Journalisten stehen jetzt länger Schlange

Auf schnelle Interviews müssen Brüsseler Journalisten jetzt meist etwas länger warten. Denn seit kurzem gibt es das „EuroparlTV", das hauseigene Internetfernsehen des Europaparlaments. Vor allem nach Hearings, Symposien und Konferenzen fangen die neuen Kollegen die besten Gesprächspartner nicht nur rasch ab, sie interviewen ihre Opfer auch in möglichst vielen der 23 Amtssprachen der Europäischen Union. Mancher Politiker oder Experte darf seine Weisheit dann nacheinander in Englisch, Französisch, Deutsch und was er sonst noch kann, absondern. Wer mehr kann, muss mehr bringen. Der Luxemburger Claude Turmen musste sämtliche Fragen kürzlich vier Mal beantworten. Das kann dauern, vor allem, weil „EuroparlTV" nur im Internet kommt und keinerlei Zwängen unterliegt, was die Länge der Beiträge angeht. Ein Acht-Minuten-Interview ist immer drin, bei vier Versionen und ein paar herausgeschnittenen Fragen ist eine Stunde schnell vorbei. Und so lange müssen die Kollegen eben warten, die für normale Medien arbeiten. Für solche, die auch gelesen, gehört und gesehen werden. Denn „EuroparlTV" ist eine dieser Ideen von Politikern, die allen Ernstes glauben, die Internet-Kids zu Hause würden sehnsüchtig drauf warten, endlich mehr über das Treiben im Europaparlament erfahren zu dürfen. Nur würde sie bisher keiner informieren. „Die Menschen haben ein Recht darauf, mehr über Europa zu erfahren," sagt der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering, den jeder schon mal gesehen und gleich wieder vergessen hat. „EuroparlTV" kostet übrigens neun Millionen Euro im Jahr. Wer hat, der kann.

Internet: www.europarltv.europa.eu

Erschienen in Ausgabe 12/2008 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 12 Autor/en: Alois Berger. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.