1. dass ein Teil von Rudolf Augsteins Erbe verscherbelt worden ist?
So unfassbar das klingt – es stimmt. Mittlerweile ist dieser Teil des Nachlasses in guten Händen, dank Jens J. Meyer, Rolf Grimm und Karl Dietrich Seikel. Es ist ein paar Jahre her, als Meyer, früher Sprecher des Jahreszeiten- und Burda-Verlags, hinter dem Bahnhof Hamburg-Dammtor, beim Antiquariat Schaper, stöberte. Er fand mehrere Dutzend Bücher, die einmal Rudolf Augstein gehört hatten. Das verraten die persönlichen Widmungen der Autoren an Augstein. Sie stammen von großen Persönlichkeiten und sind auch deshalb so wertvoll, weil sie vieles über ihr jeweiliges Verhältnis zu Augstein verraten. Die Widmungen sind lesenswert und so unterschiedlich wie die dazu gehörenden Handschriften. Mal sind sie nüchtern wie die von Willy Brandt: „Rudolf Augstein – mit freundlichen Grüßen"; dann wieder liebevoll wie die von Henry Kissinger: „To Rudolf Augstein from his friend"; oder fast schon unterwürfig wie jene von Leni Riefenstahl in einem ihrer Fotobände: „Lieber Rudolf, in der Hoffnung, dass Ihnen die Bilder gefallen, verbleibe ich mit freundschaftlicher Verbundenheit, Ihre Leni"; nach einer vertrauten Beziehung klingt die Widmung, die Gräfin Marion Dönhoff in ihrem Buch „Zivilisiert den Kapitalismus" schrieb: „Lieber Rudolf, Sie müssen nur das Vorwort lesen. Von allem anderen sind Sie dispensiert." Dispensiert. Wie viel eleganter das klingt als ein schnödes: Lies wenigstens das Vorwort.
Das jüngste der Bücher ist das von Kissinger 2001 erschienene und am 20. Juni desselben Jahres Augstein gewidmete „Does America Need a Foreign Policy?". Rudolf Augstein starb am 7. November 2002, zwei Tage nach seinem 79. Geburtstag. Wer hat den Wert dieser Bücher nicht erkannt bzw. zwar erkannt, aber trotzdem oder gerade deshalb vertickt? Niemand weiß es, auch nicht der Sohn und Sprecher der Erbengemeinschaft, „Freitag"-Verleger Jakob Augstein.
Meyer fragte damals übrigens Grimm um Rat. Der langjährige „Stern"-Anzeigenchef und Initiator der Idee, in Hamburg ein Pressemuseum aufzubauen, reichte die Frage weiter an Seikel. Der damalige Spiegel-Geschäftsführer zögerte nicht und gab Grimm das Geld, um die Bücher aufzukaufen. Rund 3000 Euro waren es. Die Bücher stehen nun am Stadtrand von Hamburg, in Rahlstedt, in einer Lagerhalle des Grossisten Buch + Presse. Auch der Schreibtisch von Henri Nannen steht in einer Ecke, und vieles mehr, was der Öffentlichkeit so lange entzogen bleibt, bis die Idee eines Pressemuseums Wirklichkeit wird. Einer Stadt wie Hamburg, die ein Puppen- oder Kranmuseum hat, stünde ein Pressemuseum gut zu Gesicht. Als Ort steht aktuell das Gebäude neben dem Zollmuseum am Alten Wandrahm zur Debatte. „Butter bei die Fische", möchte man der Stadt, Kultursenatorin Karin von Welck, den Hamburger Verlegern und möglichen anderen Finanziers zurufen. Immerhin: Verleger Dirk Ippen hat mit einer kleinen fünfstelligen Summe eine Sammlung erworben, die er dem Museumsverein übereignet hat, und eine Machbarkeitsstudie wurde von Jakob Augstein mit einer mittleren fünfstelligen Summe finanziert; er hat – wenn die Idee denn mal Realität wird – zudem eine sechsstellige Summe in Aussicht gestellt.
2. dass 2009 Bauer mit einer erfolgreichen Printeinführung überrascht?
Wetten, dass nicht? Springer-Vorstand Andreas Wiele war es, der im Januar prophezeite, auch in diesem, dem Krisenjahr 2009, werde es ein oder zwei überraschende, erfolgreiche Print-Neueinführungen geben. Kurz darauf wurde Bauer-Anzeigenchef Günter Sell gefragt, ob eine davon aus seinem Hause kommen könnte. Sell antwortete: Selbstverständlich könne er das nicht ausschließen, denn: „Die guten Journalisten arbeiten in der Tat bei uns." An der Kreativität, sagte Sell mit gereckter Brust, werde bei Bauer nicht gespart. Lachen ging durch die Reihen der Zuhörer. Kreativität kennt man bei Bauer vor allem beim Kampf um die Kostenführerschaft. Sie ist das Ziel, sagte Geschäftsführer Andreas Schoo kürzlich.
