Die Pläne in München

Herr Ulrich, als ehemaliger Berater kennen Sie die ganze Verlagslandschaft. Was ist für Sie der Unterschied zwischen David Montgomery und Richard Rebmann?

Karl Ulrich: Ganz plakativ gesagt: dass Richard Rebmann eindeutig weiß, wo er hinwill. Und …

Richard Rebmann: … Montgomery ist schlanker als ich.

Ulrich: … Das ist sein Börsenkurs auch! Wir sind hingegen nicht von Börsenbedingungen getrieben, agieren verlegerisch und nicht rein finanzmarktbezogen. Ich bin froh, dass wir nicht in Private-Equity-Logiken denken müssen. Das ist ein Riesenvorteil.

Die Finanzmarktkrise bedroht nun aber den gesamten Medienmarkt. Stellt das Ihre Planungen auf den Kopf?

Rebmann: Die Bankenkrise wird zu einem Konjunkturabschwung oder gar zu einer Rezession führen. Erste Auswirkungen spüren wir im Werbemarkt bereits jetzt. Die Konsumenten werden vorsichtiger und die Unternehmen planen für das Jahr 2009 zurückhaltend. Es werden weniger Stellen geschaffen, das hat Auswirkungen auf den Stellenmarkt, die Kaufzurückhaltung der Konsumenten wirkt sich zudem auf die Anzeigen aus.

Mit welchen Konsequenzen für den Süddeutschen Verlag?

Ulrich: Wir haben bereits seit Ende Mai Korrekturen vorgenommen – lange vor dem Finanzmarkt-Crash. Diese Maßnahmen laufen seitdem intensiv. Wir müssen uns auch auf andere Zeiten einstellen, die nächsten zwei, drei Jahre werden schwierig werden.

Wo setzen Sie da an?

Ulrich: Wir schauen uns grundsätzlich alle Bereiche an. Es geht aber nicht nur um Kostendisziplin, sondern darum, dass wir uns mit einer gut aufgestellten Mannschaft auf härtere Zeiten einstellen. Bestimmte Anzeigenmärkte brechen nicht nur konjunkturell, sondern auch strukturell weg. Der Stellenmarkt ist ein Thema, das uns stark beschäftigt. Wir müssen uns dazu Alternativen überlegen und Produkte bauen, mit denen wir dem Wettbewerb Marktanteile wegnehmen können – was schwierig genug sein wird.

Nach außen gedrungen ist von Ihren Aktivitäten bisher aber wenig. Die letzte offizielle Mitteilung des SV datiert auf den 29. April und war die Bekanntgabe Ihrer Berufung um Geschäftsführer. Was haben Sie eigentlich danach gemacht?

Ulrich: Vor allem mit unseren Leuten gesprochen, zugehört, bereits aufgesetzte, aber nicht verfolgte oder zu Ende gebrachte Themen aufgegriffen und angeschoben, neue Themen und Aufgaben angegangen – und: keine Ankündigungseffekte produziert. Nach dem relativ kurzatmigen Arbeiten der letzten sechs Jahre, in denen die Sanierung im strukturellen Turnaround fast nahtlos überging in einen schwierigen Verkaufsprozess, konnten wir erstmals wieder nach vorne arbeiten. Jetzt können wir mittelfristig planen und das Haus wieder auf Wachstum und profitable Geschäfte ausrichten. Das war in der Vergangenheit schlicht nicht der Fall.

Wachstum, profitabel, nach vorne – das klingt bemerkenswert positiv in dieser Krisenzeit …

Rebmann: Das ist ja das Gute an den Beratern. Ich bin da manchmal etwas konkreter.

