Querdenker

Julia Friedrichs hat es in ihrem Buch „Gestatten, Elite!“ detailliert beschrieben: Wie die Beraterbranche beispielsweise intensiv um hochqualifizierten Nachwuchs wirbt – mit aufwendigen Auswahlverfahren in luxuriösem Ambiente. Sie selbst hatte an einem solchen Programm teilgenommen, es bestanden und auch ein Angebot erhalten – sich dann aber doch für den Journalismus entschieden. Mit Erfolg: Mittlerweile ist sie nicht nur Bestsellerautorin, sondern auch mehrfach ausgezeichnet für ihre Filme, die sie für den WDR dreht. Dennoch kritisiert sie die Bedingungen für junge Journalisten vor allem mit Blick auf die Entwicklungsperspektiven. Und mit der Kritik steht die 28-jährige nicht allein, wie das Roundtable-Gespräch zeigt, zu dem „medium magazin“ vier Teilnehmer gebeten hatte: Neben Julia Friedrichs die Tageszeitungsvolontärin Tina Groll (28), den ehemaligen „Spiegel“-Redakteur Dominik Cziesche (30), der zurzeit in Harvard studiert, und Timm Klotzek, der als „Neon-„Chefredakteur die Sicht des Arbeitgebers in die Runde einbrachte. Wir wollten mit ihnen über die Erwartungen und Wünsche von jungen Medienmacher an ihren Beruf, über die Defizite und Gefahren für den Journalismus aus ihrer Sicht diskutieren – kurzum, denjenigen eine Stimme geben, die für den Bestand der Medienbranche unerlässlich sind: Qualifizierter Nachwuchs (siehe Seite 20 ff.). Denn an Bewerbern mangelt es zwar nicht. Aber zunehmend wandern gut ausgebildete, ambitionierte junge Frauen und Männer in andere Berufe ab. Hinter vorgehaltener Hand klagen Chefredakteure und Volontariatsverantwortliche immer mehr über eine nachlassende Qualität der Bewerber um journalistische Ausbildungsstellen. Im Vergleich zu anderen Branchen, kritisiert dagegen Dominik Cziesche, habe die Medienbranche einen „Nachholbedarf bei professioneller Personalführung“. Die Rekrutierung erfolge nach wie vor oft zufällig, vor allem sieht er Defizite bei der Mitarbeiterentwicklung. Und dabei geht es seiner Meinung nach keineswegs darum, mit den Spitzengehältern anderer Branchen mitzuhalten, sondern um „die Chance, weiter zu wachsen. Gute Leute verlangen von ihrem Beruf die Möglichkeit, permament dazuzulernen, etwa durch Weiterbildungen, regelmäßige Feedback-Gespräche oder Auslandsaufenthalte.“ Tina Groll fände es schon „toll, wenn wir öfter Tagungen und Kurse besuchten könnten.“ Denn für Aus- und Weiterbildung werde zu wenig getan in der Medienbranche: „Das System stellt heute in der Ausbildung die Weichen zu Arbeitstieren, nicht zu Querdenkern.“ Das sieht auch Timm Klotzek so, gleichwohl er sich als Chefredakteur mehr Mut und Kampfeslust von jungen Journalisten wünscht: „Viele sind zu stromlinienförmig“. Doch die Ursache dafür sieht er nicht nur bei Betroffenen selbst: Viele freie Autoren seien – krisenbedingt und geprägt von schlechter Bezahlung, unzuverlässigen Auftraggebern – ihrer Fähigkeit beraubt worden, groß und leidenschaftlich zu denken. Förderer und Forderer. Dazu braucht es aber – wie die jungen Journalisten in der Runde zu Recht einfordern – auch Förderer in den Redaktionen, Verlagen und Sendeanstalten. Kreative Ideen allein genügen nicht, es braucht auch den Freiraum, sie umsetzen zu können. In der Neuauflage unserer Auswahl von 30 besonders talentierten Nachwuchsjournalisten – die Top 30 bis 30 des Jahres 2008 – haben wir deshalb unsere Kandidaten diesmal gefragt, wer sie denn auf ihrem bisherigen Weg besonders unterstützt hat. Denn auch diejenigen, die sich zusätzlich zu ihrer eigentlich journalistischen Arbeit intensiv um den Nachwuchs bemühen, haben es verdient, gewürdigt zu werden. Solche Mentoren und Mentorinnen braucht die Branche dringender denn je.

In Sachen Informatenschutz: Am 15. September findet im Innenausschuss des Bundestages eine Anhörung zu einem der umstrittensten Gesetzesvorhaben statt: dem neuen BKA-Gesetz. Unter den elf geladenen Experten sind jedoch keine Medienvertreter. Obwohl es die Branche unmittelbar betrifft: Denn, so kritisierte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, gegenüber „medium magazin“: „Mit dem Entwurf schleift die Bundesregierung den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von Journalisten.“ Nach der Vorabmeldung von „medium magazin“ zu diesem Bericht von Peter Berger (siehe Seite 10), die u. a. suedeutsche.de und der „Spiegel“ aufgriffen, protestierte beispielsweise der BDZV in einem Schreiben an den Innenausschuss, dass kein Medienvertreter zur öffentlichen Anhörung des umstrittenen Gesetzes geladen wurde. Bei Redaktionsschluss Ende August war noch nicht bekannt, ob sich das ändern wird. Wir werden weiter darüber berichten.

Erschienen in Ausgabe 9/2008 in der Rubrik „“ auf Seite 3 bis 5. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.