Diagnose

Erspart Elke Heidenreich

das Fernsehen!

Ich war einmal auf einer Hochzeit, auf der Elke Heidenreich eine Rede hielt. Die war sehr lang und ging sinngemäß so, dass eigentlich sie, Elke Heidenreich, die einzige richtige Frau für den Bräutigam sei. Sie würde ihn am besten kennen, hätte längere Rechte und so weiter. Natürlich war das hochkomisch gemeint, und die meisten Gäste lachten auch – aber es war so ein Lachen der höflichen Art.

Ich musste mich an diese Hochzeit erinnern, als ich jenen inkriminierten Artikel von Elke Heidenreich in der „Frankfurter Allgemeinen“ ( www.faz.net / Stichwort: gerechter Zorn) las, der letztlich zu ihrem Rausschmiss geführt hat. Es war ihre Beschreibung des Abends der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises, dessen Annahme Marcel Reich-Ranicki verweigert hatte. Auszüge aus diesem Heidenreich-Text landeten sogleich in den Agenturen. Dort konnte man dann lesen, dass Heidenreich die Dummheit der Intendanten anprangerte und dass es ihr egal sei, rausgeworfen zu werden. Viel lesenswerter war aber der Rest des Artikels – es lohnt sich sogar, ihn aufzubewahren für spätere Journalistengenerationen – als mahnendes Beispiel, was dieser Beruf mit einem machen kann. Wie er einen bodenständigen Menschen zu verformen im Stande ist, zu einem Geschöpf, das seine eigene Eitelkeit auch noch für Bescheidenheit hält.

Bescheidenheit ist eine Zier … Zunächst schrieb Heidenreich darüber, dass sie diese Preisverleihung eigentlich grässlich findet, aber dennoch hinging, weil sie Reich-Ranicki so schätze. Sie sei aber extra zu spät gekommen, weil sie nicht wie vorgesehen in der vierten Reihe (also sehr weit vorn) sitzen wollte, sondern hinten, wo sie nicht ständig von der Kamera eingefangen würde. Denn das, so Heidenreich, möge sie nicht so gern. Sie beschrieb dann weiter, wie sie unten dem Programm litt. Unter der Inszenierung und unter Thomas Gottschalk. In einem Einschub erklärte sie dann, dass sie sich in einem ihrer häufigen Telefonate mit Reich-Ranicki mit ihm einig gewesen sei, dass nicht Gottschalk, sondern sie am Abend hätte reden sollen. Weil sie Reich-Ranicki viel besser kenne, mit ihm befreundet sei – und mit ihrer Büchersendung quasi sein Erbe angetreten habe.

Sie fühlte sich sogar so sehr zum eigenen Beitrag zu dieser Verleihung berufen, die sie ja eigentlich hasst, dass sie beim ZDF-Intendanten, dessen Sender sie so dumm findet, anrief, um zu fragen, ob sie denn nicht statt Gottschalk sprechen könne. So sieht also der Kampf aus, den Heidenreich gegen das System führt. Hätte das ZDF sie als Laudatorin engagiert, hätte man womöglich nie von ihr erfahren, wie schlecht es um das Fernsehen bestellt ist. Man kann dem ZDF also durchaus dankbar sein, dass Heidenreichs Angebot abgelehnt wurde und man auf Thomas Gottschalk beharrte.

Der Rest des „FAZ“-Artikels war dann vor allem im Konjunktiv geschrieben: Wenn sie, Heidenreich, wie vorgesehen in der vierten Reihe gesessen hätte, wäre sie aus Protest und Solidarität auf die Bühne gegangen, um zu rufen „Lass dir das nicht bieten.“ Sie hätte vor Freude in die Luft springen können, schrieb sie, und man fragt sich, warum sie es nicht getan hat. Vielleicht waren ihr auf den hintersten Plätzen zu wenige Kameras, die diese Luftsprünge hätten filmen können. Man möchte sich gern vorstellen, dass sie, ZDF-Intendant Markus Schächter, wenn sie neben ihm gesessen hätte, an diesem Abend gefragt hätte, ob sie nicht „Wetten, dass …?“ übernehmen könne, quasi um das System von innen zu bekämpfen. So aber blieb es beim Kampf im Konjunktiv.

Die Konsequenzen sind allerdings real. Heidenreich hat ihre Sendung verloren und sogleich erschien ein offener Brief einiger Buch-Verleger an das ZDF in der „Süddeutschen Zeitung“, die quasi darum bettelten, dass Heidenreich, die große Umsatzbringerin, weitermachen darf. Wenn es um Reichweiten geht, bleibt die Würde anscheinend nicht nur im Privatfernsehen auf der Strecke.

Um es gleich zu sagen: Elke Heidenreich hat ja durchaus recht mit ihrem Lamento, dass das Fernsehen immer unerträglicher wird. Dass es große Nivellierer wie Günter Struve und Markus Schächter auf den Hund gebracht haben. Dass eine ganze Generation als Zuschauer verloren wurde, weil sie keine Lust auf Rosamunde Pilcher, Brisant oder ähnlichen Unsinn haben. Aber Elke Heidenreich ist die falsche Konfidentin für diese Menschen, die dem Fernsehen den Rücken gekehrt haben. Sie tut ja gerade so, als sei ihre Literatursendung ein Ausbund an Intellektualität und nicht eine Weihestunde des Drüberhuschens. Gegen sie ist Thomas Gottschalk ein Ausbund an Glaubwürdigkeit. Der bleibt sich wenigstens treu.

Denn es ist nicht einmal so, dass Heidenreich zu ihrem von Gratismut und Hybris durchtränkten Artikel gestanden hätte. Nach ein paar Tagen ließ sie verlautbaren, dass sie wegen ihrer harten Worte schlecht schlafe, dass die Männer vom ZDF ja doch ganz o.k. seien, dass sie gern mal über die Vorverlegung ihrer Literatursendung sprechen würde. Aber die Männer vom ZDF zeigten sich hartleibig. Und selbst Marcel Reich-Ranicki, mit dem sie angeblich so gut befreundet ist, fiel ihr in den Rücken, indem er dem ZDF anbot, bei der Suche nach einem Nachfolger für Elke Heidenreich behilflich zu sein. Und der immer schwer um Aufmerksamkeit ringende Hellmuth Karasek keilte noch irgendwas von „furienhaft“ hinterher, um sich dem ZDF ebenfalls als Berater anzudienen. Mag sein, dass das Fernsehen wenig Qualität hat. Bei den selbst ernannten Kulturrettern mangelt es dafür schwer an Charakter.

Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 14 bis 15. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.