Blasen und Phrasen

„Die Rahmenbedingungen lassen das nicht zu."

Da sind wir mittendrin im Krisen-Sprech. In schweren Zeiten sollte man sein Phrasen-Köfferchen stets griffbereit halten, um jederzeit erläutern zu können, warum gerade jetzt irgendetwas so gar nicht funktionieren will. Eine gute Methode ist der wolkige Hinweis auf nicht näher spezifizierte „Rahmenbedingungen". „Ja, wir müssen die Abteilung/Tochterfirma/Zeitschrift leider dichtmachen – die Rahmenbedingungen lassen keine andere Entscheidung zu." Sie verstehen schon, lieber Journalist: die R-A-H-M-E-N-B-E-D-I-N-G-U-N-G-E-N … zwinker, zwinker. Kumpelhaft wird der Fragesteller hier mit ins Boot geholt. Er als „Experte" kennt sie ja auch, die Rahmenbedingungen. Wenn alles mies läuft, dann fällt es nicht weiter auf, die eine oder andere schmerzhafte Entscheidung durchzuziehen. Sorry, Leute, „Rahmenbedingungen", ihr wisst schon. Und alle nicken mit dem Kopf. Man kann dem Ganzen auch noch eine flotte Wendung ins Positive geben, wie es Gruner + Jahr-Zeitschriftenvorstand Bernd Buchholz vorexerziert hat, nachdem er das Luxus-Blättchen „Park Avenue" einstampfte. „Ich schließe auch überhaupt nicht aus, dass wir, eine Verbesserung der Rahmenbedingungen vorausgesetzt, im nächsten Jahr daran arbeiten werden, dieses Segment wieder zu besetzen", sagte er der Marketing- Fachzeitschrift „Horizont". Arme Manager, sie können nix dafür, wenn es schlecht oder auch wieder besser läuft. Es sind immer diese verflixten „Rahmenbedingungen".

„Rettungsschirm"

Bevor das mit den Rahmenbedingen zu dolle wird, kann man schauen, dass man schnell noch unter einen „Rettungsschirm" huscht. Ein schönes neues Wort dank Krise. Der Staat ist jetzt sehr beschäftigt, überall Rettungsschirme „aufzuspannen". Als Manager hat man prinzipiell zwei Möglichkeiten. Wer es nötig hat, ruft lauthals nach einem Rettungsschirm für die eigene Branche (Banken, Autos, Baugewerbe) und betont die „gesellschaftlichen Verwerfungen", die es nach sich ziehen würde, wenn der Staat den Schirm nicht aufspannt. Oder man hat es (noch) nicht nötig und verdammt das Instrument Rettungsschirm öffentlichkeitswirksam. „Ich halte ja überhaupt nichts von einem Rettungsschirm für unsere Branche. Wir vertrauen nach wie vor auf die Kräfte des Marktes, und ich finde es unerhört, Steuergelder für die Rettung von Einzelunternehmen zu verbrennen." Das sorgt kurzfristig für Applaus und Stimmung auf der Hauptversammlung. Und falls dann doch noch was Hässliches in den Bilanzen „auftaucht" – kein Problem: Dann haben sich halt die „Rahmenbedingungen" geändert.

„Das ist ein ganz normaler Vorgang."

Und überhaupt: Dass der Staat in so einer schweren Krise einen Rettungsschirm aufspannt, das ist doch „ein ganz normaler Vorgang". Es gehört zu den nach wie vor erstaunlichen sprachlichen Fähigkeiten von Führungspersonal, die größten Unglaublichkeiten öffentlich als „ganz normalen Vorgang" umzuetikettieren. Wir legen Redaktionen zusammen, wir halbieren die Erscheinungsfrequenz und schmeißen die Hälfte der Leute raus? Keine Panik – es ist „ein ganz normaler Vorgang". Ruhig durchatmen und es geht heiter weiter. Hier zeigt sich wieder einmal ein grundlegender Mechanismus der Phrasenkunst: Sobald man etwas ausspricht, wird es manifest und damit ein Stückchen wahr, ganz egal, ob die Realität eine völlig andere ist. Gleichzeitig beweist der Kapitän (maritime Phrase!) Ruhe und Führungsstärke. Wenn der Finanz-Tsunami tobt und der Mann auf der Brücke das alles als „ganz normalen Vorgang" sieht, dann kann ja nix passieren. Hoffentlich.

Erschienen in Ausgabe 01+02/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 61 bis 61. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.