Sprechernotizen

Exodus beim Finanzminister

Die Bundestagswahlen werfen ihre Schatten voraus. Die große Koalition prügelt schon jetzt in einer Weise aufeinander ein, dass man sich fragt, wie das noch so weitergehen soll und wie denn, bitte schön, das Land regiert werden soll die nächsten Monate. Und das angesichts eines nicht wirklich geringen Problems in der Wirtschaft. Wie dem auch sei: Offenbar rechnen schon jetzt vor allem die Recken um den zuletzt arg großmäuligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mit schlechten Ergebnissen für die SPD. Die Flucht der Top-Kräfte in der zweiten Reihe hat bereits eingesetzt. Nach Staatssekretär Axel Nawrath, der sich in den Vorstand der KfW rettet, hat nun auch Steinbrücks Sprecher Torsten Albig einen prima Weg gefunden, für die Zukunft vorzusorgen. Er wird neuer Oberbürgermeister von Kiel. Dort wohnt er privat, dort war er auch schon mal politisch aktiv. Und dort hat er vor Kurzem seine Widersacherin von der CDU im ersten Wahlgang vom Thron gestoßen – zwar bei nur 35 Prozent Wahlbeteiligung, aber was soll’s. Gewonnen ist gewonnen. Nachfolger von Albig wird übrigens ein Veteran: Der 64-jährige Martin Schmuck, zuletzt Studioleiter des ZDF in NRW, der früheren Wirkungsstätte von „Kompetenz-Peer" (s. a. S. 66). Das Alter des Neuen sieht ebenfalls arg danach aus, dass man nicht wirklich mit einem Wahlerfolg rechnet.

Je größer die Zahl …

Der Schrecken war groß: 20 bis 30 Milliarden, so das Verbraucherministerium vollmundig in Richtung Medien, betrage der jährliche Schaden, der durch schlechte Finanzberatung entstehe. Mein lieber Mann, musste der geneigte Journalist denken, jeder Bundesbürger wird also vom Baby bis zum Greis jährlich um dreihundert bis fast vierhundert Euro betuppt. Ein scharfer Wind von Skandal blies (wieder einmal) durch die Ritzen der Redaktionstüren. Wer dann recherchierte – aber wer macht das noch, wenn die Frau Ministerin, Ilse Aigner, mit dunkler Miene die Zahl verkündet – musste schnell feststellen: Alles gar nicht so heiß. Die Zahl stammte aus einer Pressemitteilung der Universität Witten/Herdecke, doch – so erzählte ein Kollege – der Verfasser habe auf Nachfrage kleinlaut eingeräumt, es handle sich um eine private Schätzung. Er wäre aber sehr interessiert, mal eine richtige Studie zum Thema zu machen, wenn sich Auftraggeber fänden. Vielleicht könnte Frau Ministerin ja helfen. Dann gäbe es möglicherweise eine Chance auf richtige Zahlen. Das könnte dann auch dem Budget der finanziell arg gebeutelten PrivatuniversitätWitten/Herdecke gut tun.

Da isser wieder

Dr. Who ist beruhigt: Peter Dietlmaier, bekannt geworden als vielfacher Multi-Kurzzeit-Kommunikationschef bedeutender Unternehmen, führten wir nach seinem Ausscheiden bei der Swiss Re bereits auf der Liste der vermissten Kommunikationsleute. Jetzt ist er wieder aufgetaucht, in der Selbstständigkeit: Bei einer Agentur namens C 4 Consulting berät er Unternehmen und Organisationen. Erste Kunden hat er auch schon. Für Klauspeter Müller, früher CEO der Commerzbank, macht er PR in dessen Funktion als Chef der Corporate Governance Kommission. Da hilft es, dass Dietlmaier auch schon mal bei der Commerzbank war. An anderer Stelle versucht er, dem Minderheitseigentümer der vielgeschmähten Hypo Real Estate, Christopher Flowers, bei dessen Kampf gegen die Verstaatlichung zu helfen – mit wenig Erfolg, wie zu erkennen ist. Flowers ist gut bekannt mit Allianz-Finanzvorstand Paul Achleitner. Der war auch schon mal Chef von Dietlmaier, bei Goldman Sachs und Allianz. Die Klientenliste von C4 zeigt übrigens viele Übereinstimmungen mit früheren Stationen von Dietlmaier. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

Immer Ärger mit Dr. Z.

