Lachen Sie mal!

Die Deutschen sind ein Volk von paranoiden Schizophrenikern, die sich nicht entscheiden können, ob sie sich lieben oder hassen sollen. Meint jedenfalls Roger Boyes, Deutschlandkorrespondent der „Times“, der mit seinem Buch „My Dear Krauts“ versucht, uns britische Humor-Nachhilfe zu geben. Ist es denn so schlimm um unseren Humor bestellt? Kommt bei uns der Humor wirklich zu kurz?

Wir gelten zwar als Land der Dichter und Denker, doch Weltruf genießt unser Humor nun leider nicht. Dabei lachen wir so gern, wir Deutschen. Überall, wo Menschen zusammenkommen, stehen, reden – lachen sie. Das weiß ich aus über drei Jahrzehnten Büroalltag. Zugegeben, ich habe immer in Werbe- und Media-Agenturen gearbeitet. Keine Ahnung, wie es in der Bundesagentur für Arbeit, auf dem Finanzamt oder in der Redaktion des „Rheinischen Merkur“ zugeht. Aber ich lasse mich nicht davon abbringen: Die Deutschen haben Humor!

Wenn meine These stimmt, dann müsste man ja in den Medien Zeugnis des deutschen Humors finden. Vielleicht nicht gerade freitagabends im Privatfernsehen. Die nennen das, was da ausgestrahlt wird, ja auch Comedy. Es fällt etwas schwer, darüber zu lachen, also ist es wahrscheinlich kein Humor. Ist dann Stefan Raab Humor? Nicht ganz, Raab gehört wohl eher in die Kategorie kreativ-witzig, zumindest gelegentlich. Und Harald Schmidt? Nein, auch kein Humor. Das ist Kabarett, Satire, Sarkasmus, Zynismus. Hmm… also kein Humor im deutschen Fernsehen?

Dann werden wir aber gewiss fündig in der (noch) unendlichen Vielfalt der deutschen Presse-Landschaft. Ich würde jetzt die Suche nicht gerade in der „FAZ“ beginnen. Der „FAZ“ sei jedoch bei der Gelegenheit gesagt, dass bissige Häme (wie kürzlich beim neuerlichen Verriss von Sabine Christiansens ntv-Talkshow!) Humor nicht ersetzt. Dafür hat die „Welt“ Hans Zippert als Kolumnisten, über den ich mich täglich köstlich amüsiere. Endlich! Der erste Nachweis deutschen Humors in unserer drögen Medienlandschaft.

Suchen wir weiter. Machen aber besser einen Bogen um die Wirtschaftspresse. Die hat ja wahrlich nichts zu lachen. Der „Stern“ dagegen widmet dem Humor wöchentlich sogar vier Seiten, satte zwei Prozent seines Umfangs. Beeindruckend, wenn auch manchmal etwas gequält. Humor ist, wenn man trotzdem lacht?

Und „Bunte“? Fehlanzeige. Logisch, denn worüber sie berichtet, ist nun wirklich sehr ernst. Oder sollte ich die „Bunte“ ewig missverstanden haben – und sie sieht, worüber sie so schreibt, in Wirklichkeit alles satirisch?

Dann bekam ich neullich als Titeltester für „w&v“ die erste Ausgabe von G+J´s „Nido“ in die Hände. Nein, das ist kein Blatt für (Ni)ederdeutsch-(Do)lmetscher, sondern ein „Lebensgefühl-Magazin für junge Eltern“. Chefredakteur Timm Klotzek ließ dazu bereits im November 2008 in „Horizont“ vermelden: „He- rausforderung wird nun sein, die Resonanz im Werbemarkt … zu testen“. Seltsam, ich dachte immer, Chefredakteure wollten die Resonanz im Lesermarkt testen. Wie auch immer, ich schweife, glaube ich, gerade vom Thema ab. Oder etwa doch nicht …

In „Nido“, da war ich mir sicher, finde ich Humor ohne Ende. Denn wenn eine Zielgruppe dringend Ablenkung braucht, dann Eltern kleiner Kinder. So verspricht es ja auch die Nido-Homepage, denn: „… das muss ja nicht bedeuten, dass wir unseren ursprünglichen Humor … gänzlich aufgeben“. Also begab ich mich hoffnungsfroh auf die Suche. Und wurde bitter enttäuscht. Kein Funke von Humor. Bis auf die Empfehlung an die werdende Mutter: Wenn es der Göttergatte an Begierde vermissen lässt, lade einfach einen Ex-Freund zum Essen ein, um wieder Leben in die eigene Beziehung zu bringen. Darüber habe ich mich schlapp gelacht. Oder war das jetzt die falsche Stelle? Passiert mir manchmal …

Warum ich hier für mehr Humor im deutschen Blätterwald plädiere? Nicht weil es mir um gute Laune um ihrer selbst willen geht. Nicht, weil Mediaagenturen lieber fröhliche Umfelder für ihre Kampagnen suchen. Sondern weil es zu einem guten Blatt-Mix gehört. Heute mehr denn je. Weil die Leser sich abwenden, wenn ihnen nur noch Nachdenkliches und der gewohnte Schwall aus Bad News entgegenprasselt. Und weil intelligente Ironie eine viel größere Herausforderung ist. Bevor auch das unwiederbringlich ins Internet abwandert, sollten wir uns vor lauter Krise den Humor nicht gänzlich abgewöhnen. Höre ich jemanden lachen?

Erschienen in Ausgabe 06/2009 in der Rubrik „Standpunkt“ auf Seite 43 bis 43 Autor/en: Thomas Koch. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.