Offene Worte

Das erste Interview, das Richard Rebmann und Karl Ulrich, die Geschäftsführer des Süddeutschen Verlags (SV), gegeben haben (s. Seite 20 ff.), war zugleich das letzte – im alten Verlagsgebäude an der Sendlinger Straße mit Blick auf das schöne Münchner Stadtzentrum. Kurz darauf, Anfang November, ist nun der gesamte SV in das neue Hochhaus weit draußen, in Steinhausen, umgezogen und hat damit zumindest eine Großbaustelle erst mal abgeschlossen. Doch eine ganze Reihe weiterer Baustellen ist noch in Arbeit. Klar ist: Die neue Führungsmannschaft setzt nun – deutlich mehr als zuvor – auf Sy-nergien in der Gesamtgruppe, zu der eben nicht nur die Titel des Süddeutschen Verlags, die Fachverlage, Regionalzeitngen und das Flaggschiff „Süddeutsche Zeitung“ gehören, sondern auch die der Gesamtgruppe in der SWMH (s. a. Titel mm 3/2008: „Die neue Macht im Süden“). Gleichzeitig legen Rebmann und Ulrich ein bemerkenswert klares Bekenntnis über die Grenzen möglicher Synergien ab. Was seit der Mehrheitsübernahme des SV durch die Südwestdeutsche Medienholding SWMH (Stuttgart) zum Jahreswechsel als Gerücht kursierte, wird nicht eintreten: Redak- tionelle Synergiemodelle zwischen „Süddeutscher Zeitung“ und „Stuttgarter Zeitung“, zum Beispiel durch Mantelkooperation. Für diese beiden Titel wäre ein Agentur-Modell, wie es die verlagseigenen „Stuttgarter Nachrichten“ als Mantelmaterial-Lieferant beispielsweise für den „Schwarzwälder Boten“ praktiziert, „ein Schritt in die falsche Richtung“, sagt Richard Rebmann. Doch es gibt schließlich im großen Reich des Süddeutschen Verlags auch andere, regionale Titel wie „Frankenpost“, die „Neue Presse“ in Coburg oder das „Freie Wort“ in Suhl. Den „Stuttgarter Nachrichten“ als „Führungszeitung“ – wie der Mantellieferant im „Stuttgarter Modell“ heißt – wachsen hier sicher neue „Kunden“ zu. eine endgültige Entscheidung über den Start einer „SZ“-Sonntagszeitung ist dagegen immer noch nicht gefallen. Seit rund drei Jahre liegen ein Plan und ein Dummy in der Schublade, doch die langwierigen Verkaufsverhandlungen haben eine Entscheidung lange blockiert. Zu lange, wie es aussieht. Denn ein Start ist, so klingt es zwischen den Zeilen im Interview durch, angesichts der aktuellen Marktlage mehr als unwahrscheinlich. Es wäre derzeit „ökonomischer Selbstmord“, wie ein Branchenkenner es nannte.

Sicher hingegen ist, dass Online künftig eine herausragende Rolle spielen wird auf allen Ebenen der Verlagsaktivitäten. Print und Online sollen deutlich stärker zusammenrücken, gleichzeitig neue Formate in eigenen Portalen entstehen.

Einen Einstellungsstopp, wie ihn „FAZ“ und Gruner+Jahr vor Kurzem ausgerufen haben, wird es hingegen nicht geben: „Das halten wir für keine unternehmerische Antwort“, sagt Richard Rebmann. Gleichwohl werden sicher ein Stellenabbau und Neuorganisationen stattfinden, zum Beispiel in Form von Auslagerungen in Tochterfirmen, wie es derzeit in Stuttgart geschieht. Dort werden derzeit Abfindungsverträge oder Übernahmen in Gesellschaften wie die Callcenter-Firma KIM (eine Tochter der Schwarzwälder Boten GmbH) verhandelt. Die Redaktionen seien aber nicht betroffen, heißt es in Stuttgart.

Die neuen Herren in München wollen Zeichen setzen, mehr Experimente wagen – auch und gerade in Krisenzeiten wie diesen. Die Zeit des Schweigens ist vorbei, man darf gespannt sein, welche Taten den Worten folgen werden.

Kehrseite. In dieser Ausgabe wagen wir ein Experiment. Sie erhalten mit diesem „medium magazin“ ein Doppelheft mit der „Journalistin“. Drehen Sie „medium magazin“ einfach einmal um.!

Annette Milz

Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 5. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.