Medienköpfe & Karrieren

Kölsche Lösung: Es war eine Überraschung – auch für die Betroffenen: Peter Pauls, acht Jahre lang rechte und linke Hand des Verleger-Patriarchen Alfred Neven DuMont und trotzdem (oder gerade deswegen) ein eigener Kopf, erfuhr wie die Redaktion selbst erst kurz vorher, dass er am 1. Mai den „Kölner Stadt-Anzeiger“ als Chefredakteur übernehmen solle. Der bisherige Chef, Franz Sommerfeld (s. a. Fragebogen S. 66) ist zeitgleich in den Vorstand berufen worden, auf einen neu geschaffenen Posten mit der Aufgabe, sich um die Koordination und Integration der neuen (Berliner Verlag) und alten („KstA“, „Mitteldeutsche Zeitung“, „FR“) Titel zu kümmern. Pauls, gerade am 15. Mai 55 Jahre geworden, ist quasi ein Hausgewächs und kennt den Kölner Verlag aus allen möglichen Perspektiven: als Volontär („KstA“ 77-79), Lokal-, Politik-, Nachrichten- und VizeChef-Redakteur, als Korrespondent (Südafrika, ´95-98) und als kommissarischer Chefredakteur der „Mitteldeutschen Zeitung“ (´05). Auch als Beauftragter des Herausgeber, wie sein Titel seit ´02 lautete, sei er „immer Journalist geblieben“. Jetzt kann er zeigen, was er darunter als Redaktionsverantwortlicher des Kölner Flagschiffs der Gruppe versteht.

Die Erbfolge erreicht die vierte Generation: Verleger-Sohn Sebastian Ganske (33) übernimmt in der Ganske-Verlagsgruppe die Leitung der elektronischen Medien im Jahreszeiten-Verlag (Jalag), zu dem Zeitschriften wie „Für Sie“, „Der Feinschmecker“ und „Merian“ gehören. Sein Vater Thomas Ganske (61) leitet als Vorstandsvorsitzender die Holding des mehr als 100 Jahre alten Verlags. Der Ganske-Sohn machte eine Ausbildung zum Verlagskaufmann, studierte Betriebswirtschaft und sammelte Erfahrungen in verschiedenen Medienunternehmen im In- und Ausland, zuletzt beim Bauer Verlag in den USA. Sein Eintritt ins Unternehmen geschieht zu einem Zeitpunkt, in dem der Jalag ernsthaften Probleme mit seinen Fotografen gegenübersteht. Weil – nach eigenen Angaben – die Wirtschaftskrise auch an ihm mit einem Anzeigenminus von rund sechs Prozent nicht spurlos vorbeigegangen ist, will der Verlag seine Fotografen zum Abschluss eines neuartigen Rahmenvertrags überreden. Der sieht vor, dass beauftragte Fotografen nicht nur eine Auswahl, sondern alle verwertbaren Bilder samt der Negative an den Verlag abtreten, der sie dann unentgeltlich für alle Print- und Online-Produkte aller Ganske-Unternehmen verwenden darf. Die Fotografen sollen überdies die Weitervermarktungsrechte gegenüber Dritten an die Bildagentur des Jalags übertragen. Gegen diese Politik wehren sich nicht nur die Jahreszeiten-Fotografen. 3400 Kollegen haben inzwischen einen Appell unterschrieben, den der Fotografenberufsverband Freelens formuliert hat. „Wir sind längst keine kleine Gruppe von Spinnern mehr, wie man uns gerne tituliert hat“, sagt Bertram Solcher, Vorsitzender des Freelens-Vereinsvorstands, „es ist der Aufschrei der Branche.“ Die Zeiten hätten sich gerade in der Krise zwar geändert und Freelens sei zu Verhandlungen bereit, sagt er, die Bedingungen des Verlages seien aber nicht akzeptabel. Freelens-Geschäftsführer Lutz Fischmann nennt den Jalag „Totengräber des Fotojournalismus.“ Die Fotografen müssten wissen, woran dem Verlag wirklich gelegen sei, sagt Vorstand Solcher. „In Sondierungsgesprächen haben wir erklärt, zu Verhandlungen bereit zu sein, wenn der Jalag uns mit einem innovativen Vertrag entgegenkäme“, sagt er. Der könnte etwa vorsehen, dem Verlag für eine bestimmte Zeit Sonderpreise einzuräumen und für die Weiterverwertung der Bilder nicht die üblichen 100 Prozent zu verlangen, sondern dafür einen neuen Tarif zu entwickeln. „Der darf aber eben nicht bei null liegen“, sagt Solcher. Die Diskussion bekommt eine gewissen Pikanterie, da sich Verleger Thomas Ganske öffentlich als Bewahrer von Urheberrechten darstellt und etwa den sogenannten Heidelberger Appell zum Urheberrecht unterzeichnet hat. In ihm heißt es: „Autoren und Verleger lehnen alle Versuche und Praktiken ab, das für Literatur, Kunst und Wissenschaft fundamentale Urheberrecht, das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre sowie die Presse- und Publikationsfreiheit zu untergraben.“

