugnisverweigerungsrechtes, nämlich Schutz der Identität eines Informanten, werde völlig verkannt. Diese Ansicht teilt auch Helmuth Jipp, Presserechtsanwalt in Hamburg: „Man fragt sich, warum solche Vorschriften ins BKA-Gesetz aufgenommen wurden. Es wird ein unzulässiges Sondergesetz geschaffen“, kritisiert er.

Für Grünen-Sprecher Wieland setzt das neue BKA-Gesetz die, Rücksichtslosigkeit im Umgang mit Berufsgeheimnisträgern fort‘. Insbesondere für Journalisten sei eine Behinderung ihrer Arbeit und eine unklare Rechtssituation absehbar.

Die Fraktion der FDP im Bundestag fordert deshalb den Paragrafen 20 u zu kippen und alle Berufsgeheimnisträger wieder gleich zu behandeln. Viel Zeit bleibt jedoch nicht mehr: Der Entwurf des neuen BKA-Gesetzes hat bereits das Kabinett und die erste Lesung im Bundestag überstanden..

Erschienen in Ausgabe 9/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 10 bis 11 Autor/en: Interview: Peter Berger. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.