„Positive Irritation tut jedem Magazin gut“

Beim BCP-Award 2008 wurden mehr als 660 Titel eingereicht, über 100 für die Shortlist nominiert und 30 Hauptgewinner gekürt. Warum sind Ihnen gerade die fünf Titel „Morgenmacher“, „Air“, „Theo“, das „Magazin der Bayrischen Staatsforsten“ und das „Festpielhaus Magazin“ besonders aus gefallen?

Helmut Ortner: Weil sie bei aller Unterschiedlichkeit exemplarische Beispiele sind für originäre, moderne CP-Magazine. Grafische Stilformen, moderne Bildsprache, interessante journalistische Formate, cross-mediale Vernetzung: in diesen fünf Magazinen habe ich es auf hohem Niveau gefunden. Und: einige der Titel wie zum Beispiel „Theo“ haben durchaus „Kioskreife“, fänden also auch im Zeitschriftenhandel ihre Leser. Ich schätze CP-Magazine, deren Originalität und Qualität jedem Publikumstitel Paroli bieten.

Haben denn alle Teilnehmer beim BCP-Award die gleichen Chancen?

Bei den Kundenmagazinen hat sich eine Art Champions League herausgebildet. Zu dieser zählen ein gutes Dutzend hochprofessioneller Dienstleister. Die „üblichen Verdächtigen“ sind beim BCP-Award vorne – mit Recht. Als Kauftitel wären die ausgezeichneten Zeitschriften durchaus konkurrenzfähig.

Aber steht die Kundenzeitschrift nicht längst im Schatten von Online?

Auch im Internet-Zeitalter behält Gedrucktes seine Wertigkeit, seine Glaubwürdigkeit. Magazine sind noch immer so etwas wie der Navigator in die Online-Welt.

Welche Trends erkennen Sie bei Kundenzeitschriften?

Vor Jahren grenzte die Lektüre diverser Kundenzeitschrift mitunter an Körperverletzung. Das hat sich geändert. Heute legen die Macher großen Wert auf die redaktionelle und optische Qualität.

Wie sieht es mit dem Einfluss erfolgreicher Kaufzeitschriften aus?

Kundenmagazine mit hoher Auflage orientieren sich durchaus an gut gemachten Kauftiteln. Stilformen, Bildsprache, neue journalistische Formate erfolgreicher Publikumszeitschriften finden sich in CP-Medien wieder. Beispiel: „brand eins“ oder „Neon“.

Wo sehen Sie Optimierungsbedarf?

Ein wichtiges Thema ist sicherlich die Frage optimaler Vertriebswege. Die zentrale Frage: Wie kommt das Heft zum Leser? Vor allem: zum neuen Leser. Und da ja jeder neue Leser ein potenzieller Neukunde ist, gilt es neue Wege auszuloten. Rein in die Business-Class, in die Bahn, ins Hotelzimmer.

Inhaltlich vertragen Kundenmagazine auch „Sperriges“ und Ungewohntes. Intelligente Formate und Themen-Inszenierungen, wie sie etwa im „SZ-Magazin“, „Zeit-Magazin“ oder in „chrismon“ zu finden sind, passen auch in Kundenzeitschriften. Eine Affinität zum Produkt, zum Unternehmen, zur Philosophie des Unternehmens herzuleiten, ist Aufgabe einer kreativen Redaktion. Ich nenne das „positive Irritation“. Die tut jedem Magazin gut.

Sind Kundenzeitschriften für freie Journalisten interessante Auftraggeber?

Auf jeden Fall. Gute Autoren haben immer eine Chance. Am besten Texte vorlegen. Die Qualität muss erkennbar sein. Das Vorurteil, „Auftragsjournalismus“ betreiben zu müssen, hat längst seine Grundlage verloren. Das findet man eher bei Fachzeitschriften. In Kundenzeitschriften schreiben viele renommierte Journalisten, übrigens auch zahlreiche Schriftsteller.

Erschienen in Ausgabe 9/2008 in der Rubrik „PR“ auf Seite 76 bis 79 Autor/en: Interview: Bernd Stößel. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.