Eine gewisse Vollmundigkeit konnte man Dieter Schweer nie absprechen. Der frühere Kommunikationsvorstand von T-Systems, gut abgefundene Kurzzeit-Kommunikationschef der Hypo Vereinsbank und heutige geschäftsführende Gesellschafter der Agentur „schweer. executive communication solution" mit Berliner Adresse im Haus der Bundespressekonferenz, bezeichnet sich gern als Nr. 1 der Litigation PR. Was das ist? Ganz einfach: Man macht PR für Leute, die ein Problem mit der Justiz haben. Englisch klingt es halt spannender. So was liebt ja unsere Branche. Besonders stolz verkündete Schweer einst, er berate Klaus Zumwinkel, den tief gefallenen Chef der Deutschen Post. Aber irgendwie hat die verdammt gute Nr. 1 bei der Beratung von Dr. Z. gepatzt. Soeben verurteilt aus dem Gerichtsaal entlassen, erklärte Zumwinkel in mehreren Interviews nahezu das Gegenteil von dem, was er nur kurz zuvor im Gerichtsaal gesagt hatte: Und dann wurde bekannt, dass Dr. Zumwinkel sich Altersansprüche von 20 Mio Euro von der Post habe auszahlen lassen. O-Ton Zumwinkel (via dpa und Reuters): „Das machen doch alle so." Stimmt erstens nicht und ändert zweitens nichts am Unverständnis über das aus PR-Sicht lausige Timing. Die Quittung, z. B. in der „Bild am Sonntag": „Vor Gericht zeigte sich Zumwinkel einsichtig:, Ich bereue mein Fehlverhalten und werde die strafrechtlichen Folgen mit Einsicht tragen.‘ Dieses Reuebekenntnis klingt jetzt wie blanker Hohn, wie reine Berechnung." Da muss die selbst ernannte Nr. 1 der Litigation PR wohl noch ein wenig üben. Das kann er reichlich, denn gegen Zumwinkel wird auch noch wegen der Schnüffel-Affäre bei der Telekom ermittelt, wo er Aufsichtsrats-Chef war.

Henry Maske für Anfänger …

Diese Geschichte schlug Wellen in der PR-Branche: Vor gut zwei Jahren schrieb das „Manager Magazin", der freie Journalismus sei gefährdet. Heerscharen von PR-Leuten stünden einem immer kleineren Häuflein aufrechter Kämpfer für Demokratie und Rechte gegenüber und nutzten die Schwäche der Medien für ihre sinistren Zwecke aus. Schlimmer noch: Mit allen Wassern gewaschene Spin Doctors bewegten ganze Presselandschaften und schüfen eine verzerrte Wahrnehmung. Lediglich das „Manager Magazin" als Hort von Wahrheit und Aufrichtigkeit verteidige das Institut der Pressefreiheit – so kam es jedenfalls rüber. Nun, so weit die Legende. Die Top-Leute der PR wissen, dass dies schlichtweg Blödsinn war. Zum selbst ernannten Anspruch passt nicht wirklich, was dieser Tage bekannt wurde. Managern und solchen, die es sein wollen, flatterte da eine Einladung des „Manager Magazin"– auf den Tisch. Inhalt: Vier Tage Executive Weekend auf Mallorca. Wow! Dazu lockt Chefredakteur Arno Balzer im Einladungstext: „… Belastbarkeit sowie Durchsetzungsvermögen sind Grundvoraussetzungen für anerkannt gutes Arbeiten …" und bittet zum Camp mit Profi-Boxern aus dem Universum-Boxstall. Damit es auch schön wird, ist die Firma Robinson Mitveranstalter (mal sehen, wie das „mm" bei der nächsten Geschichte über die Tourismus-Industrie damit umgeht.) Die Einladung verweist auf Annehmlichkeiten wie großen Pool, Wellness-Angebote, Bars und Night Club. Merke: Wer – zu Recht – gegen opulente Pressereisen z. B. der Autoindustrie wettert, der sollte dann nicht auch potenziellen Kunden Reisen mit der Presse anbieten. Wie war das noch mit dem Gschmäckle, wenn Presse und Industrie eng kungeln? Aber keine Sorge: Man haut sich ja beim Box-Wochenende aufs Maul – vielleicht steht das „Manager Magazin" auf der einen und die CEOs auf der anderen Seite. Dann geht´s ja politisch korrekt wieder …

Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. E-Mail: autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 04+05/2009 in der Rubrik „PR“ auf Seite 64 bis 65. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.