Berliner Anarchisten

Titelseite

(1) + Anriss über dem Kopf: Gut formuliert, gut visualisiert: „Kurzer Test: Leben ohne Handy. Was passiert, wenn die Mobiltelefone ausfallen.“ So macht man Leser neugierig.

(2) + Zeitungskopf: Es war ursprünglich eine Schreibmaschinenschrift, die klar machen sollte, dass hier alternative Inhalte folgten. Seit Gründung vor 30 Jahren wurde der Schriftzug mehrfach überarbeitet. Die aktuelle Form ist negativ rot und ist nun am Kiosk deutlicher sichtbar.

(3) – Runde Fotos: Zuletzt waren sie in den sechziger Jahren bei Boulevardzeitungen „in“. Die „TAZ“ ist avantgardistisch, denn mit der Neugestaltung kommen die runden Bilder wieder. In Spanien und Rumänien sowie in Kroatien (24sata) sah man sie schon im vorigen Jahr. Kein gutes Zeichen, wenn eine alternative Zeitung so sehr dem Mainstream folgt.

(4) + Inhalt: Die Inhaltsangabe ist kurz und präzise. Saubere Lösung.

(5) + Aufmacher-Bild: Das wird man in Zukunft bei vielen Tageszeitungen sehen: Bild mit Überschrift und Anriss als Aufmacher. Plakativ am Kiosk.

(6) – Bildtext: Er wird im Foto versteckt. Besser: Bildtext immer unter das Bild. Dort sucht ihn der Leser.

(7) + Grundschrift: Die Grundschrift wird angenehm groß eingesetzt.

Innenseite

(1) – Seitentitel: „TAZ Zwei“ ist keine wirklich treffende Inhaltsangabe. Immerhin ist die Seitenzahl groß genug.

(2) + – Headline: „Exkommuniziert“ für das Thema Netzausfall ist sicher eine treffende Formulierung. Die Überschriftentype Tazzer wirkt sehr kühl und bürokratisch. In skandinavischen Zeitungen wird diese Schrift viel größer und damit dynamischer und moderner eingesetzt.

(3) + Bildtext: Er ist gut lesbar und in diesem Fall spielerisch: „muss dem schef wieder akten hinterhertragen. miss U.“ Liebevoll gemacht, einschließlich der Rechtschreibung.

(4) – Zwischenzeile: Sie ist sehr groß und auffallend. Der Text würde besser aufgelockert, wenn sie in der Mitte der zweiten Spalte des Artikels platziert worden wäre.

(5) – Artikel-Beginn: Während die Branche begriffen hat, dass Bilder nicht links oben im Artikel stehen dürfen, weil der Leser den Beginn des Artikels dann nicht findet, macht die „TAZ“ genau diesen Fehler immer wieder. Und das schon seit Jahren. Berliner Anarchisten.

(6) + – Zitate: Sie sind nett gestaltet und sollten weiter oben stehen, weil sie da stärker wahrgenommen werden.

(7) – Schmalsatz: Vorbildlich ist der Schmalsatz links und rechts vom Bild. Da kann man im Volokurs sagen: Sehen Sie, da reißen die Wortzwischenräume auf, ist nicht gut lesbar.

Eindruck

„Die Tageszeitung“ hat eine Auflage von 56.076 Exemplaren (IVW 1/09). Allein 8.343 Abonnenten sind in Berlin. Hier gibt gibt es einen eigenen Lokalteil, der im Bundesgebiet nicht mitläuft.

Die „TAZ“ pflegt ein alternativ-grün-linkes Image und hat deshalb z.B. am Donnerstag, 23. April 2009 nur ca. eine halbe Seite Anzeigen.

Die „TAZ“ ist berühmt für ihre Überschriften: „SPD deutlich über 5 Prozent“ war z.B. eine Headline bei Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus.

Bei der aktuellen Neugestaltung wurde die Titelseite vierfarbig, innen blieb es allerdings beim eher bildarmen Schwarzweiß-Layout. Die „TAZ“ wirkt gestal-terisch insgesamt etwas bürokratisch, trocken. Entschädigt wird man aber durch kreative Überschriften.

Erschienen in Ausgabe 06/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 57 bis 57. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.