Wer gewinnt, wer verliert?

Die Mediaagenturen erfahren von ihren Kunden als Erste, wenn sie ihre Werbebudgets kürzen wollen. Schlittert die Medienbranche in eine Rezession?

Boris Schramm: Bei Großkunden, die von den steigenden Rohstoff- und Energiepreisen betroffen sind, haben wir Anzeichen, die in Richtung Rezession gehen. Großkunden wie Unilever oder Telekom haben bereits deutliche Einsparungen bekannt gegeben, aber mittelständische und kleinere Werbekunden gleichen dieses Defizit oft wieder aus.

Wird an allen Stellen gleich viel gespart oder werden die Etats aus den klassischen Medien wie Print oder TV in andere Werbekanäle umgeschichtet?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Fakt ist, dass Geld aus dem Markt abgezogen wird. Manche Kunden versuchen, bei allen Medien gleich viel einzusparen. Andere Kunden nehmen ein kleineres Medium komplett aus dem Mediaplan. Doch das immer abhängig von der jeweiligen Kommunikationsstrategie.

Wie behält ein strategischer Berater wie Sie zum Beispiel im deutschen Print-Markt, der mit über 2000 Titeln der größte der Welt ist, den Überblick?

Ein strategischer Kundenberater muss immer über die Entwicklungen in den Medien auf dem Laufenden sein und ein fundiertes Marketingwissen haben. In der täglichen Arbeit muss er allerdings von den Spezialisten aus allen Medienbereichen unterstützt werden, denn alleine kann das niemand mehr leisten. Das gesamte Medienangebot hat sich extrem weiterentwickelt, es gibt so viele neue Kanäle und entsprechend hat sich die Mediennutzung der Verbraucher verändert.

Welche Kriterien spielen eine maßgebliche Rolle bei der Auswahl der Werbeträger?

Das hängt davon ab, ob zum Beispiel ein Sonderangebot beworben oder das Image einer Marke gestärkt werden soll. Sobald die relevanten Kanäle feststehen, überprüfen wir ihre Wirtschaftlichkeit, wie genau die Zielgruppenansprache ist und langfristig natürlich auch die Entwicklung des Preis-Leistungsverhältnisses. Da wir mittlerweile viele Medienunternehmen haben, die Print, Online und zum Teil sogar TV anbieten, kommt es bei den großen Budgets auch darauf an, welches Portfolio zu welchem Preis geboten wird.

Billige Werbeplätze nutzen aber nichts, wenn sie von den Verbrauchern nicht wahrgenommen werden. Zudem steigt die Zahl der älteren Menschen, die bislang nur mit mäßigem Erfolg erreicht werden. Ist der Jugendwahn in der Werbung noch immer ungebrochen?

Vor allem die Kunden aus dem Bereich der schnell drehenden Konsumgüter haben in den vergangenen Jahren ihre Zielgruppen deutlich in Richtung der älteren Verbraucher verschoben. Wir berechnen seit Langem die Altersstruktur aller Zuschauer, die mit einem TV-Format erreicht werden. Auch wenn die Reichweiten nur auf Basis der 14-29-Jährigen oder der 14-49-Jährigen angegeben werden, bedeutet das ja nicht, dass es keine älteren Seher, Leser oder Hörer gibt.

Preis und Reichweite lassen sich genau berechnen. Wird auch das journalistische Niveau in Ihren Mediaplänen berücksichtigt?

Wir erheben regelmäßig die Nutzungsintensität der Titel, und daran können wir feststellen, ob das redaktionelle Profil zur Zielgruppe passt. Aus Mediasicht lässt sich ansonsten objektiv nicht mehr über das journalistische Niveau sagen. Wir haben aber durchaus Kunden, die in sehr speziellen Produktbereichen werben, wo sich die Planung nach der Glaubwürdigkeit und Kompetenz der Redaktion richtet. Wenn der Kunde von diesen Qualitäten profitieren will, interessiert ihn der Anzeigenpreis oder die Reichweite überhaupt nicht.

Woher stammen diese Daten, womit Sie die Qualität eines Titels bewerten?

Diese Daten erhebt unsere Agenturgruppe selbst. Pro Jahr machen wir rund 20000 redaktionelle Copy-Tests, um zu erfahren, was und wie intensiv die Leute lesen und wie glaubwürdig sie einen Titel finden. Diese Daten würden uns die Medien nie liefern.

In der Vergangenheit setzten die Verlage auf Line-Extensions oder Mee-to-Titel, um die Konkurrenz zu torpedieren. Ist diese Strategie im crossmedialen Online-Zeitalter noch haltbar?

