Blasen und Phrasen

„Ein größeres Stück vom Kuchen“

Das Phrasen-Äquivalent zum beliebten Tortendiagramm. Der Markt, an dem sich alle laben, ist der Kuchen und unsere liebe Firma hätte bitte schön ein etwas größeres Stück davon. Derzeit vor allem in der Ausprägung zu hören: „Ein größeres Stück vom Werbe-Kuchen …“ Der Werbe-Kuchen ist ja normalerweise ein recht verführerischen Stück Zuckerbäcker-Werk mit ganz viel Schlagobers und Buttercreme obendrauf.

In jüngster Zeit kommt der dicke Werbe-Kuchen freilich ein bisserl dürftiger und armseliger daher. Da braucht man schon ein größeres Stück, damit alle satt und zufrieden werden. Denn, leider, leider, wächst der Werbe-Kuchen gar nicht so dynamisch, wie manche Entscheider das gerne hätten.

„Qualitäts-Journalismus“

Er ist in aller Munde: der Qualitäts-Journalismus. Manchem Zeitgenossen gilt der Q-Journalismus als Rettungsanker in Krisenzeiten. Anzeigen-Erlöse brechen weg, die Auflage sinkt. Wenn sich nun die Mikrofone auf einen richten und Journalisten den Kugelschreiber zücken, ist es selten ein Fehler, eine Ode an den Qualitäts-Journalismus zu singen. Am besten man erklärt dabei das ganze Gerede von der Krise in einem Atemzug für null und nichtig: „Wir haben keine Medienkrise, sondern höchstens eine Krise des Qualitäts-Journalismus!“ So ein Satz, der sitzt wie in Stein gemeißelt. Die armen Redaktions-Knechte werden vielleicht im Stillen fluchen, wenn der Oberboss so spricht, während er gleichzeitig den Etat zusammenstreicht, aber was kann man dagegen schon groß sagen? Eben, nix.

„Das Fernsehen der Zukunft“

Das Fernsehen der Zukunft ist bereits sei der Einführung des Farbfernsehens 1967 topaktuell. Egal, ob Funkausstellung, CeBit oder mal eben so als Phrase zwischendurch: Das Fernsehen der Zukunft wird immer gerne genommen. Das Fernsehen der Zukunft ist mal bunt, mal flach (gemeint ist natürlich nur der Apparat), mal sehr scharf, weil hochauflösend, mal ist es interaktiv, mal zeitversetzt, mal findet es nur noch im Internet statt oder gar auf dem Handy. Das Fernsehen der Zukunft ist ein todsicheres Konversationsthema auf jedem Messe-Talk und in Experten-Runden. Und als Smalltalk-Thema offenbart das Fernsehen der Zukunft geradezu wettermäßige Qualitäten. Und falls Ihnen mit dem Fernsehen der Zukunft wirklich mal der Gesprächsstoff ausgehen sollte – versuchen Sie es zur Abwechslung mit der Zeitung der Zukunft (elektronisch!) oder dem Auto der Zukunft (elektrisch!).

„Breit streuen“

Bleiben wir in der Gegenwart und damit mitten in der Dauerkrise der Finanzmärkte. Landauf, landab rätseln Experten, wie Otto-Normal-Sparkassenkunde seine paar Kröten für die Alterssicherung vor den Gierhälsen der Hochfinanz in Sicherheit bringen kann. Dabei hört man immer wieder einen Ratschlag: „breit streuen“. Wichtig ist, dass Geld „breit zu streuen“, man sollte seine Anlagenformen „breit streuen“ und auch was die Länder betrifft, in denen die Kohle lagert, „breit streuen“. Denn, so die Binse, wer „breit streut“, der minimiert das Risiko. Wer also in einen Expertentalk verwickelt wird und/oder sich plötzlich bei „Hart, aber fair“ wieder findet, der sollte irgendetwas sehr Allgemeines daherreden. Im Stil von „das deutsche Bankensystem und das der USA sind überhaupt nicht zu vergleichen“ oder „die weltweiten Finanzsystem sind untereinander extrem verflochten“. Anschließend gibt man dem Anleger den Tipp, „breit zu streuen“. Das ist nie verkehrt. Außer auf der Herren-Toilette.

Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „Service“ auf Seite 79 bis 79. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.