Was Klusmann plant

Nach schmerzhaften Entlassungen firmieren Capital, Börse Online, Impulse und FTD als neue Wirtschaftspresse von Gruner + Jahr seit Anfang März unter einem Dach in Hamburg. Die spannende Frage: Können weniger Redakteure in Zukunft die gleiche Qualität liefern?

An einem regnerischen Abend Ende Februar trafen auf einer Hamburger Kegelbahn die Journalisten zum ersten Mal aufeinander, die seit Anfang März Deutschlands gewagtestes Medienprojekt stemmen müssen: Die Chefredakteure und Ressortleiter von „Capital", „Impulse", „Börse Online" und der FTD. Gemeinsam bilden die Mannschaften der vier Titel die neue Gruner+ Jahr – Wirtschaftspresse: Ein Konglomerat aus neu zusammengesetzten drei Magazinen und einer Wirtschaftszeitung.

110 Mitarbeitern hat Gruner + Jahr in den vergangenen Wochen eine Kündigung geschickt. Sie konnten sich auf die rund 70 Stellen bewerben, die in Hamburg und Frankfurt durch den Umzug entstehen. Tatsächlich geschafft oder gewollt haben diesen Schritt wohl aber viel weniger, die Rede ist von um die 30. Die Konditionen haben sich angeblich für langjährige Mitarbeiter nicht gerade verbessert. Und neben dem Frust über den Jobverlust herrscht bei den Kölnern und Münchnern immer noch Unverständnis über die Zusammenlegung der Titel.

An der Spitze des neuen Medien-Konglomerats steht ein Mann, den das Medium Magazin kürzlich zum „Chefredakteur des Jahres" gewählt hat (s. a. Seite 74 f.). Steffen Klusmann (42) muss als Super-Boss das journalistische Profil der vier Titel schärfen und gleichzeitig als Chef von „FTD" und „Capital" wirken. Sein Wunschprofil der Titel beschreibt Steffen Klusmann „mediummagazin" so:

* „Capital": „… ist als Wirtschaftsmagazin die monatliche Stimme des Kapitalmarktes mit gut recherchierten Unternehmens-, Politik- und Wirtschaftsgeschichten, die hinter die Kulissen blicken, ergänzt durch einen soliden Anlageteil für Leser, die ein bisschen Geld übrig haben, um es für sich arbeiten zu lassen."

* „Impulse": „… ist ein Magazin für Unternehmer und Selbstständige, die auf eigene Rechnung und eigenes Risiko an den Märkten unterwegs sind, mit einer guten Portion Nutzwert, Case-Studys, To-do- und Best-Practice-Geschichten."

* „Börse Online": „… ist ein reinrassiges Geldanlagemagazin."

* FTD: „… bleibt, was sie ist: Eine intelligente Wirtschaftszeitung"

Klusmann hat ein durchlässiges Redaktions-System entworfen, in dem es so viele unterschiedliche Teams wie Geschichten geben kann. Die Mittelstandsredakteure der „FTD" schreiben mit dem Magazinkollegen für „Impulse", der „Capital"-Redakteur verbreitet das Ergebnis seiner investigativen Recherche knapp in der FTD und detailliert in seinem Magazin. Und alle zusammen arbeiten in kleinen, mobilen Teams, die sich wie eine Task Force auf die relevanten Themen setzen sollen.

Diese Art des crossmedialen Denkens ist in der Medienlandschaft bislang einzigartig und darum fällt es auch so schwer, den verlockend klingenden Sätzen des Schnellsprechers Klusmann berechtigte Zweifel entgegenzusetzen. Werden die Titel trotzdem ihr jeweiliges Profil behalten?.Muss jeder alles können? Wie stimmen sich die Redakteure und Autoren der verschiedenen Titel untereinander ab?

