Sprechernotizen

Ein Schritt vor – einer zurück

Wie schnell es vorwärts und dann wieder zurück gehen kann, erleben gerade die Mannen (und Damen) um Rupert Ahrens und Thomas Reinert von der Agentur A&B Financial Dynamics. Feierten sie noch vor wenigen Wochen für ihren Kunden Schaeffler einen grandiosen Sieg im Medien-Getümmel um die Übernahme des Hannoveraner Automobilherstellers Conti (s. a. „medium magazin“ 10/08), weht ihnen nun mit Ausbruch der akuten Finanzkrise ein scharfer Gegenwind in die Frankfurter Gesichter. Immer lauter werden die Vermutungen, dass die mondäne Herrscherin im Schaeffler-Reich, Maria Elisabeth Schaeffler, und ihr ehrgeiziger Geschäftsführer Jürgen Geißinger sich übernommen haben, die finanzierenden Banken die Megakredite nicht stemmen können und der Preis für die Neuerwerbung viel zu hoch war. Viel Arbeit für A&B, die nun, im Rückwärtsgang, hier und dort Nerven zeigen, hatte man doch schon geglaubt, die Schlacht sicher gewonnen zu haben. Mit stillem (und manchmal weniger stillem) Vergnügen beobachten dagegen Heimo Prokop, Kommunikationschef von Conti, und die Widersacher von A&B, die ebenfalls in Frankfurt beheimatete Agentur Hering Schuppener, wie der sicher geglaubte Sieg zunehmend harzig wird. Dass A&B dabei nicht immer mit Glacéhandschuhen vorgeht, davon wissen auch geschasste Ex-Kommunikationschefs im Schaeffler-Imperium ein Lied zu singen, Gerhard Zaiß, der im Frühjahr seinen Job verlor, nicht zuletzt weil er mit den Beratern von A&B, die ein enges Verhältnis zu Schaeffler-Geschäftsführer Geißinger pflegen, nicht zurechtgekommen sein soll.

Pech für Howe

Schlechter hätte der Einstand von Jörg Howe, neuer Kommunikationschef von Daimler und dort Nachfolger des viele Jahre souveränen Hartmut Schick, nicht sein können. Ausgerechnet in seinen letzten Tagen beim Noch-Brötchengeber Arcandor, vulgo Karstadt, verursachte Howe einen Mega-Kommunikations-Gau. Tagelang berichteten die Medien über allergrößte Probleme bei Arcandor. Die Firma von Ex-Bertelsmann-Chef und Groß-Sprecher Thomas Middelhoff brauchte dringend Geld. Die Banken verlangten den Verkauf des Tafelsilbers, allen voran des Reiseveranstalters Thomas Cook. Alles sickerte zu den Medien durch. Howe hielt straff dagegen, dementierte hartnäckig und voller Inbrunst, dass Thomas Cook auch nur teilweise zum Verkauf stünde – und dann plötzlich musste Arcandor eine Ad hoc-Mitteilung herausgeben und mitteilen, dass man sehr wohl „alle Optionen prüfe“, also auch den Verkauf. Nur Stunden zuvor hatte Howe dies gegenüber dem „Handelsblatt“ noch als völlig falsch bezeichnet. Nun ruderte er zurück. Unterschiedliche Informationsstände im Haus hätten zu der Riesenpanne geführt, so seine schwache Erklärung, will heißen: Entweder war Howe schon in Gedanken bei Daimler und nicht mehr up to date, schlimm, oder sein Chef zauberte ohne ihn, auch schlimm. Noch schlimmer: Howe ist bei den wesentlichen Medien blamiert. Bei Daimler feixen viele seiner neuen Untergebenen voller Schadenfreude, haben sie doch auf den smarten Ex-Sat.1-Mann nicht wirklich gewartet.

Alles Infineon oder was?

