Diagnose

Journalisten auf vier Rädern

Wenn es um Autos geht, sind Journalisten genauso gestrig wie die Industrie. Überall in den Zeitungen heißt es jetzt, dass die deutschen Autobauer am Markt und der Zukunft vorbei produziert hätten. Als schon jedem nachdenkenden Menschen klar war, dass wir vor einer Klimakatastrophe stehen und das Öl immer teurer wird, hätten sie sinnlose PS-Monster erschaffen, grobprofilige Ungetüme mit großem Benzin-Durst und immensem CO2-Ausstoß. Die weisen Kommentare zu diesem unternehmerischen Neandertalertum hätte man gern schon vor ein paar Jahren gelesen.

Denn man muss fairerweise sagen, dass die deutschen Autobauer nicht allein schuld sind an dem Dilemma, die deutschen Journalisten haben ihr Scherflein dazu beigetragen.

Trotz aller mittlerweile obligatorischen Aufrufe zum Spritsparen und umweltbewussten Denken fahren sie gern präpotente (oder besser postpotente) Benzinschleudern – „Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann z. B. Man muss ja nicht gleich Diekmanns Auto anzünden, wie es ein paar Autonome gemacht haben, aber man kann schon mal fragen, ob jemand, der sich selbst für einen der beliebtesten Journalisten Deutschlands hält (hat er selbst gesagt in der Arte-Sendung „Durch die Nacht", in der er von Henryk M. Broder furchtbar sanft angefasst wurde), diesen Beliebtheitsgard nicht noch steigern will, in dem er dazu beiträgt, diese Welt nicht nur für seine Kinder sondern auch für die seiner Leser zu erhalten. Das wäre mal eine andere Version des Begriffs „Familienkutsche", als die Diekmann seinen fahrenden Koloss bezeichnet.

Womöglich möchte Diekmann aber nur Stefan Aust nacheifern, bei dem sich die Größe des Autos diametral zu seiner eigenen verhielt. Als ich ihn einmal auf seiner Pferdefarm besuchen wollte, kam mir auf dem Landweg dorthin ein VW-Touareg (ca. 300 g/km) entgegen, der aussah, als sei er ferngesteuert, weil niemand am Steuer saß. Als der Wagen an mir vorbei fuhr, erkannte ich, dass der große, spritschluckende SUV von Austs Baseballmütze gefahren wurde. Das Faible des ehemaligen „Spiegel"-Chefs für große Autos ist quasi aktenkundig – seitdem er sich von Audi Testwagen vor die Tür stellen ließ oder beim Prominenten-Rennen Mille Miglia mitfuhr.

Vielleicht ist es auch naiv anzunehmen, dass Chefredakteure eine anderen Geschmack haben als, sagen wir: Bankmanager. Aber es ist doch erstaunlich, dass es fast derselbe ist. Der damalige Berlinbüro-Leiter des „Spiegel", Gabor Steingart, fuhr einen Jaguar S-Type (194 g/km), dasselbe Modell bewegte auch Giovanni di Lorenzo durch die Hauptstadt. Locker abgehängt wurden Steingart und Lorenzo vom mittlerweile Ex-Chefredakteur der „Berliner Zeitung", Josef Depenbrock, der einen Chevrolet Corvette (316 g/km) fährt – ein Auto, das gemeinhin als Lieblingsgefährt der Zuhälterbranche gilt.

Aber auch in den unteren Hierarchien gibt es unverbrüchliche Treue zum Auto. Dass es die Marke Saab überhaupt noch gibt, dürfte ausschließlich den Journalisten zu verdanken sein, unter denen die selbstgefühlten Individualisten besonders gern zu diesem anachronistischen Vehikel aus Schweden griffen. Als bekannt wurde, dass Saab pleite geht, erschienen in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" an einem Tag gleich zwei larmoyante Nachrufe mit den Schilderungen eigener Erlebnisse hinterm Steuer. In Hamburg hatte eine Zeit lang gefühlt jeder zweite Magazin-Mitarbeiter als Dienstwagen einen Saab – nur bei Gruner+Jahr darf man einzig deutsche Autos als Geschäftswagen ordern, und seien sie technisch noch so hinterher.

Es sind nicht mal die Autojournalisten selbst, die sich von der Industrie gern versorgen lassen – viel schlimmer sind ja die Kollegen aus den anderen Ressorts, die sich diebisch freuen, wenn sie mal einen leistungsstarken Wagen für ein paar Tage vor die Tür gestellt bekommen.

Das nennt man dann Querbesetzung, und was dabei he- rauskommt, konnte man lange Zeit jede Woche in der „Zeit" lesen, wo Wirtschaftsredakteure beschrieben, was der Hummer oder ein Dodge Caliber aus ihnen machte. Kognitiv und automobil war man damit auf Augenhöhe mit den Chefetagen der Wall Street.

„Öl-Büffel" auf Tour. Auch Feuilletonisten können über Autos so schön schreiben wie über das Werk Gerhard Richters und sind daher für die Autoindustrie viel wichtiger als die Fachleute – denn mit schnöden Begleiterscheinungen wie Umweltverschmutzung geben die sich gar nicht erst ab. Es geht um Höheres – etwa um die Form. Bei BMW macht man sich das seit Jahren zunutze. Während anlässlich des jährlichen Oldtimerspektakels „Concorso d`Eleganza" in Como die Fachjournalisten – von den Autobauern intern despektierlich „Öl-Büffel" genannt – in Massen abgefertigt werden, logieren die Kollegen aus dem Feuilleton in einem Hotel direkt am See und fliegen mit dem Wasserflugzeug umher. Kein Wunder, dass sich anschließend selbst in der „taz" tolle Artikel darüber finden, wie sehr das BMW-Design die Welt verschönert hat.

Ansonsten ist die „taz" aber noch der letzte Ort, wo die Artikel mit dem Fuhrpark übereinstimmen: Der stellvertretende Chefredakteur Peter Unfried fährt seit Jahr und Tag einen Audi A2 – jenes Sparwunder, das Audi so schnöde und unverständlich auf Eis legte. Übrigens ohne, dass groß darüber berichtet wurde.

Erschienen in Ausgabe 03/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 80 bis 81. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.