Dann sagen Sie doch mal …

Rebmann: Während des Verkaufsprozesses im Jahr 2007 war die Gesellschafterin Südwestdeutsche Medien Holding von den meisten Informationen aus dem Unternehmen abgeschnitten. Wir haben deshalb mit der Übernahme der Mehrheit Ende Februar zunächst die offenen Themen und Projekte wie Sonntagszeitung, Postgeschäft und Online wieder aufgegriffen. Außerdem haben wir ja wortwörtlich eine große Baustelle in Steinhausen vorgefunden. Mit dem Bezug des neuen Verlagsgebäudes in diesen Tagen ist aber dieses Thema hoffentlich erledigt.

Was die Baustelle Sonntagszeitung angeht: Kommt sie nun oder nicht?

Rebmann: Als der Süddeutsche Verlag die Planung dafür aufgenommen hat, war der Sonntagsmarkt noch ein anderer. Die „FAZ am Sonntag“ stand am Anfang, der Stellenmarkt und die Konjunktur liefen deutlich besser. Wir prüfen derzeit die wirtschaftliche Machbarkeit. Das ist Schritt eins. Schritt zwei: Passt das damalige, etwa drei Jahre alte redaktionelle Konzept noch in den aktuellen Sonntagsmarkt? Wenn wir wirtschaftlich eine Perspektive sehen, werden wir das Konzept publizistisch überarbeiten. Wenn es dann immer noch Sinn macht, werden wir auch eine Sonntagszeitung in den Markt bringen. Aber derzeit gibt es keine Entscheidung, weder bei der Geschäftsführung noch in den Gremien Aufsichtsrat und Herausgeberrat.

Gibt es dafür einen Zeitplan?

Rebmann: Wir werden das Projekt jetzt zügig entscheiden, zumindest die Stufe 1. Es macht ja keinen Sinn, das Thema vor sich herzuschieben. Aber selbst wenn eine erste Entscheidung getroffen ist, ist es immer noch ein weiter Weg zur Überarbeitung des Konzepts und einer eventuellen Markteinführung.

Und welche Rolle spielt Online in Ihrer Gesamtstrategie?

Ulrich: Natürlich eine ganz wesentliche. Wir investieren entsprechend in Online. Ein wesentlicher Teil wird sein, dass wir die Online-Aktivitäten unserer Titel, die momentan noch stark getrennt von den Print-Redaktion stattfinden, stärker zusammenführen.

Was bedeutet das praktisch – auch eine Zusammenlegung der bisher getrennten Verantwortlichkeiten in Verlag und Redaktion?

Ulrich: Eine komplette Zusammenführung ist momentan kein Modell. Die Auflösung formaler GmbH-Strukturen spielt letztendlich keine Rolle. Das ist nur das Gefäß, in denen die Aktivitäten organisiert sind. Entscheidend ist die operative Zusammenarbeit. Die ist schon intensiviert und wird noch intensiver laufen. Hier werden wir noch stärker investieren. Ein zweiter wesentlicher Punkt für mich ist, dass wir das reine Reichweitenrennen im Online-Markt nicht mitmachen. Im Gegenteil. Wir versuchen unsere Marke „Süddeutsche Zeitung“ auch Online mit ihren Basiswerten abzubilden.

Was verstehen Sie darunter?

Ulrich: Ein wesentliches Moment dabei ist die „Überraschung“. Da sind wirklich Innovationen gefordert, auch wenn Sie die heute noch nicht sehen. Diese Messlatte legen wir uns aber an. Auch was den Umgang mit Themen in der typischen SZ-Qualität betrifft. Da sind wir immer noch nicht dort, wo wir hinwollen. Wir werden in der Gesamtredaktion ein ganz anderes Verständnis für die gemeinsame Sache finden. Redaktionssysteme gemeinsam nutzen, Themen entwickeln und die Prozesse dafür noch stärker untereinander abzustimmen, kurz: viel mehr Dinge gemeinsam zu machen, als das heute noch der Fall ist.

Geschieht das auch unter Rationalisierungsaspekten? Einige Verlage, allen voran FAZ und Gruner+Jahr, haben bereits einen Einstellungs-Stopp verkündet. Was planen Sie?

