Eine Dosis Esoterik hilft in Zeiten wie diesen, die Welt zu deuten. Rot, so sagt die Feng-Shui-Lehre, verleiht Energie, Kraft und Macht. Rot ist zudem die Glücksfarbe schlechthin. Was zusammen ziemlich gut passt zu einer Feier, die mitten in nicht ganz günstiger Lage die Heroen des eigenen Berufsstands ehren will. Rot war also die vorherrschende Farbe bei der Ehrung der „Journalisten des Jahres 2008" in Berlin. Und voll war es, die Luft brummte und summte – so klingt die Stimme des deutschen Journalismus, dachte man kurz, und während die Medienmenschen speisten und den Laudationes lauschten, verstand man so nach und nach, dass es genau zwei Möglichkeiten gibt, wie Journalisten die anstehenden Herausforderungen meistern können.
Möglichkeit eins: perfekt tarnen. Meister darin ist Günter Wallraff, 3. Preisträger in der Kategorie Reporter, der nicht gekommen war, weil er gerade undercover recherchierte. Claus Kleber, „Politikjournalist des Jahres", war anwesend, allerdings auch irgendwie undercover: „Ich bin gar kein politischer Journalist, ich spiele nur einen im Fernsehen", sagte er. Steffen Klusmann, „Chefredakteur des Jahres", kam als Wolf im Schafspelz: Wäre die Entscheidung über die Zusammenlegung der Wirtschaftsmedien bei G+J bei Stimmabgabe der Jury bereits gefallen, hätte er den Preis wohl nicht bekommen, unkte er. Und Markus Grill, mit Malte Arnsperger „Journalist des Jahres", empfahl auch bei Recherchen die tierische Maske: „Investigative Journalisten müssen wie Krokodile auf der Lauer liegen und dann blitzschnell zuschnappen."
Möglichkeit zwei spielt mit höherem Einsatz. Das heißt bei Journalisten vor allem: Verleger in die Pflicht nehmen. Und so gingen etliche Seitenhiebe in den Laudationes und Dankregungen in Richtung solcher Verlage, „denen Inhalt und publizistischer Auftrag herzlich egal ist", wie es Claus Larass formulierte, und mahnend hinterherschob, dass „Journalismus sich auch eine gewisse Irrationalität bewahren" müsse. Heribert Prantl schloss eine Art Credo für den Qualitätsverleger an: „Gute Verleger sind nicht die Redaktionszusammenleger. Gute Verleger sind nicht diejenigen, die glauben, sie könnten den Chefredakteur durch einen Geschäftsführer ersetzen." Mit den beiden Auszeichnungen für Mut ging die Feier dem Ende entgegen: für Susanne Fischer, die im Irak Journalismus lehrt, und für Jakob Augstein, der den „Freitag" jetzt zu einer Donnerstags-Wochenzeitung machte. Mut, erklärte Prantl den etymologisch Unbewanderten, habe bis ins 19. Jahrhundert die Hoffnung auf den guten Ausgang bedeutet. Wogegen nun wirklich niemand etwas haben kann.
Linktipp:
Mehr Bilder und die laudationes finden Sie unter www.mediummagazin.de, Rubrik Bilder und Magazin
Erschienen in Ausgabe 03/2009 in der Rubrik „Special“ auf Seite 74 bis 74 Autor/en: Eva-Maria Schnurr. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.