Finanzkrise = Medienkrise?

Während ARD und ZDF überwiegend vom sicheren Geld der Gebührenzahler leben, bangt ihre private Konkurrenz: Ein Einbruch der Werbung droht. Als erstes großes Medienunternehmen hat deshalb der US-Konzern Viacom mitgeteilt, er rechne für das laufende Quartal mit einem niedrigeren Umsatz als erwartet. Grund: Wegen der Finanzkrise sei mit einer „Unsicherheit auf dem Werbemarkt“ zu rechnen. Zu Viacom gehören – auch in Deutschland – unter anderem die Spartensender MTV, Comedy Central und Nick. Die deutsche RTL-Gruppe rechnet hingegen nicht mit einer Beeinträchtigung ihres Geschäfts. Auf Anfrage hieß es, dieses Jahr laufe „sehr zufriedenstellend“. Eine Sprecherin sagte aber auch: „Welche Auswirkungen die Finanzkrise auf den TV-Werbemarkt und damit auch auf uns haben könnte, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar.“ Andererseits habe das Fernsehen in Krisenzeiten einen Vorteil, „da die Kunden dann gerne auf das Werbemedium setzen, dessen Effizienz gelernt ist“.

ProSiebenSat.1 teilte hingegen bereits Ende September mit, sein „Ergebnisziel im Geschäftsjahr 2008 nicht zu erreichen“ – auch weil sich die „konjunkturellen Rahmenbedingungen in Deutschland“ verschlechtert hätten. Die Münchner Gruppe leidet jedoch zusätzlich auch an einem neuen Werbezeitmodell, das es auf Druck des Kartellamtes einführen musste. Es wird vom Markt offenbar nicht so akzeptiert, wie sich das ProSiebenSat.1 wünscht.

Die Zeitungsbranche wird von der Finanzkrise nicht unerwartet erwischt. Viele Häuser haben aus dem massiven Einbruch 2001/2002 gelernt und in der Zwischenzeit umfassende strukturelle Maßnahmen ergriffen – auf allen Verlagsebenen. Ohnehin hat die Branche nicht nur mit konjunkturellen, sondern mit strukturellen Einbrüchen zu kämpfen. Generelle Einstellungsstopps, wie sie jetzt Gruner+Jahr und die „FAZ“ verkündet haben, sind die Ausnahme, wie eine Umfrage von „mediummagazin“ bei rund 100 Zeitungshäusern zeigt (mehr dazu in „mediummagazin 12/08“), vorsichtiges Abwarten, Zurückhaltung bei Investitionen und Neueinstellungen sowie Umfangreduzierungen sind die Regel.

Wer gewinnt, wer verliert? Nach Einschätzung der Mediaplaner hat die Finanzkrise einen ohnehin bestehenden Trend weiter verschärft (s.a. mediummagazin 9/2008): Thomas Koch, Manager der Düsseldorfer Mediaagentur Crossmedia, rechnet im nächsten Jahr mit weiteren Budgetkürzungen großer „Werbespender“ in „einer Größenordnung von 2 bis 3 Prozent“. Der Handel in Deutschland rechne mit dem schlechtesten Weihnachtsgeschäft seit Jahren. „Das kann zu einer Ausweitung der Werbeinvestitionen führen, vermutlich jedoch zum Gegenteil. Davon wären die Zeitungen am stärksten betroffen. Dagegen sind die zu erwartenden Kürzungen z.B. bei den Pkw-Herstellern eher eine Bedrohung für das Fernsehen.“

Michael Enzenauer, Chef von Optimedia, sieht noch einen anderen Negativ-Faktor für das Jahr 2009: „Heute schon sparen einige Unternehmen deutlich Werbeinvestitionen ein. In der Regel ändert sich solches Verhalten erst nach den Bundestagswahlen 2009.“ Er warnt allerdings: „Zu lange Marketing-Abstinenz reduziert jedoch den Unternehmenswert, weil andere, mutige Investoren ggf. Marktanteile gewinnen.“

Werner Reineke, Chef der Münchner Mediaagentur Mediaplus, sieht dennoch keinen Anlass zur besonderer Besorgnis. Er rät, in der aktuellen Situation komme es wesentlich darauf an, den Verbrauchern ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. „Hierbei nehmen verantwortungsbewusste Medien eine zentrale Rolle ein. Realistische Darstellungen der wirtschaftlichen Situation sind gefragter als pessimistische Szenarien.“ dan/ami/kw

Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 26 bis 27. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.