Krisenreport aus dem Ausland

Großbritannien

Murdoch kann nicht allen helfen

Julia Grosse,

London

Es gibt keinen morgendlichen Aufmacher, den die britischen Medien nicht dem „Credit Crunch”, der Kreditkrise widmen. Im Bezug auf die Situation der eigenen Branche wirken vor allem aber Journalisten bisher noch entspannt. Krise? Welche Krise? Oder wie es Ivor Gaber, Medien-Professor am renommierten Londoner Goldsmith College, knapp umschreibt: „No signs as yet.“ Dabei gibt es durchaus Anlass zur Beunruhigung. Denn nicht jedes Blatt hat den Medienmogul Rupert Murdoch hinter sich, der versicherte, dass sein Milliardenunternehmen, zu dem auch die „Times“ und die „Sun“ gehören, eine üppige „Kriegskasse” für harte Zeiten habe. Die „Financial Times“ nannte ihre Ankündigung, immerhin 4% ihrer 1600 Angestellten zu entlassen, „Streamlining”, was schnittiger klingt, als Krisenbedingte Kündigungen. Treffen wird es vor allem Leute aus dem Archivbereich, FT-Journalisten bleiben angeblich verschont. „Im Augenblick profitieren Schreiber in einer Finanzmetropole wie London enorm von der Krise”, weiß ein Londoner Finanzjournalist. „Es gibt keinen Bereich, der thematisch nicht davon betroffen ist.” Über die Krise muss schließlich geschrieben werden. Der „Independent“ oder der „Daily Telegraph“ verzeichneten im Lehman-Brothers-Kollaps-Monat zwar Rekordzahlen, jedoch nicht mit ihren gedruckten, sondern mit ihren Onlineseiten. Die gedruckte Auflage des „Indepedent“ ging im Vergleich zum Vorjahr um 12% zurück. Noch im September hoben gleich mehrere Tageszeitungen die Preise an und gönnten sich ein neues Farblayout. Ob es hilft, wird sich zeigen, ist aber zu bezweifeln. Auf dem Anzeigen-abhängigen Gratiszeitungsmarkt hat das Daily Mail & General Trust-Blatt „Metro“ Entlassungen angekündigt. Im Segment der Hochglanzmagazine werden renommierte Mode- und Kosmetikanzeigen derzeit vor allem nur noch in Luxusblättern wie „Harpers Bazaar“ geschaltet. „, Marie Claire’ oder, SHE’, die sonst durchaus Prada oder Dior-Anzeigen im Blatt hatten, gehen nun leer aus”, so eine PR-Agentin.

Internet: www.ft.com

Norwegen

Lohnverzicht und Betteln um Subventionen

Clemens Bomsdorf,

Kopenhagen

Unsere Redaktion besteht schließlich aus Wirtschaftsfachleuten, die werden schon wissen, dass man in harten Zeiten sparen muss, mögen die Manager von „Dagens Næringsliv“ (DN) gedacht haben, als sie sich selber die Löhne um 5 Prozent kürzten und Gleiches von ihren Angestellten erwarteten. Doch die machten dabei nicht mit. Mediaagenturen sehen angesichts der Finanzkrise in Norwegen einen drastischen Anzeigenrückgang voraus. Das ehemals finanziell so gut dastehende Blatt „Dagens Næringsliv“ (DN) trifft es vermutlich besonders hart. Doch das war für die Angestellten kein Grund, Kürzungen des selbst für die norwegische Medienlandschaft hohen Lohns hinzunehmen. Sie fühlten sich dadurch bestärkt, dass die Aktionäre des Verlages NHST, der zum Großteil aus DN besteht, sich in den vergangenen zehn Jahren Dividenden haben ausschütten lassen, die in der Summe höher liegen als der Nachsteuergewinn im selben Zeitraum. Das Wirtschaftsblatt hat bezogen auf die Bevölkerungszahl so viele Leser wie vermutlich keine andere Wirtschaftszeitung der Erde. Mit informativen Texten auch über kleine Firmen und investigativen Geschichten war viel Auflage gemacht worden. Andere Blätter in dem nordeuropäischen Land setzen auf den Staat. In Norwegen gibt es nämlich ein Gesetz, das sogenannten Zweitzeitungen staatliche Subventionen verspricht. Zweitzeitungen sind jene, die in einer bestimmten Region die zweitgrößte Auflage haben. Diese hätten einen unverhältnismäßig großen Wettbewerbsnachteil im Anzeigengeschäft, so die Begründung für die Subventionen. Weil die Finanzkrise vor allem eine Anzeigenkrise zu werden droht, fordert der Verlegerverband nun eine Extrazahlung von 79,8 Mio. Kronen (8,7 Mio. Euro) an die Zweitzeitungen.

