Blasen und Phrasen

„Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen"

Im Englischen gibt es einen schönen Spruch, der lautet: „You can´t have your cake and eat it too." Grob übersetzt: Man kann nicht alles haben im Leben. Für Normalsterbliche mag das gelten, für Manager-Alphatiere aber noch lange nicht. Die wollen immer alles, sofort. Ein bescheidenes „Eins nach dem anderen" gibt es nicht. Um gegenüber Gesprächspartnern und in Interviews zu demonstrieren, wie mehrdimensional man denkt, und wie sehr man sich der Komplexität der Anforderungen bewusst ist, empfielt sich ein Griff zu einem echten Klassiker. „Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen" ist phrasische Sprache vom Feinsten. Denn hier spricht jemand, der sich nicht mit kleinlichen Kompromissen abgibt. Man kann doch einen Sparkurs fahren, und trotzdem eine „Vision" für das Unternehmen haben. Man kann doch die Arbeitsplätze im Land sichern, und trotzdem die Globalisierung vorantreiben. Man kann doch die Sicherheit vor der Terrorbedrohung gewährleisten, und trotzdem die Pressefreiheit stärken. Oder nicht?

„Wir werden mit gutem Beispiel vorangehen"

Eigenlob stinkt. Und darum sollte die immer wieder beliebte Phrase, man gehe „mit gutem Beispiel voran", endlich mal eingemottet werden. Denn was hat man da vor seinem inneren Auge, wenn jemand „mit gutem Beispiel vo- rangeht"? Genau. Einen FDP-Lokalpolitiker, der großzügig zehn Euro in das Sparschwein einer Elterninitiative steckt. Einen Firmenchef, der irgendeine wirkungslose Umweltschutzbestimmung einzuhalten verspricht. Einen Minister, der für eine Fitnessbewegung auf ein Rad steigt und ein paar Kilometer strampelt, um dann gleich wieder in die Polster seines Dienstwagens zu fallen. Nein, onkelhafte Formulierungen sind nichts für Macher. Die gehen nämlich einfach voran und müssen nicht erst extra betonen, dass sie damit ein „gutes Beispiel" abgeben. Zudem nervt, dass qua Phrase diktiert werden soll, welches Verhalten als vorbildhaft zu gelten hat.

„Wir müssen den Gürtel enger schnallen"

Ein Klassiker aus dem Gruselkabinett dummer Polit-Rhetorik, den wir nicht mehr hören wollen, der allerdings zugegeben tatsächlich kaum noch gebräuchlich ist. Denn kaum ein professioneller Redner nimmt diese unselige Redewendung noch in den Mund, wenn es da- rum geht, seine Zuhörer auf Verzicht einzuschwören. Die ständigen Spar- appelle saturierter Staatsdiener an die Bürger lassen Brachialverbalistik nicht mehr zu, und seit die Linke das soziale Klima im Lande lenkt, kann man mit Blut,-Schweiß- und-Tränen-Reden generell nicht mehr viel ausrichten. Ohnehin wird es immer schwieriger, ein glaubhaftes „Wir" herzustellen. Darum auch Vorsicht vor allzu plumpen Gesten der Vereinnahmung. „We the people", das darf zurzeit offenbar nur noch der amerikanische Präsidentschaftskandidat Barack Obama sagen, dem 200.000 Menschen größtenteils applaudierend in Berlin zuhörten.

„Der/die versteht/verstehen nur eine Sprache"

Ebenso gewarnt werden muss vor dem anderen Extrem: dem Abgleiten in eine Sprache der Spaltung. „Wir" gegen „die da" – das ist vielleicht ein probates Mittel, um Stimmung auf dem Parteitag oder dem Fußballplatz zu machen. Aber dann muss auch damit gerechnet werden, dass Bänke, Tische und Bierkrüge anschließend zu Klump gehauen sind. Wer sagt, dass „die" – wer auch grad gemeint sein mag – „nur eine Sprache verstehen", der meint zwangsläufig die der Fäuste. Wer also nicht grad einen Krieg anzetteln will, sollte sich seine Wortwahl noch mal in Ruhe überlegen. Viel besser ist es, einen Gegner nicht als solchen zu bezeichnen, sondern betont lässig zu tun, wenn die Sprache auf den Mitbewerber kommt. „Wir gehen ganz entspannt / professionell miteinander um" ist der richtige Ansatz. Dann weiß eh jeder, dass man sich in Wahrheit nicht ausstehen kann.

Erschienen in Ausgabe 10/2008 in der Rubrik „Service“ auf Seite 77 bis 77. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.