Erst kam die Meldung, dass Thomas Weber, Kommunikationschef von Infineon, das Unternehmen verlässt. Nun gut, man hatte damit gerechnet. Glücklos im Intrigensumpf des Chipherstellers, könnte man sagen und damit Weber sogar noch etwas Gutes mitgeben, auch wenn er kräftig mitintrigiert hatte, etwa beim Wieder-Abschuss soeben ernannter Vorstandsmitglieder. Eine hoffnungsvolle Karriere ging damit vorläufig sang- und klanglos zu Ende, galt Weber doch irgendwann einmal zu besten Siemens-Zeiten als aussichtsreicher Nachfolger von Eberhard Posner (des Vertrauten und Kommunikationschefs von Ex-Siemens-Chefs Heinrich von Pierer), bevor Weber erst zu einer Siemens-Tochter, dann zu Infineon und nun eben ins Nirwana abgeschoben wurde.

Noch überraschender dann wenige Stunden später die zweite Infineon-Meldung: Ralph Driever wird Webers Nachfolger. Stolz und glücklich vermeldete der Dauer-Absteiger Infineon, ihr neuer Kommunikationschef verfüge über „umfangreiche Erfahrungen in der strategischen Steuerung der Kommunikation internationaler Unternehmen“. Mag sein. Er ist auch ein netter Kerl, der zuletzt einfach Pech hatte. Bei Roland Berger, der vorvorletzten Station des beruflich weitgereisten Driever, nervten die Berater, die alles besser wussten. Bei Degussa ver- kaufte man einfach das Unternehmen und nahm es dann von der Börse, und die letzte Station … nun, die unterschlug Infineon in seiner Presseinformation einfach. Das war auch etwas peinlich. Ein Gastspiel von nur wenigen Monaten bei der Molkerei Müller-Milch mit ihrem exzentrischen Chef Theo Müller. Noch heute rätselt die Branche, was ihn dorthin getrieben hatte. Gleiches lässt sich jetzt wieder konstatieren: Wer geht denn freiwillig noch zu Infineon? Dr. Who wünscht Ralph Driever einen guten Schutzengel!

What about Dietlmaier?

In der Branche kennt ihn fast jeder, und eigentlich fanden ihn alle nett, und nun fragen sich viele, wo er denn abgeblieben ist: Peter Dietlmaier, zuletzt so etwas wie Kommunikationschef der Swiss Re in der wunderbaren Schweiz, ist abgetaucht. Dietlmaier hat viel erlebt, bei der Deutschen Bank, der Commerzbank, dem Bundesverband deutscher Banken, bei Goldman Sachs, seinem glanzvollsten Engagement, bei der Allianz, wo es schon etwas weniger glanzvoll und nur kurz wurde, bei RWE, wo man sagte, er sei überfordert, und zuletzt bei der Swiss Re, wo es ihn auch nicht lange hielt, Nun verabschiedete er sich sang- und klanglos, nur die „FTD“ vermeldete kurz seinen Weggang. Niemand weiß, wo er ist. Er wolle jetzt beraten, hört man. Nach sieben Jobs in 17 Jahren ist ihm Erfolg zu wünschen.

Die Banker im medialen Dauerstress

Jetzt zeigt sich, dass die Banker in der Kommunikation hinzugelernt haben. Kaum brach die Finanzkrise mit aller Wucht aus, erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt, gingen die Banker in die Offensive. Anders als die Amerikaner, denen wir im Wesentlichen den ganzen Schlammassel zu verdanken haben, suchen die deutschen Banker die Konfrontation mit der veröffentlichten Meinung. Commerzbanker Müller im „Spiegel“, in den Tageszeitungen, in den Agenturen, sein Nachfolger Blessing in „Bild“, Sparkassen-Chef Hassis im „stern“, und … und … und. Sie zeigen, dass sie verstanden haben. Nur mit proaktiver Kommunikation kann wenigstens der Rest an Vertrauen gewahrt bleiben. Nur die Talk-Shows meiden sie, insbesondere die der öffentlich-rechtlichen Sender. Zu Recht, tummeln sich dort zu gerne Möchtegern-Bedeutende und Bauernfänger und feiert der Unsinn fröhlich Urständ. Reich-Ranicki hatte wohl doch recht: Wer die heutigen Talk-Shows sieht, wendet sich mit Grausen ab. Dort für seine Sache zu kämpfen, ist aussichtslos, weil Kompetenz oft nicht vorgesehen ist, dafür viel lautes Geschrei. Dann doch lieber seriös.

Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. eMail: autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „PR“ auf Seite 38 bis 39. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.