Internet: www.dn.no

Frankreich

Finanzkrise sorgt für Strohfeuer

Barbara Markert,

Paris

Während sich die globale Wirtschaftskrise in Deutschland zur Medienkrise ausweitet, erfreut sich in Frankreich die Wirtschaftspresse eines ungeahnten Aufschwungs. Zeitungen und Magazine wie „Les Echos“, „Les Tribunes“, „Vie Financière“ melden Zuwachsraten von 20 bis 40 Prozent in den vergangenen Wochen. Doch trotz des zwischenzeitlichen Auflagenanstiegs gilt: Frankreich Presse steckt bereits seit 2001 in einer Art Dauerkrise. Multikonzerne und Großunternehmen aus medienfernen Branchen haben sich die Sahnestücke der französischen Tagespresse, wie „L’Express“, „Liberation“ und selbst „Le Monde“ aufgeteilt. Selbst die Mitarbeitergesellschaft der Tageszeitung „Le Monde“ musste aufgrund von Finanzengpässen eine Beteiligung des Rüstungs- und Medienkonzern Lagadère und die spanische Verlagsgruppe Prisa hinnehmen.

Nachdem in den vergangenen Jahren bereits umfassend Stellen abgebaut wurden, wird über weitere Kürzungen derzeit nicht in großem Maße gesprochen. Man will sich nicht noch schlechtere Zeiten herbeireden. Präsident Nicolas Sarkozy sieht sich dennoch in der Verantwortung zu handeln. Nach seinen umstrittenen Reformen zur Werbeschaltung beim öffentlichen und privaten Fernsehen, durch die Werbeschaltungen in den öffentlich-rechtlichen Fernsehen peu à peu verschwinden sollen und deren Einnahmeverluste durch eine Steuer bei privaten Fernsehsendern und Mobilfunkanbietern ersetzt werden soll, hat er nun eine Arbeitsgruppe für die geschriebene Presse einberufen. Sie soll nach Lösungen gegen den Auflagenschwund suchen, erste Ergebnisse sind für 2009 geplant. Sarkozy: „Die Probleme der Tageszeitungen und Magazine sind seit 30 Jahren die gleichen. Es ist ein Irrglaube zu denken, dass eines Tages die Werbung die Information finanzieren könne. Gratiszeitungen sind der Tod der Presse.“ Doch genau diesen weht nun durch die Finanzkrise der Wind am härtesten ins Gesicht. Laut internationaler Untersuchungen durch AFP und Prognosen der Beratungsfirma OC&C, einer der wenigen, die die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Medien überhaupt thematisieren, werden bis 2015 rund 500 Mio. Euro weniger Werbeeinnahmen erwartet. Eric Scherer von AFP Mediawatch: „Die, die nur auf Werbung bauen, wie die Gratiszeitungen, trifft das ins Mark.“ Internet:

http://info.france2.fr/medias/47297355-fr.php I

Zentralasien

Keine Medien- keine Krise

Marcus Bensmann,

Düsseldorf

Bei der Bewertung der Medienkrise gilt ein Grundprinzip, das auch bei der Bewertung der Pressefreiheit zur Geltung kommt. Um festzustellen, wie hoch die Repression gegen eine Zeitung, Radio-, oder TV-Station in einem Land ist, muss es diese Medien überhaupt erst geben. Ebenso gilt: Nur Medien, die existieren, können in der Krise sein. In manchen Regionen gibt es deshalb keine Medienkrise – dank staatlicher Eingriffe.

In einem Land, das wie Usbekistan kein einziges nicht vom Staat kontrolliertes Medium erlaubt, muss auch keine Zeitung sparen und keiner Radiostadion den Strom abdrehen, nur weil kein Geld mehr da ist. In Zentralasien sieht es mit der Existenz einer unabhängigen Medienlandschaft düster aus. Bei der in dieser Woche veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit stehen die Länder im unteren Drittel und Usbekistan und Turkmenistan ganz unten. In der Region zwischen Kaspischenmeer und chinesischer Grenze gibt es lediglich die Zeitungslandschaft in Kasachstan, die der Beobachter als in gewisser Weise lebhaft betrachten kann. In Kirgistan und in weit abgestufter Form auch in Tadschikistan finden sich zwar unabhängige Medien, aber dort war auch vor der Krise schon kein Kapital vorhanden. Lediglich in Kasachstan schaltete die von steigenden Rohstoffpreisen angefeuerte Wirtschaft – vor al
lem die Bauindustrie – großformatige Anzeigen und finanzierte so den Medienmarkt. Nun wurde die Bauwirtschaft in der kasachischen Steppe böse getroffen, viele Baustellen wurden über Nacht geschlossen. Das Platzen der Blase ist aber noch nicht bei den kasachischen Medien angekommen. „Bei der Menge der geschalteten Reklame hat sich die Krise nicht niedergeschlagen“, sagt Aischan Schalabaejewa von der Wirtschaftszeitung „Bisnis und Wlast“, „Wirtschaft und Macht“. Die Bauwirtschaft schaltete zwar weniger Reklamen, dafür engagiere sich der Rohstoffsektor mehr. Auch die Wirtschaftzeitung „Kapital.kz“ hat noch immer die vormalige Blattdicke. „Die Stellung von, Kapital.kz’ im Medienmarkt ist nach wie vor als gut zu bewerten“ sagt Olga Forminskich von dem Wochenblatt mit der grünen Überschrift. Jedoch schalten die kasachischen Behörden sichtlich mehr Anzeigen, und ein Teil des Geldes für die Medien in Kasachstan kommt damit vom Staat.

Internet: http://www.reporter-ohne-grenzen.de/ranglisten/rangliste-2008.html

Serie

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Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 32 bis 33. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.