Diagnose

Die mediale Babyklappe

Man kann den deutschen Verlagen nicht vorwerfen, dass sie zu wenig Zeitschriften gründen. Ja, in den vergangenen Jahren waren sie regelrecht aktionistisch – das Problem ist, dass sie nach der Gründung wenig bis keine Ideen haben, wie es denn weitergehen könnte mit ihren Babys. Ja, sie alles daran setzen, ihre neuen Titel so schnell wie möglich zugrunde zu richten.

So wurde der journalistische Anspruch, der das Mutterblatt in den USA auszeichnet, bei der deutschen Ausgabe von „Vanity Fair" von Anfang entgegen allen Sonntagsreden nicht nur nicht verfolgt, sondern durch einen Schmusekurs mit den Anzeigenkunden konterkariert. In der deutschen „VF" sollte nichts und niemandem wehgetan werden – außer der eigenen Redaktion, die zu einer Seichtigkeit gedrängt wurde, die selbst in „Bunte" und „Gala" ihresgleichen suchte. Als man den Chefredakteur Ulf Poschardt absetzte, der sein Blattmachergespür mit dem Eintritt in den Condé-Nast-Verlag abgelegt zu haben schien, ließ man mit Nikolaus Albrecht einen Frauenmagazin-Spezialisten folgen, der wenig Kompetenz besaß, das „VF"-Ruder herumzureißen. Mit welcher Chuzpe Condé Nast aber weiterhin nach außen behauptete, man halte an dem hohen Qualitätsanspruch fest, zeugt bestenfalls von Wahrnehmungsstörungen.

Bei „Park Avenue" – gleichwohl auf einem höheren Niveau – war es nicht viel anders. Dort unterstellte man die Redaktion von Anfang an einem Journalisten, der in Sachen investigativen Journalismus‘ genauso wenig aufgefallen war wie im Metier des Blattmachens. Ein paar launige Gesellschaftskolumnen hatten für Alexander von Schönburg gereicht, um den Chefposten zu bekommen. Vielleicht hat man gedacht: Wenn Bernd Kundrun G+J führen kann, wird Schönburg die „Park Avenue" schon schaffen. Beides war falsch gedacht. Als es schon zu spät war, ließ man das Blatt von einem der beiden „Stern"-Chefs mitmachen – angesichts der großen Sprüche zum Start von „Park Avenue"war das so, als bäte man Jürgen Klinsmann, die TSG Hoffenheim noch mitzutrainieren. Diese Art der Multichefredaktion kannte man bisher nur aus dem Bauer Verlag, der ja in der Tat viele Titel im Portfolio hat, die man nebenbei füllen kann.

Beim Springer-Verlag wiederum gönnte man sich mit dem „Humanglobalen Zufall" einen Titel, der grafisch und fotografisch tatsächlich endlich mal modern war – aber auch hier überließ man die Chefredaktion einem Journalisten, der sich noch im absoluten Lernstadium befand. Das habe zum Konzept gehört, ließ Springer wissen, und man fragt sich, was denn das für ein Konzept war: Zu beweisen, dass man selbst zum Chefredakteur keine besondere Ausbildung benötigt. Auch das ist gescheitert. Denn dem „Humanglobalen Zufall" mangelte es zuvorderst an der Qualität der Texte – es war, als hätte man einen Aldiwein in der Champagnerflasche krendenzt bekommen. So dumm aber sind die Leser nicht.

Was soll das alles? Zeitschriften für viel Geld zu gründen, um sie dann von überforderten Journalisten an die Wand fahren zu lassen. Die deutsche Verlagslandschaft der letzten Jahre machte den Eindruck einer Schiffswerft, die schöne Schiffe vom Stapel lässt, um sie anschließend von einer Handvoll Leichtmatrosen versenken zu lassen.

Und jetzt? Jetzt gibt es erst einmal ein Kochmagazin für Männer aus dem Hause Gruner + Jahr – als Ergebnis des hausinternen Ideenwettbewerbs „Grüne Wiese" (den externen gewann ein Studentenkonzept für ein Karriereportal). Ein Kochmagazin also, obwohl mittlerweile selbst ein Überzeugungstäter wie der TV-Koch Tim Mälzer in Interviews einräumt, dass man es mit dem Kochen im medialen Raum übertrieben habe, und der Hype vorbei sei. Ist es denn wirklich zu viel verlangt, von Verlagen zu erwarten, dass sie gesellschaftliche Trends eher antizipieren als ihnen gnadenlos hinterherzulaufen. Die ersten Statements zum Magazin „Beef" (auch nicht sehr originell, heißt doch die Zeitschrift des ADC schon genauso) hören sich denn auch so an, als würde einmal mehr konsequent an den gesellschaftlichen Realitäten vorbeigeplant. Denn bei Gruner + Jahr mag man immer noch nicht einsehen, dass es oft wenig Sinn macht, in Leser und Leserinnen einzuteilen, sondern einfach Leser zu sehen, die gute, relevante Themen wollen. Stattdessen erklärt der designierte Projektleiter der Kochnummer: „Für eine Frau muss ein Nudelrezept einfach sein und ein Messer schneiden. Ein Mann interessiert sich dafür, wo die Nudel herkommt. Das Messer muss in Japan handgefertigt sein und darf auch viel Geld kosten. Er interessiert sich für die Geschichte hinter dem Rezept." Die Geschichte hinter dem Rezept, soso.

Die Geschichte hinter so einem Magazin-Rezept? Keine Ahnung. Aber vielleicht gibt es nach „Dogs", dem Hunde-magazin, das den letzten G+J-Ideenwettbewerb gewann und „Beef" bald ein Heft voller Hunderezepte. Für den chinesischen Markt könnte das was sein.

Erschienen in Ausgabe 04+05/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 80 bis 80. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.