Rebmann: Hier kann ich das fortsetzen, was Herr Ulrich bereits ausführte: Wir schauen uns alle Kostenstellen an, aber eine generelle Entscheidung wie: „Ab heute wird niemand mehr eingestellt“, ist aus unserer Sicht keine unternehmerische Antwort. Wir haben ja auch Unternehmensteile, wo wir wachsen wollen. So schauen wir uns Personalentscheidungen eben im Einzelfall an. Handelt es sich um solche, die unmittelbare Marktauswirkungen haben oder solche in den Verwaltungsbereichen. Hier prüfen wir auch, ob und in welchem Umfang wir in der neuen Unternehmensgruppe besser zusammenarbeiten können. Aber Einstellungsstopp bedeutet ja, dass frei werdende Stellen nicht neu besetzt werden. Damit würde auch allen, die direkt im Markt agieren, signalisiert: „Ihr bekommt keine Unterstützung mehr“. Das halten wir für einen falschen Weg.

Betrifft das auch die Redaktionen?

Ulrich: Wir werden sicher abbauen und gleichzeitig aufbauen. Unser erklärtes Ziel ist es, die Qualität der Redaktionen zu erhöhen. Die Redaktionen müssen so ausgestattet sein, dass die von Lesern und Abonnenten erwartete Identität erhalten bleibt. Redaktionelle Kreativität und Inhalte sind nicht einfach austauschbar und insofern sind einer möglichen Zusammenarbeit der Redaktionen von daher schon sehr enge Grenzen gesetzt.

Wo sehen Sie denn – nach dem harten Sparkurs im Süddeutschen Verlag der letzten Jahre – noch Potenzial für Einschnitte?

Reb
mann: Diese Frage betrifft nicht nur den Süddeutschen Verlag, sondern jedes Unternehmen und damit auch alle Zeitungsverlage. Überall gibt es Potenzial, um interne Abläufe und die Marktbearbeitung weiter zu optimieren. Es ist nachvollziehbar, dass man nach einer Krise wie in den Jahren 2001 und 2002 im Aufschwung wieder ein bisschen locker lässt, da eine Stelle neu schafft, dort eine Investition etwas großzügiger berechnet. Bedauerlicherweise hat die Phase der Erholung jetzt nur gut zwei Jahre angehalten. Jetzt müssen wir den Kurs eben wieder umdrehen. Dies gilt aber für die gesamte Unternehmensgruppe.

Herr Rebmann, wissen Sie eigentlich, wie viele Töchter Sie haben?

Rebmann: Ich weiß, dass ich eine Tochter habe und die ist 13 Jahre alt, aber wie viele Tochter- und Enkelgesellschaften wir im Unternehmen haben, kann ich nicht sagen – vielleicht 50.

Angeblich waren es 2007 183 Einzelbeteiligungen.

Rebmann: Mit Beteiligungen kann das schon passen.

Stimmt es, dass der Süddeutsche Verlag im vergangenen Jahr eine Rendite von 10 Prozent verzeichnet hat? Ist das eine Größenordnung, die Sie zufriedenstellt?

Rebmann: Wir äußern uns ja zu den Ergebnissen im Unternehmen grundsätzlich nicht. Man muss dabei berücksichtigen, dass das Ergebnis im Süddeutschen Verlag sich ja nicht nur aus Zeitungsaktivitäten, sondern auch aus dem Bereich der Fachverlage zusammensetzt, ebenso aus den Beteiligungen an der Verlagsgruppe Hof, Coburg, Suhl.

Auf Grund verschiedener Einflussfaktoren ist es aber so, dass ein nationaler Titel wie die „Süddeutsche Zeitung“ in den Renditen nicht vergleichbar ist mit Regionalzeitungen.

Wo steckt das größte Wachstumspotenzial?

