Gefährlicher Einsatz

Meera Jamal sollte es nicht so gehen wie dem 28-jährigen Musa Khankhel. Der Korres- pondent der Zeitung „The News" und des Fernsehsenders „Geo News" hatte in Pakistan über die Einführung der islamischen Scharia-Gesetzgebung im Swat-Tal berichtet. Mitte Februar wurde der junge Journalist enthauptet. Er ist das jüngste Journalisten-Opfer in einem Land, das „Reporter ohne Grenzen" (ROG) nach dem Irak weltweit den gefährlichsten Ort für Medienvertreter nennt. Sieben Journalisten sind allein dort im vergangenen Jahr ermordet worden.

Auch Meera Jamal wurde nach islam-kritischer Berichterstattung mit dem Tode bedroht, doch sie konnte fliehen: Mit der Unterstützung von „Reporter ohne Grenzen" und „Journalisten helfen Journalisten" erhielt sie Anfang des Jahres Asyl in Deutschland – und versucht nun, hier eine neue Existenz als Journalistin aufzubauen.

Todesdrohung. Derzeit lebt sie bei einer Freundin in Kassel. Dort erzählt sie von ihrem Schicksal: Auf dem Weg zur Arbeit wurde sie im August vergangenen Jahres von vier maskierten Männern überfallen. Vorausgegangen waren Drohungen am Telefon und per E-Mail. „Man hat mir gesagt, wenn ich mit meiner Arbeit nicht aufhöre, werde ich die Konsequenzen zu spüren bekommen", sagt Meera Jamal.

Ihr Arbeitsplatz war bis zur Flucht im Oktober die als liberal geltende englisch-sprachige Tageszeitung „Dawn". Dort war sie eine von zwei weiblichen Reporterinnen und bekannt für ihre Vorliebe für umstrittene Themen. In einer Serie widmete sie sich den Rechten von Frauen, schrieb einen kritischen Artikel zum Erbrecht. „In Pakistan geht die Hälfte des Erbes an einen entfernten männlichen Verwandten, wenn es keinen Sohn gibt. Das ist nicht mehr zeitgemäß", meint die pakistanische Journalistin. Eine Einstellung, die in der pakistanischen Gesellschaft viele Kritiker auf den Plan rief. Die Drohungen aber begannen mit einem Porträt über eine Prostituierte zum Muttertag. „Mir wurde vorgeworfen, dass ich an diesem Tag keine Frau vorgestellt habe, zu der die Gesellschaft aufschauen kann, sondern eine, auf die sie herabsieht", sagt Meera Jamal. Aus der Sicht streng-religiöser Anhänger des Islams verdiene eine Prostituierte nur den Tod.

Es folgte ein kritischer Bericht über madressas – religiöse Schulen, die die Kinder bis zum neunten Lebensjahr besuchen. „Dort wird lediglich auswendig gelernt, aber nicht zum Verstehen angeleitet. Kinder dürfen nicht spielen, singen oder einfach Spaß haben. Kommen sie dann mit neun in eine Regelschule, sind sie den anderen Kindern weit unterlegen. Man hat ihnen ein Stück ihrer Kindheit gestohlen", kritisiert Meera Jamal. Und forderte deshalb in ihrem Beitrag: Religiöse Bildung muss in der Regelschule stattfinden, nicht mehr in madressas.

Flucht nach Deutschland. Todesdrohungen, erst am Telefon, dann der Überfall, dem sie mit knapper Not entging. Welcher Gefahr sie sich mit jenen Artikeln aussetzte, sei ihr zunächst nicht bewusst gewesen. „Solange ich meine Gegner nicht gesehen habe, habe ich die Drohungen nicht ernst genommen." Nach dem Überfall aber habe sie keiner mehr schützen können. „Mein Arbeitgeber konnte mir nicht helfen und meine Familie hat nicht so viel Geld, dass ich für ein paar Monate hätte untertauchen können."

Der einzige Ausweg schien eine Flucht – nach Deutschland, weil sie hier Freunde habe. Nun will Meera Jamal ihre Arbeit in Deutschland fortsetzen. Kontakt zur „Deutschen Welle" habe sie bereits geknüpft. Über ihre Freunde und Kollegen in Pakistan hofft sie, weiterhin über die Entwicklungen in ihrem Heimatland informiert zu werden und darüber schreiben zu können.

Meera Jamal sieht aber auch die westlichen Journalisten in der Pflicht. Nur durch sie werde in Pakistan eine freie und kritische Berichterstattung ermöglicht. „Die Abwesenheit freier, westlicher Medien hat dazu geführt, dass wir Regierungspropaganda nicht erfolgreich begegnen können. Einheimische Journalisten stehen ständig unter Beobachtung und werden bedroht", meint Meera Jamal. Und appelliert: Statt immer nur über den Terror zu berichten, sollten die westlichen Medien die Welt auch über die täglichen Probleme der einfachen Pakistanis informieren. Denn eben diese Probleme seien maßgeblich für die instabile Lage verantwortlich. Sie versucht nun auf ihre Weise ihren Beitrag zu leisten: Über Artikel und Interviews, noch vor allem in Englisch (siehe Linktipp). Vielleicht demnächst auch in Deutsch, denn sie arbeitet intensiv an ihren Sprachkenntnissen, um hier auch beruflich Fuß fassen zu können.

Linktipp:

Den Kommentar von Meera Jamal zur Rolle westlicher Medien in Pakistan ist im Original nachzulesen auf unserer Internetseite www.mediummagazin.de, Rubrik magazin

Erschienen in Ausgabe 03/2009 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 51 bis 51 Autor/en: Kathrin Jansen. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.