So nicht!

Die Schreckgespenster Sparmaßnahmen & Stellenabbau ziehen durch die Medienbranche und hinterlassen tiefe Wunden: Kaum ein Medienhaus bleibt davon verschont. Und man steht da und ist fassunglos, wie die Medien- und Kommunikationsbranche mit der Krise in eigener Sache umgeht.

Zugegeben, das Ausmaß der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise war kaum vorhersehbar. Die Rasanz der Einbrüche im Anzeigen- und Stellenmarkt sucht ihresgleichen, ganz zu schweigen von den fast täglich nach unten korrigierten Prognosen für 2009. Und niemand bestreitet mehr, dass es sich nicht nur um konjunkturelle, sondern auch strukturelle Veränderungen handelt, die die gesamte Medienbranche zu meistern hat. Niemand bestreitet auch, dass schmerzhafte Maßnahmen notwendig sind, um diese massive Krise wirtschaftlich zu überleben. Doch die Zwangslage entschuldigt nicht alle Mittel. Und auch nicht mangelnden Stil wie jüngst beim Zeitschriftenkongress, als G+J-Vorstand Bernd Buchholz sich im Ton vergreift und an die Redaktionen adressiert davon spricht, man müsse „den Leuten auf dem Sonnendeck sagen, dass sie ihre Liegestühle und Drinks beiseitestellen müssen“. Um kurz darauf bekannt zu geben, dass der Hamburger Verlag nicht nur seinen Hochglanz-Titel „Park Avenue“ einstellen wird, sondern allen Redaktionsmitgliedern seiner Wirtschaftstitel „Capital“, „Impulse“ und „börse online“ kündigen und eine neue Großredaktion für alle Wirtschaftstitel unter „FTD“-Federführung in Hamburg gründen will. (s. Seite 20 ff.) Wie das im Detail funktionieren soll, ist noch zu wenig bekannt. Doch allein die Tatsache, dass die gekündigten Redaktionsmitglieder in Köln und München sich um die 60 Redaktionsstellen, die in Hamburg ausgeschrieben werden, wie jeder andere externe Interessent bewerben sollen, sucht ihresgleichen. Der Hamburger Großverlag, der sich doch stets so viel an Qualitätsjournalismus und Mitarbeiterkultur zugutehalten konnte, entzaubert sich selbst, als Arbeitgeber – und als publizistischer Leuchtturm. Denn noch schwerer wiegt, dass die kurzfristigen Struktur-Maßnahmen die Fragen nach der inhaltlichen Ausrichtung der Titel völlig überlagern. Wofür sollen die Titel, die unterschiedlicher kaum sein können, in Zielgruppen UND Erscheinungsweisen künftig stehen? Wie soll, wie kann eine Gemeinschaftsredaktion den unterschiedlichen Stilen und Inhalten der einzelnen Titel gerecht werden?

Anders liegt der Fall bei der WAZ – auch wenn beide der Trend zu Zentralredaktionen eint. Die Zusammenlegung der bisher publizistisch autonomen Blätter „WAZ“, „NRZ“ und „Westfälische Rundschau“ in einer gemeinsamen Mantelredaktion vollzieht den Bruch mit dem vielgerühmten WAZ-Modell aus den 70er-Jahren (s. Seite 24 ff.). Damals galt es, die publizistische Vielfalt durch Eigenständigkeit der Titel zu wahren. Doch in den 70er-Jahren existierte noch kein Internet, noch nicht einmal privater Rundfunk. Die Hauptkonkurrenten sitzen heute nicht mehr in der Nachbarredaktion, sondern bei Google & Co. Und der Verlust von 30 Millionen Euro, von denen die Rede bei der WAZ ist, ist nicht primär der Wirtschaftslage geschuldet. Die Frage muss erlaubt sein, was in den betroffenen Zeitungen selbst falsch gelaufen ist, dass sich solche Verluste anhäufen konnten.

Aber nicht nur dort gilt: Wer die Schuld nur auf fehlerhaftes Management schiebt, handelt fahrlässig. Auch wir Journalisten müssen uns selbst kritisch fragen, ob wir mit einer Wagenburg-Mentalität, die die Untastbarkeit von redaktionellen Strukturen und Ausstattungen, traditionellen Arbeitsweisen und Inhalten beschwört, weitermachen können. In anderen Ländern werden solche Fragen weitaus offener diskutiert (s. a. die Beiträge im Zukunftsspezial, z. B. Seite 55 ff.) – und die publizistische Qualität muss keineswegs zwangsläufig darunter leiden. Sogar im Gegenteil. Das entbindet die Medienmanager nicht von der Pflicht, die publizistische Kultur nicht durch Brachialmethoden auszuhöhlen.

„Kreativität ist immer auch latente Verschwendung“, sagte Hubert Burda einst beim Zeitschriftenkongress 2002. Sechs Jahre später klingen diese Worte wie aus einer anderen Welt. Doch mit Controller-Methoden werden auch künftig keine Qualitätsmedien zu produzieren sein. Es wird höchste Zeit, wieder mehr über Inhalte und Profile zu sprechen – intern und extern.

Annette Milz

Erschienen in Ausgabe 12/2008 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 5. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.