Rebmann: Online ist sicher ein Thema, ein Markt, den wir noch nicht richtig bearbeitet haben, vielleicht auch, weil die Refinanzierbarkeit nicht einfach ist. Hieran müssen wir noch arbeiten.

…Woran genau, in welche Richtung denken Sie?

Rebmann: Wer weiß, was Online letztlich wirtschaftlich machbar ist? Jetzt aber haben wir die Größe und Stärke, spezielle Portale aufzubauen für unsere Anzeigenkunden. Die Frage ist nur, ob das an die Printmarke gekoppelt sein soll oder ob man Online eigenes anbieten muss?

Ihre Antwort?

Rebmann: Das wird eher ein eigenes Portal sein.

À la mobile.de beispielsweise?

Rebmann: Nennen Sie es, wie Sie wollen.

Sollen in ein solches Portal alle Titel der Südwestdeutschen Mediengruppe integriert werden?

Ulrich: Wir werden Themen über unsere bestehenden Marken-Titel abbilden und andere Themen über unabhängige, neue Marken. Wir haben ja einen großen Vorteil in der Gruppe: Wir können aus der überregionalen bis zur nationalen Perspektive der „Süddeutschen“ Dinge ausprobieren und dann verlängern hinein in die anderen Objekte innerhalb der Gruppe. Das Gleiche gilt umgekehrt für die Regionalzeitungs-Produkte, die wir wiederum hinüberwachsen lassen können ins überregionale Geschäft. Experimente beinhalten immer Versuch und Irrtum. Wie Herr Rebmann sagt, wir wissen ja nicht, wohin die Reise gehen wird. Aber wenn wir nichts ausprobieren, dann kommt auch nichts dabei heraus.

Was genau wollen Sie denn nun ausprobieren?

Ulrich: Zuerst muss man klarmachen, worin eigentlich die Schlagkraft der Gruppe liegt und was man auf der Gruppenebene im Markt platzieren kann. Das können in der Verschränkung von Publikumsmarkt-Zeitungen wie der „SZ“ und Fachinformations-Produkten durchaus auch Serviceangebote im B2B-Bereich sein. Zum Beispiel für die mittelständische Wirtschaft oder bestimmte Branchensegmente sind über die Brücke Publikumsmedien-Special Interest-Fachinformationen viele neue Dienste denkbar. Momentan entwickeln wir entsprechende Angebote. Aber in drei, vier Monaten werden wir mit den ersten Themen in den Testlauf gehen.

Den Bereich Fachverlage will der SV also nicht loswerden, wie immer wieder kolportiert wurde?

Ulrich: Der stand nie zur Disposition, zumindest nicht nach meiner Kenntnis.

Rebmann: Wir werden uns bei den Fachverlagsbereichen noch genauer anschauen, wie wir das Know-how aus den einzelnen Bereichen für die Gesamtgruppe nutzen. Zum Beispiel für Beilagen zum Thema Gesundheit, wie sie die Regionalverlage haben. Mit der „Medical Tribune“ haben wir jede Menge Know-how über Gesundheitsthemen im eigenen Haus …

Ulrich: … das wiederum in Publikumsmedien übertragen werden soll.

Rebmann: Genau.

Wem z.B. soll die „Medical Tribune“ Inhalte zuliefern – den Regionalzeitungen, der „SZ“, „SZ Wissen“…?

Rebmann: Wir haben uns dies noch nicht näher angesehen. Wir wissen, dass wir in der Gesamtgruppe an verschiedenen Stellen qualitativ hochwertige Inhalte haben, auch zu speziellen Themen. Wir müssen nun sehen, ob eine Mehrfachverwertung innerhalb der Gruppe sinnvoll sein kann.