„Es gibt weiterhin die FTD-Konferenzen, zu denen auch in Zukunft jeder eingeladen ist", sagt Klusmann. „Eine gemeinsame Konferenz mit allen Kollegen der Wirtschaftspresse wäre unsinnig." Stattdessen sollten die Chefredakteure der einzelnen Titel in Themenkonferenzen künftig gezielt Leute ansprechen, die sie für geeignet halten. Der Rest müsse „zwischen Tür und Angel" passieren. „So wie wir das schon immer erfolgreich machen." jbr/ami

Info: „medium magazin" wird die Entwicklung der neuen Gruner+Jahr-Wirtschaftspresse kontinuierlich verfolgen. In jeder neuen Ausgabe des Jahres 2009 werden wir Chefredakteur Steffen Klusmann einige Fragen zur journalistischen und wirtschaftlichen Entwicklung seiner Blätter stellen und seine Antworten an dieser Stelle veröffentlichen.

Die WAZ-Gruppe will von den rund 900 Redakteursstellen bei der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", der „Westfalenpost", der „Westfälischen Rundschau" und der „Neuen Ruhr-Zeitung" etwa 330 Redakteursstellen streichen. Das sind gut 40 Stellen mehr, als der Verlag bisher kommuniziert hatte. Dafür sollen nahezu alle Lokalredaktionen zusammengelegt, mehrere Büros geschlossen und die Produktion zentralisiert werden. Aus dem Verlag war bis zum Redaktionsschluss zu erfahren, dass definitiv die Lokalredaktionen der „Westfalenpost" in Soest und Werl geschlossen werden. Dort wird die WAZ-Gruppe überhaupt nicht mehr mit eigenen Redaktionen vertreten sein. Der Verlag weist auf „Millionenverluste" hin, die diese Einheiten eingefahren hätten. Die „Westfalenpost" wird sich zudem aus Siegen und Wetter zurückziehen. Dort bekommen die Leser den Lokalteil der „Westfälischen Rundschau" beigelegt. Genau andersrum wird es in Meschede sein, wo die „Westfälische Rundschau" künftig die Lokalseiten aus der „Westfalenpost" übernimmt. Andere Standortschließungen dürften folgen: In der Essener Konzernzentrale heißt es, die Dinge seien „noch im Fluss".

Zurzeit ist die WAZ in NRW noch in 90 Gemeinden mit eigenen Büros vertreten, teilweise mit mehreren für die unterschiedlichen Titel. An den vielen Standorten, die nicht gänzlich geschlossen werden, soll nur das jeweils stärkste Büro offen bleiben, das – ähnlich einem externen Dienstleister – die anderen Titel mit Texten und Bildern versorgen soll. Die Titel sollen autonom über die Gewichtung und Aufmachung der Themen entscheiden und gegebenenfalls mit eigenen recherchen und Kommentaren anreichern können. Im Verlag heißt es, definitiv würden nach diesem Modell die Lokalteile der NRZ in Essen, Duisburg, Oberhausen und Mülheim künftig von den Kollegen der WAZ beliefert.

Und während bisher die Lokalredaktionen ihre Seiten selbst produzieren, werden das künftig zentrale Regional-Desks übernehmen. Redakteure in der Fläche werden dann nur noch die Seiten mit Inhalt füllen, nicht aber wie bisher auch noch als Layouter fungieren müssen. Insgesamt will die WAZ 32 Millionen Euro sparen. Die vier Titel müssen dafür seit Januar auch auf die Text- und Bilderdienste der dpa verzichten. Die Betriebsräte der betroffenen vier Titel warnte jedoch vor dem Verlust der journalistischen Vielfalt in Nordrhein-Westfalen, wenn mehrere Zeitungen aus einem Standort von einer einzelnen statt wie bisher unterschiedlichen Redaktionen beliefert würden. Die WAZ wird auch die Produktion der Mantelseiten ihrer NRW-Titel zentralisieren: Ein mit 83 Redakteuren bestückter sogenannter Content-Desk wird den vier Titel-Desks als Dienstleister auf Bestellung Texte und ganze Seiten liefern. WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz, der auch Mitglied der Geschäftsführung ist, hat bereits laut darüber nachgedacht, die Mantelseiten auch Dritten verkaufen zu wollen. Daniel Bouhs

Erschienen in Ausgabe 03/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 8 bis 8. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.