Stimmen zur Krise

Wolfgang Wähner-Schmidt, Medienberater und bis vor gut einem Jahr in leitender Funktion bei Reuters, geht von einem Selbstverschulden der Agenturen aus. Die Angebote würden sich zu oft ähneln: „Es fehlt an klaren Alleinstellungsmerkmalen. Deshalb entscheidet im Zweifelsfall der Preis." Agenturen würden hierzulande zudem kaum Neuerungen bieten. „User generated content, die Nutzung von Social Media oder mobile Dienste sind in den USA und in Großbritannien viel weiter entwickelt", sagt Wähner-Schmidt. Hier habe die „Bild" den Leserreporter eingeführt und „Spiegel Online" von den Oscars getwittert. „Dabei müssten genau da die Agenturen aktiv werden und Innovationen anbieten, die ihren Kunden Mehrwert verschaffen." Wegen des enormen Preisdrucks und der knappen Margen werde aber nicht investiert. So würden weder AP noch Reuters die Multimedia-Anwendungen anbieten, die ihre internationalen Angebote längst hätten. „Ich sehe große Chancen, wenn Agenturen verstärkt in eigene Recherchen investieren, journalistische Kompetenz in wichtigen Gebieten aufbauen und das multimedial aufbereiten."

Dirk Lübke hat als Chefredakteur der Zeitungsgruppe Lahn-Dill von 2004 bis 2006 auf dpa verzichtet. Grund sei vor allem die neue Preisstruktur gewesen, die für kleinere und mittlere Verlage „keine entscheidenden Kostenvorteile" gebracht habe. Außerdem habe er Mängeln im Landesdienst festgestellt. Lübke lebte drei Jahre lang nur mit ddp, AFP, AP und sid. Weil der Landesdienst des ddp aber „nicht die hinreichende Kapazität hatte, um unseren Ansprüchen konsequent zu genügen" und auch eine Kooperation in der Landesberichterstattung mit der HNA die Mängel nicht glätten konnte, kehrte Lübke zum Marktführer zurück, der derweil seinen Service verbessert habe. Lübkes Fazit: „Ein Landesdienst ist nur dann verzichtbar, wenn die Lokalredaktionen einer Zeitung ein Bundesland nahezu komplett abdecken."

Das wiederum ist bei der Zeitungsgruppe Thüringen der Fall. Sergej Lochthofen, Chefredakteur der „Thüringer Allgemeinen" (WAZ-Gruppe), kommt ohne dpa aus: „Wenn es um die ureigenste Sache einer Regionalzeitung geht, im konkreten Fall die Berichterstattung über Thüringen, glaube ich, dass wir am ehesten den Verlust des dpa-Angebots kompensieren können." Nur im Sport sei der Aufwand gestiegen. Mit der „tagentur" hat die „Thüringer Allgemeine" sogar eine eigene Agentur für das Bundesland gegründet. Das Angebot sei umfangreicher als „von dpa und ddp zusammen", sagt Lochthofen. Während die „tagentur" bisher Dienstleister nur der „Thüringer Allgemeinen" war, will Lochthofen das Angebot künftig vermarkten.

Die ausführlichen Statements der beiden Chefredakteure und ein Interview mit Wolfgang Wähner-Schmidt zur Agenturensituation stehen auf www.mediummagazin.de im Bereich Magazin+ zum Abruf bereit.

Erschienen in Ausgabe 03/2009 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 24 bis 25. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.