Die neue Chefin der „Ludwigsburger Kreiszeitung“: Im Schwäbischen würde man das so sagen: „Fraue send oifach die bässere Schurnalischde“. Ulrike Trampus (38) folgt Isabell Funk (53, s. a. Fragebogen mediummagazin 4-5/09) am 1. September als Chefredakteurin der „Ludwigsburger Kreiszeitung“. Über Trampus war zu lesen, sie sei damit“wieder im Spiel“, nachdem sie zuletzt eineinhalb Jahre als Dozentin für Pressejournalismus am Institut für Publizistik der Universität Mainz gearbeitet hatte. „So habe ich das nie empfunden“, sagt Trampus, „Ich bin nicht wieder zurück, ich war nie wirklich weg.“ In den Monaten an der Uni habe sie gelernt, „was die Studenten von heute antreibt, wie die mit der Krise umgehen. Das war sehr aufschlussreich und davon habe ich profitiert.“ Dem Auflagenschwund der Tageszeitungen will sie mit einem Konzept begegnen, mit dem sie sich auch an der Uni beschäftigt hat. „Es wird darum gehen, die richtige Mischung von Erzählen und Berichten zu finden“, sagt Trampus. „Wir müssen das Lebensumfeld der Leser emotional abbilden.“ Als ehemalige Redakteurin der „Pforzheimer Zeitung“ kennt sie die Stuttgarter Region, zu der auch Ludwigsburg zählt, noch recht gut. Die „Ludwigsburger Kreiszeitung“ erscheint im Verlag Ungeheuer + Ulmer und hat eine Auflage von rund 41000 Exemplaren. Trampus´ Vorgängerin Isabell Funk leitete die Redaktion seit 2001 und übernimmt zum 1. Oktober die Chefredaktion des „Trierischen Volksfreunds“ (Holtzbrinck). Ihre junge Nachfolgerin Trampus macht sich um die Akzeptanz der Kollegen erst mal keine Sorgen. „Mit Isabell Funk habe ich eine Frau als Vorgängerin. Die Kollegen sind´s ja dann schon mal gewohnt, mit einer Chefredakteurin zu arbeiten“, sagt sie. Ganz ohne Reibungen ist Trampus Karriere allerdings nicht verlaufen. Vor ihrem Job an der Mainzer Uni war sie gemeinsam mit Matthias Friedrich vier Jahre in der Chefredaktion des „Wiesbadener Kuriers“, den sie 2007 verlassen musste. „Ich mache keinen Hehl daraus, dass das damals überraschend kam“, sagt Trampus heute.

Geburtstagsgeschenk: Manche kriegen zum Sechzigsten eine Golftasche vom Chef, Hans Leyendecker kriegt ein eigenes Ressort von Hans-Werner Kilz, dem Chef der „Süddeutschen Zeitung“. Leyendecker, dessen Name schon fast synonym für investigativen Journalismus in Deutschland steht, wird ab Juni mit Nicolas Richter, bisher im „SZ“-Auslandsressort, und dem Rechercheur Klaus Ott das neu geschaffene Ressort „Investigative Recherche“ leiten. „Normaleweise hat ein Ressort mindestens sechs, sieben Leute. Wir aber werden nur drei sein, aber dafür immer mit anderen Ressorts kooperieren und von Fall zu Fall Kollegen hinzuziehen“, sagt Leyendecker, „Investigation ist planbar.“ Man müsse nur „systematisch beobachten“ und „sich lange genug mit einem Thema auseinandersetzen“, um seine Themen zu finden. Für Leyendecker bedeutet die Ressortleitung, ab sofort auch öfter in München zu sein, nachdem er jahrelangvon zu Hause im Rheinisch-Bergischen Kreis gearbeitet hatte. „Ich werde in München mein eigenes Büro beziehen“, sagt Leyendecker. Bedeckt hält er sich auf die Frage, wieso es gerade jetzt zur Gründung eines neuen Ressorts kommt, wo die Erträge auch für die „SZ“ schon mal größere Höhen erreicht hatten. Es geht das Gerücht, der „Spiegel“, bei dem Leyendecker lange gearbeitet hatte, habe den verlorenen Sohn mit einem großzügigen Angebot zurückholen wollen. Wie loyal sind Sie zur „SZ“, Herr Leyendecker? „Loyal bin ich zu meiner Frau“, sagt Leyendecker. „Die „SZ“ ist einfach die beste Zeitung.“

Ähnlich verschwiegen zeigen sich seine Kollegen aus anderen Ressorts, wo das Personalkarusell gerade routiert: Alexander Gorkow, bisher fürs „SZ Wochenende“ verantwortlich, leitet ab September die Seite 3 und äußert sich lieber nicht. Der bisherige Seite-3-Chef Peter Münch wechselt als Nahost-Korrespondent nach Tel Aviv, wo er Thorsten Schmitz ablöst, der künfti
g als Reporter von Berlin aus für die „SZ“ schreiben wird. Andrea Bachstein, derzeit Vize-Chefin der Seite 3, geht im Spätsommer nach Rom. Stefan Ulrich, zurzeit Italien-Korrespondent, wechselt nach Paris. Der langjährige Frankreich-Korrespondent Gerd Kröncke verlässt die Zeitung aus Altersgründen.