Was stimmt: Die jüngste Hefteinführung aus dem Hause Bauer „Meine Stars hautnah! – Die Volksmusik- und Schlagerillustrierte" ist weder überraschend noch Ausdruck journalistischer Kreativität. Ebenso stimmt, dass Thomas „Doc" Schneider, einer, der das Blattmacher-Gen in sich trägt und 2005 als journalistischer Geschäftsleiter zu Bauer geholt worden war, zu Jahresbeginn das Haus verlassen hat. Eine Entwicklungsredaktion gibt es nicht mehr. Es stimmt zudem, dass das dynastische Denken von Heinz Bauer Nicht-Familienmitgliedern wenig Raum lässt. Die oberen Posten bei Bauer bleiben wohl auch in der nächsten Generation in der Familie: Dort laufen sich Mirja Bauer auf kaufmännischem Gebiet, Yvonne auf Vertriebsebene, Nicola in den Redaktionen und Saskia Bauer im Ausland warm.
3. dass die Jugendzeitschrift „Spießer" Redaktion und Anzeigen strikt trennt?
Das Gegenteil wird immer wieder behauptet, und die ostdeutsche und seit Herbst 2008 bundesweit vertriebene Jugendzeitschrift hat sich gegen solche Unterstellungen stets verwahrt. In den eigens verfassten „redaktionellen Leitlinien" heißt es über Kooperationen und Werbung, der „Spießer" sei sich „seiner Verantwortung gegenüber der teilweise nicht mündigen Zielgruppe bewusst." Und weiter: „Anzeigen und Advertorials werden vom redaktionellen Teil erkennbar getrennt." Schaute man jedoch zuletzt im Internet, wer als Mitglied der Ressorts aufgelistet ist, staunte man über die gute redaktionelle Besetzung – und saß damit einem falschen Eindruck auf. Tatsächlich wurden unter den vielen Mitgliedern der Ressorts jede Menge (und als solche nicht gekennzeichnete) Anzeigenverkäufer aufgelistet – ganz so, als seien die Verkäufer Journalisten. So viel zur strikten Trennung von Redaktion und Anzeigen. Auf unsere Nachfrage reagierte „Spießer"-Chef Frank Haring, Gründer und Geschäftsführer der Verlags-GmbH, fix. Über Nacht ließ er die Namen auf der Website um ihre wahre Funktionsbezeichnung ergänzen und die „Ressorts" in „Teams" umbenennen. Tags drauf ließ er ausrichten: Kein Redakteur beim „Spießer" akquiriere Anzeigen, und Artikel würden nicht von Mediaberatern geschrieben.
4. dass die ARD erst mit ihrer Pressemitteilung Berichte über Monica Lierhaus provozierte, noch dazu ohne Einverständnis der Familie?
Ob der demente Walter Jens goutiert, dass jeder, der das Buch seines Sohnes Tilmann liest, über Details seiner Krankheit Bescheid weiß, wird sich nie herausstellen. Wie es Monica Lierhaus damit geht, wird man erst wissen, wenn sie genesen sein wird. Am 14. Januar teilte die ARD mit, die Sportmoderatorin sei ernsthaft erkrankt, habe sich operieren lassen müssen und liege im künstlichen Koma. Programmchef Volker Herres appellierte zudem an die Medien, ihre Privatsphäre zu respektieren und nicht zu recherchieren. Das war zwei Tage vor dem ersten Spiel der Bundesliga-Rückrunde, HSV gegen Bayern. Lierhaus‘ Abwesenheit wäre aufgefallen – zumal Journalisten eines Boulevardblatts bereits an der Geschichte dran waren. Nur deshalb preschte die ARD vor. Tatsächlich hat die TV-Anstalt ohne Einverständnis der Familie die Pressemitteilung verschickt, doch dagegen vorgegangen ist die Familie nicht. Anders lautende Gerüchte sind falsch. Obgleich Lierhaus-Anwalt Matthias Prinz kurz nach der ARD-Mitteilung per Mahnschreiben an Redaktionen weitere Berichte zu unterbinden versuchte, wurde auch die Diagnose bekannt und ausführlich beschrieben. Das verstößt gegen Gesetz und Pressekodex. Dort heißt es: „Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen." Nun mag Lierhaus keine Person der Zeitgeschichte sein, die Neugier bei einer so öffentlichen Person und Fragen nach Ursache und Behandlung der weitgehend unbekannten Krankheit sind jedoch verständlich und nicht zwingend heuchlerisch – rein juri
stisch aber nicht statthaft. Bis auf einige einstweilige Verfügungen gab es gegen die (meist taktvollen) Berichte keine juristischen Maßnahmen. Mag stimmen, dass nicht alles, was verboten ist, erlaubt ist. Es wird aber auch nicht alles verboten, was nicht erlaubt ist.
Erschienen in Ausgabe 03/2009 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 14 bis 15 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.