Ulrich: Inhalte generieren und Inhalte-Lieferung sind zwei wesentliche Punkte. Aber das Wertvollere ist für uns der Kundenzugang, den wir z.B. über „Medical Tribune“ für entsprechende Supplemente nutzen können. Wir werden das Spezialwissen des Fachtitels für spezielle Angebote als auch für das breitere Publikum der Zeitungstitel nutzen. Uns ist klar, dass das nicht einfach ist. Diese Synergiebemühungen gibt es, solange ich den SV kenne. Wir können nun aber längerfristig agieren und haben mehr Möglichkeiten, dieses Know-how zu nutzen. Der entscheidende Punkt ist, dass wir jetzt unsere Leute dazu bringen, auch in diesen Dimensionen zu denken.

Sie haben schon mal behauptet: „Die Quadratur des Kreises ist möglich“.

Ulrich: Das habe ich gesagt?

… und zwar 2007, als Roland-Berger-Berater in einem Aufsatz über „Partnerschaftskonzepte inhaltgestützter Netzwerke für regionale Zeitungen“ – mit der Botschaft: „Synergien sind möglich“.

Rebmann: Können Sie mir den mal schicken? (Gelächter)

Dort schildern Sie als beipielhaft, wie die „Stuttgarter Nachrichten“ ihren Mantel quasi als Agenturmaterial dem „Schwarzwälder Boten“ liefert, der daraus seinen eigenen Mantel baut. Wünschen Sie, Herr Rebmann, sich das jetzt für die ganze Gruppe?

Rebmann: Dies hat nicht mal so sehr etwas mit unserer Gruppe zu tun. Ich bin davon überzeugt, dass Lokal- und Regionalzeitungen mehr Qualität auch in ihren Mantelangeboten benötigen. Es reicht heute nicht mehr aus, mit wenigen Redakteuren Agenturmeldungen zu wiederholen, sondern wir brauchen eigene originäre Inhalte. Vor diesem Hintergrund haben wir uns damals beim „Schwarzwälder Boten“ überlegt, wie wir mehr Hintergrundberichterstattung, Aktualität und mehr Qualität in die Zeitung bekommen. Das kann man schaffen, indem man die Redaktion entsprechend ausbaut. Dieser Weg ist aber aus naheliegenden Gründen bei den Lokal- und Regionalzeitungen nicht machbar. Eine Alternative ist der Einkauf eines kompletten Zeitungsmantels. Das passt aber nicht überall, weil Seiten nicht eins zu eins übertragbar sind. Jede Regionalzeitung hat ihr Gepräge, muss selbst gewichten, kommentieren und Schwerpunkte setzen können. Und hier passt das Stuttgarter Agenturmodell hervorragend, indem nämlich die Verantwortung für die Inhalte am Ende bei der Chefredaktion bleibt, die die Inhalte bezieht, gewichtet, selbstständig kommentiert und mit eigenen redaktionellen Teilen anreichert.

Taugt das Modell auch für die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Stuttgarter Zeitung“?

Rebmann: Nein, dieses Modell hat auch seine Grenzen. Dies wäre ein Schritt in die falsche Richtung. Die „Stuttgarter Zeitung“ ist eine Regionalzeitung mit überregionaler Ausstrahlung in Baden-Württemberg. Die „Süddeutsche Zeitung“ ist ein nationaler Titel mit internationaler Ausstrahlung, und sie hat auch eine andere journalistische Prägung. Hier muss man der Versuchung widerstehen, u. U. wirtschaftlich denkbare Szenarien auszuprobieren.

Herr Ulrich, Sie hielten früher Synergien
zwischen überregionalen und regionalen Zeitungen für fragwürdig, weil sie die Marken beschädigen könnten. Ist das nach wie vor Ihre Meinung?

