Durch die Hintertür zur Gratiszeitung

Zur Meldung „ Zeitung 2.0 in Gießen“, mm 10/2008, s.a. Layouttipp Seite 81 in dieser Ausgabe) „Die „Gießener Zeitung“ (welch ein Anspruch liegt schon im Titel!) ist zweifellos gut gemacht und könnte, wenn sie sich noch eine aktuelle überregionale Titelseite zulegen würde, auch alle Kriterien einer echten Zeitung erfüllen. Wie schön wäre es, wenn sie dann nur noch statt von Laien auch von Journalisten gemacht würde. Nun präsentiert sie sich als Hybrid: derzeit noch ein Anzeigenblatt, aber ganz sicher durch die Hintertür auf dem Weg zur Gratiszeitung. Warum hat man wohl das Experiment einer „Mitmach-Zeitung“ nach Gießen verlegt und macht es nicht, was nahe liegen würde – in Gelnhausen, Marburg oder Hannover? Mit Gießen fand man ganz bewusst und strategisch geschickt den Ort im Bundesgebiet, an dem (abgesehen von Bielefeld) der härteste Wettbewerb zwischen zwei Zeitungen (sogar mit je eigener Kernredaktion) besteht. „Gießener Allgemeine“ und „Gießener Anzeiger“ bieten ungeachtet ihrer nur mittleren Auflage dort immer noch inzwischen in Deutschland selten gewordene Zeitungsvielfalt – mit allen Nachteilen einer solchen Marktsituation. Damit sind auch die Möglichkeiten einer Abwehr eher begrenzt. Meine Befürchtung, in Gießen könnte es bald die erste Verteilzeitung überhaupt ohne jede Konkurrenz geben, ist sicher nicht unbegründet. Auch dem Argument, man wolle für die Anzeigenkunden eine Lücke schließen und eine komplette Belegungseinheit für die Region anbieten, kann ich nicht beipflichten: mit der „Gießener Zeitung“ ersetzen die beteiligten Verlage nur ihr bisheriges Anzeigenblatt, das sie schon seit Langem für die Stadt und den Kreis Gießen herausgaben.“

Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 10 bis 10 Autor/en: Walter J. Schütz, Bonn. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.