Was ist denn nun mit der „taz“? Gehört sie Kai Diekmann schon ganz oder doch nur in Teilen? Wahr ist, dass der Bild-Chef über die „taz“-Genossenschaft Anteile an der Zeitung erworben hat, wie es 8586 andere Zeitungsliebhaber auch getan haben (Stand Mitte Mai). Unwahr ist wohl, dass er sich dabei finanziell übernommen hat. Wie viel genau er investiert hat, will bei der „taz“ natürlich keiner sagen. Kolportiert wird aber: „eine niedrige vierstellige Summe“, „unter 5000 Euro“, „nur im Bereich Portokasse“, „im Gegenwert der Abwrackprämie“, kurz: alles Spekulation. „Die „taz“ ist eine tolle Zeitung, die leider das kleine ökonomische Problem hat, dass sie niemand wirklich braucht“, sagte Diekmann auf die Frage nach den Gründen für den Kauf. Die ursprüngliche Idee hatte Diekmann wohl schon 2004, als er am 25. Geburtstag „taz“-Chef für einen Tag war und eine Ausgabe produzierte, die „nach wie vor die meistverkaufte der Geschichte“ sei, glaubt Diekmann. Als Genosse könnten ihn seine „taz“-Kollegen nun jedes Jahr auf der Mitgliederversammlung fragen, wie man so was macht. Die „taz“ ist seit 1992 eine Genossenschaft, deren Mitglieder insgesamt ein Kapital von mehr als acht Millionen Euro halten. Austritte habe es wegen Diekmann nicht gegeben, heißt es bei der „taz“, ein Leserbriefschreiber aber hielt die Meldung für einen Scherz. „Wer soll davon etwas haben, außer Diekmann eine lustige Anekdote für sein Käseblatt?“, fragte er aufgebracht. Konny Gellenbeck, Projektleiterin der „taz“-Genossenschaft, antwortete in der gleichen Ausgabe mit „taz“-eigener Gelassenheit: „Für die „taz“ ist Kai Diekmann ein ganz normaler Genosse. Die „taz“-Genossenschaft sichert die publizistische und ökonomische Unabhängigkeit der taz. Wer dafür Geld gibt, ist uns herzlich willkommen.“ Damit dürfte alles klar sein. Abzuwarten bleibt, ob Genosse Diekmann zur nächsten Genossenschaftlerversammlung erscheinen wird.

Weibliche Spitze fürs heute-journal: Anne Reidt (42) wird voraussichtlich als Redaktionschefin des „Heute-Journals“ auf Jan Metzger (53) folgen, der neuer Intendant von Radio Bremen wird. Reidt war erst im Februar als Metzgers Stellvertreterin nach Mainz gewechselt. Das ZDF kennt sie seit Beginn ihrer Karriere: Reidt volontierte nach dem Germanistik- und Theologie-Studium von 1992 bis 1994 in Mainz und arbeitete zunächst als Reporterin in Nordrhein-Westfalen, dann als Moderatorin der Drehscheibe Deutschland und leitet schließlich das ZDF-Landesstudio Hessen. Beim Heute-Journal wird Reidt im Sommer die Einführung des neuen virtuellen Nachrichtenstudios erleben. „Mit ihm wollen wir mit grafischen Mitteln noch besser im Erzählen und Erklären werden“, sagt Reidt. „Wir wollen die Emotionen der Zuschauer wecken, sie sollen staunen und erleben.“ Klingt das nach Infotainment der Privatsender? „Das ist nicht die Frage“, sagt Reidt, „es gilt, dass Informationen im Gedächtnis besser verankert werden, wenn sie erlebbar werden, das werden wir versuchen. Wir sind Informationsdolmetscher.“ Die Verpackung dürfe allerdings nie wichtiger als der Inhalt werden, sagt Reidt. Themen wie die Wirtschaftskrise will sie so konkret wie möglich darstellen, etwa in Pro- und Contra-Formaten oder den „Akte“-Einspielern wie zuletzt etwa die „Akte Opel“. „Das ist ein sehr öffentlich-rechtliches Verständnis von Meinungsbildung“, sagt Reidt.

Maria Ossowski (51) leitet vom 1. Juli 2009 an die Hauptabteilung Kultur im Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), zu der das Kulturradio, „Dokumentation und Zeitgeschehen“ des rbb-Fernsehens, die ARTE-Redaktion, die Abteilung „Mittel- und Osteuropa“ sowie die Kirchenredaktion gehören. Die gebürtige Berlinerin hat fast 20 Jahre als Redakteurin, Reporterin und Moderatorin /Radio und TV) für den SDR und SWR gearbeitet. 2003 wechselte sie in die Programmleitung des Schweizer Kultursenders DRS 2, wo sie derzeit Abteilungsleiterin Programmentwicklung sowie Redaktionsleiterin Auslandsfeuilleton und Porträt ist.

Erschienen in Ausgabe 06/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 60 bis 60. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.