Ulrich: Ja. Was das Korrespondenten-Netz betrifft, kann man sicher über eine gemeinsame Nutzung nachdenken. Der entscheidende Punkt in der Tagesarbeit ist, dass die Texte, Bilder und Bewegtbilder in einer einheitlichen technischen Form verarbeitet werden, damit sie innerhalb aller Objekte der Gruppe genutzt werden können. Das ist die wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich überhaupt eine Zusammenarbeit ergeben kann. Auf der anderen Seite ist die Unabhängigkeit der Redaktionen zu wahren. Wenn wir die aufgäben, würden wir unsere Marken beschädigen. Bis jetzt kenne ich kein wirklich erfolgreiches Modell im Qualitätszeitungsbereich, wo Modelle von zusammengelegten Redaktionen wirklich funktionieren. Weil das eine nicht sinnvoll ist, darf man dennoch nicht alle anderen Möglichkeiten der Zusammenarbeit für null und nichtig erklären.

Nennen Sie bitte fünf Begriffe, die die Marke „Süddeutsche Zeitung“ am besten charakterisieren.

Rebmann: Ich brauche da keine fünf Begriffe. Was den Erfolg der „Süddeutschen“ ausmacht, ist ganz einfach: Sie bereitet Lesefreude, es macht einfach Spaß, diese Zeitung zu lesen. Das fehlt den meisten Zeitungen. Die „Süddeutsche“ dagegen bietet Sprachwitz, stets neue Gedanken und deshalb bleibt man auch bei Themen hängen, die einen eigentlich nicht interessieren.

Ulrich: Ja, das sehe ich genauso.

Obgleich die „Süddeutsche Zeitung“ eine positivere Auflagenentwicklung als die „FAZ“ in den letzten Jahren hatte, konnte sie ihr das Image als nationaler Meinungsführer bisher nicht streitig machen. Ärgert Sie das?

Ulrich: Na ja, zum einen entwickeln sich Zeitungsmarken nun mal langfristig. Eine Zeitung wie die „FAZ“, die kaum von der lokalen Verankerung lebt, wirkt logischerweise nationaler als unser Blatt. Trotz ihrer „Rhein-Main-Zeitung“ ist es eine Zeitung für Deutschland, und wird als solche gemacht. Wir sehen uns da komplett anders. Wir erfüllen vom Lokalen über das Regionale bis hin zu nationalen und internationalen Themen die volle Bandbreite. Wir sind – auf die letzten zehn Jahre betrachtet – auf einem guten Weg, wie uns auch die Reaktionen unserer Anzeigenkunden, Agenturen und vor allem die Leser zeigen. Der ist längerfristig angelegt, und den werden wir weitergehen.

Herr Rebmann, sehen Sie stärkeren nationalen Profilierungsbedarf für die „SZ“?

Rebmann: Ich sehe nicht, dass wir im nationalen Bereich anderen Zeitungen hinterherlaufen. Ich glaube eher, dass wir angesichts der Erfolge in unserer nationalen Auflage unsere Stammmärkte hier in München und in Bayern nicht vergessen dürfen. Wir müssen aufpassen, dass uns diese Märkte nicht an lokale Wettbewerber verloren gehen.

Bedeutet das eine noch stärkere Lokalisierung?

Rebmann: Für München kann ich diese Frage an dieser Stelle noch nicht beantworten. Für Stuttgart ist es aber eindeutig, dass wir noch stärker die Lebenswirklichkeiten unserer Leser abbilden werden, und das geht nur über eine noch stärkere Lokalisierung.

Herr Ulrich, sollen also die Landkreisausgaben der „SZ“, die in der Vergangenheit von acht auf fünf reduziert wurden, wieder erweitern werden?

Ulrich: Wir arbeiten aktuell ganz konkret an einem neuen Lokal- und Regionalauftritt der „Süddeutschen Zeitung“ – inkl. neuer Formate, neuer Schwerpunktsetzung in der lokalen und sublokalen Berichterstattung, Reportagen, Ausgabenstrukturen etc.

Herr Rebmann, wie soll die stärkere Lokalisierung bei den Regionalzeitungen funktionieren?