In den vergangenen zehn Jahren haben sich die großen Verlage einen starken Verdrängungswettbewerb geleistet. Das gilt vor allem für den Bereich der TV- und Frauenzeitschriften. Zum Teil haben sie damit ihre starken Marken massiv beschädigt und Titel, die eben nicht stark genug für eine Line-Extension waren, vernichtet. Mittlerweile besinnen sich aber einige Verlage wieder auf ihre guten Marken und stabilisieren massiv deren Marktposition. Die Verlage, die weniger konsequent vorgehen, werden an diesem Thema zerbrechen.

Die Zauberformel aller Medienhäuser lautet Crossmedia und Content is King. Zugleich klagen viele, dass sich im Online-Bereich kein Geld verdienen lässt. Ist das tatsächlich so?

Pauschal ist das eine Falschaussage. Es gibt durchaus Anbieter im Markt, die gutes Geld im Online-Bereich verdienen. Dazu gehören Google, der Quality Channel der „Spiegel“-Gruppe oder EMS von Gruner + Jahr. Doch wir merken, dass das World Wide Web tatsächlich weltweit ist. Das heißt, die Konkurrenz ist um ein Vielfaches höher als in vielen anderen Medienkanälen.

Längst nicht alle Angebote sind so erfolgreich wie „Spiegel-online“. Woran liegt das?

In der Tat gibt es viele Versuche, die nicht wirtschaftlich sind. Viele Verlage haben versucht, mit ihren Printredaktionen Online-Marken zu kreieren und sind damit völlig auf die Nase gefallen. Viel Geld wird zudem in den Communities versenkt, doch das liegt maßgeblich an den Strategen in den Medienhäusern.

Wie muss ein Medienanbieter aufgestellt sein, damit er auch in Zukunft in den Mediaplänen berücksichtigt wird?

Wir haben ein massives Überangebot an Medien und Kommunikationswegen. Alles hängt davon ab, ob sie eine Vermarktungsform bieten, die für die Werbung treibende Wirtschaft relevant ist.

Und wie muss die sein?

Im Online-Bereich müssen die Anbieter im relevant Set der Agenturen sein, denn in diesem Bereich erfolgen die Planungen sehr kurzfristig. Angesichts der Angebotsflut schauen sich die Agenturen sehr genau an, mit wem sie die größten Geschäfte machen können und wer die relevantesten Inhalte bietet. Im Print haben wir das gleiche Problem mit den kleinen Verlagen, die nur drei oder vier Titel vertreiben oder im Special-Interest-Bereich angesiedelt sind.

Wird sich mit den klassischen Medien in zehn Jahren überhaupt noch Geld verdienen lassen?

Damit wird sich ganz sicher noch Geld verdienen lassen. Die breite Bevölkerung liest zwar weniger, sodass die hohen Auflagen weiter zurückgehen werden. Umgekehrt bedeutet das aber, dass intelligente und gut gebildete Zielgruppen künftig noch besser über Print zu erreichen sind. TV wiederum unterliegt den technischen Entwicklungen und die Tageszeitungen erkämpfen sich bereits neue Felder, indem sie lokale Angebote online integrieren.

Demnach muss sich die Medienbranche trotz schwächelnder Konjunktur auch weiterhin keine Sorgen machen?

Auf keinen Fall. Sorgen müssen sich nur die machen, die Veränderungen nicht als Notwendigkeit begreifen. Es gibt Medienanbieter, die über Jahrzehnte gut gelebt haben und noch immer versuchen, die Entwicklungen aufzuhalten. Sie werden große Probleme bekommen.

Über die Belegung der einzelnen Werbeträger entscheiden die Mediaagenturen. 2007 buchten sie Werbeplätze im Gegenwert von 15,4 Milliarden Euro. Dennoch agieren die Mediaagenturen meist im Verborgenen. Warum hat diese Spezies so wenig Glamour?

In den Fullservice-Agenturen war Media früher das Geschäft, das niemand gerne gemacht hat, weil hier viel mit Zahlen hantiert wird. In den vergangenen 15 Jahren hat sich das aber deutlich verändert und Media ist aus dem Schatten der Werber getreten. Inzwischen übernehmen wir strategische Aufgaben, machen sehr viel Forschung und entwickeln kreative Inhalte.

Haben die Mediaagenturen damit an Reputation gewonnen?

Wir sind strategische
Berater unserer Kunden und keine Erfüllungsgehilfen mehr, die erst dann hinzugezogen werden, wenn die Strategie und Kreation stehen. Mit vielen unserer Kunden diskutieren wir von Anfang an die Ausrichtung einer Kampagne und sind dabei gleichberechtigt mit den Werbeagenturen.

Erschienen in Ausgabe 9/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 16 bis 17 Autor/en: Interview: Elke Jacob. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.