Der „Wow“-Faktor

Das romantische Potenzial von eher steifen Preisverleihungen sollte man nicht unterschätzen. Der amerikanische Nachrichtenkanal CNN zum Beispiel, der in diesem Jahr zum vierten Mal Nachwuchskräfte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit dem „CNN Journalist Award" prämiert hat, kann sich rühmen, eine Ehe gestiftet zu haben. Es ist die von Barbara Lüthi. Die Schweizer Journalistin arbeitet als China-Korrespondentin fürs Schweizer Fernsehen. Ihre TV-Reportage „Landenteignungen in China" war der Jury unter Vorsitz von Deutsche-Welle-Chefredakteurin Uta Thofern einen CNN-Award wert. Es ist Lüthis zweiter. Vor drei Jahren, auf der Preis-Gala in München, lernte Lüthi ihren Mann kennen. Im Februar werden sie Eltern. Mit ziemlich wenig Romantik hatte dagegen das Auswahlverfahren aus mehr als 300 Einsendungen zu tun.Wenn man Dominik Wichmann, Jury-Mitglied und Chefredakteur des „SZ-Magazins", glaubt, dann gingen sich die Kollegen beim Nominieren „fast an die Gurgel". Zur Preisvergabe im Münchner GOP Varieté-Theater hatten sich dann aber alle augenscheinlich wieder lieb. Juryvorsitzende Thofern erklärte, dass der „Wow-Factor" ein ebenso ausschlaggebendes Auswahlkriterium gewesen sei wie die Qualität.

Mächtig „Wow" muss es bei Barbara Lüthis Beitrag gemacht haben. „Ein emotionaler Trip in 13 Minuten", lobte Laudator und „Focus"-Chefredakteur Uli Bauer, der von der werdenden Mutter wissen wollte, wie das so war, als die chinesischen Offiziellen sie zum wiederholten Mal in Haft nahmen. Kühl und sachlich, wie es ihre Art ist, antwortete die 35-Jährige: „Das gehört dazu." Auch wegen ihres Mutes wählten die Juroren Barbara Lüthi sogar zum CNN-Journalist of the Year 2008, also zur Besten der Besten.

Ein Preis in der Kategorie Foto wurde diesmal nicht vergeben – es mangelte am Wow-Factor. Dafür erhielt Alexandros Stefanidis den CNN-Preis für „Jenseits von Amerika", die im „SZ-Magazin"veröffentlichte Geschichte über Barack Obamas kenianische Großmutter. Besonders gelobt wurde die Idee zur Story des 32-Jährigen, denn Oma Obama war nicht näher bekannt, bis Stefanidis sie in Kenia besuchte.

In der Kategorie Radio überzeugte das „in seiner Schlichtheit emotional packende" WDR-5-Hörstück „Absturz der Raumfähre Columbia" von Sven Preger. Obgleich als Preisträger nicht gemeint, musste sich der 29-Jährige einen Rüffel an seine Hörfunkkollegen mit anhören. Juror Klaus Liedtke, Chefredakteur „National Geographic Deutschland", vermisste Experimentierlust: Es müssten ja nicht dadaistische Selbstversuche sein, aber die Möglichkeiten des Mediums würden längst nicht alle ausprobiert.

Bilder, Animationen, Links, guter Text – Malte Borowiack kombinierte in seinem ausgezeichneten Beitrag „Folgen des Klimawandels" auf ZDF.de vieles von dem, was das Medium Internet an Möglichkeiten bereithält. „Materialschlacht! Geldschlacht!", jubelte Uli Baur, und: „ein Budget, von dem Verlage nur träumen können!" Wer hat, der kann? Mit diesem kleinen Hieb auf die Gebührengelder der Öffentlich-Rechtlichen hatte Baur den BLM-Präsidenten Wolf-Dieter Ring auf seiner Seite. Sechs von den zwölf CNN-Award-Nominierten arbeiteten bei den Öffentlich-Rechtlichen, zählte der Oberwächter des Privatfunks in seiner Rede. „Das ist kein Wunder. Dort gibt es keine ökonomischen Probleme." Unmut unter manchen Gästen im Varieté. Aber sonst dann noch ein netter Abend mit CNN. Romantische Verwicklungen hie und da nicht ausgeschlossen.

Mehr Infos: www.cnnjournalistaward.com Senta Krasser

Erschienen in Ausgabe 10/2008 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 10 bis 11. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.