Rebmann: Wesentlich ist hier zunächst ein gutes Netz von redaktionellen freien Mitarbeitern, die nicht nur Termine wahrnehmen, sondern auch Themen aufgreifen. Wir brauchen Mitarbeiter, die vor Ort leben, die wissen, was die Menschen bewegt, welche politischen Entscheidungen für sie welche Auswirkungen haben. Es muss sich in der Zeitung widerspiegeln, allerdings nicht so, dass wir den Eindruck eines Provinzblattes erwecken dürfen, das sich nur noch der Vereinsberichterstattung widmet. Entscheidend ist, dass die Zeitung ihre Leser in ihrer eigenen Betroffenheit abholt und unsere Leser sich darauf verlassen können, dass sie in ihren Zeitungen die Gesprächsthemen wiederfinden, die für sie wichtig sind. Und dies gilt für alle Altersgruppen. Es gibt hier kein Thema, das man nicht auch aus einer lokalen regionalen Sicht beleuchten kann und dies ist dann letztlich die Stärke einer Tageszeitung.

Ist das noch mit dem Generalistenkonzept der klassischen Zeitung zu leisten oder muss ein Blatt Zielgruppen mit individuellen Produkten ansprechen? Wie mit dem Familienmagazin, das die „Süddeutsche“ jetzt herausbringt?

Ulrich: Definitiv mit beidem. Ich würde eine Qualitätszeitung nie aus der lokalen Verantwortung entlassen. Die Diskussion „Sind wir national oder lokal/regional“ halte ich für einen Denkfehler. Die in dem Zusammenhang so gern zitierte „NYT“ ist dafür ein gutes Beispiel: lokal, regional, national, mit internationaler Ausstrahlung. Da wollen wir – noch besser als heute – hin.

Was das Familienmagazin betrifft: Wir testen das jetzt. Am 5. November am Kiosk.

Wird es künftig mehr dieser special interest-Zeitungsprodukte geben?

Rebmann: Ich glaube schon. Wir müssen in diese Richtung denken. Dies kann sich sowohl auf einzelne Themen als auch auf die geografische Verbreitung beziehen. Über unsere hochauflagigen Verlagsbeilagen zu einzelnen Spezialthemen bieten wir dem Anzeigenkunden ja noch nicht ein Zielgruppenmedium. Hier gibt es sicher noch Möglichkeiten, um sowohl den Anzeigen- als auch den Lesermarkt besser zu bedienen.

Wie könnten die aussehen?

Rebmann: Unter Umständen muss man hier über vollkommen neue Modelle nachdenken. Die neuen Technologien im Druck und Versand bieten hier neue Chancen. Dies kann im Ergebnis bis zu einer „Beilage on Demand“ führen.

Noch ein Blick in die Zukunft: Hat Ihr Sohn eigentlich journalistische Ambitionen? Er hat ja bereits im „Schwarzwälder Boten“ geschrieben …

Rebmann: Er schreibt gerne und gut, ist aber auch erst 15 Jahre alt und da kann man über berufliche Ambitionen noch nichts sagen.

Wann ist denn der Generationenwechsel bei der „SZ“-Redaktion ge-plant? Wird Hans Werner Kilz, gerade 65 Jahre alt, die „SZ“ bis 2010 als Chefredakteur führen?

Rebmann: Es ist ja allgemein bekannt, dass der Vertrag von Herrn Kilz bis Ende 2010 läuft. Wir sind froh darüber, dass er uns in dieser Zeit als Chefredakteur zur Verfügung steht.

Gleichzeitig kann 2010 das Redaktionsstatut der „Süddeutschen Zeitung“ gekündigt werden. Steht das zur Disposition?

Ulrich: Das steht momentan nicht zur Disposition.

Rebmann: Zwischen beiden Daten besteht überhaupt kein Zusammenhang und es gibt keine Überlegungen, das Redaktionsstatut zu kündigen.

Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 20 bis 23 Autor/en: Interview: Annette Milz,. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.