Zeit-Druck

Die Ippen-Gruppe bleibt also Großkunde bei dpa. Denn Verleger Dirk Ippen sagt klipp und klar: „Wir brauchen dpa – und die Fähigkeit, etwas Eigenständiges daraus zu machen“ (s. Interview Seite 22 f). Insoweit also ist der Frieden wieder hergestellt. Aber unter der Oberfläche brodelt es weiter. Sechs Wochen lang hatte die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ HNA, die zweitgrößte Regionalzeitung der Ippen-Gruppe, auf dpa verzichtet, um zu testen, wie es sich tatächlich ohne den Nachrichten-Marktführer und mit Konkurrenten wie ddp und AP redaktionell arbeiten lässt. Und auch wenn sie nun wieder zu ihrem alten Nachrichtenlieferanten zurückgekehrt ist, sind die Erfahrungen des Verzichts nicht dazu angetan, dass sich dpa nun beruhigt zurücklehnen kann.

Das Experiment hat der Redaktion die Augen geöffnet für die Stärken der anderen, gleichwohl deren Schwächen teilweise gravierend und nicht von allen Redaktionen zu kompensieren sind (s.Seite 20 f). Wichtiger wiegt jedoch das gestiegene Selbstbewusstsein der Redaktion: „Wir können auch ohne“ – wenn´s drauf ankommt. Das steigert die Anspruchshaltung. Doch kann dpa, kann überhaupt eine Agentur dem gerecht werden? Tatsache ist: Das Selbstverständnis von dpa muss sich deutlicher und schneller als bisher weg vom reinen Nachrichtenlieferanten hin zum Dienstleister entwicklen. Das Argument der Angebotsfülle – allein 700-800 Fotos im täglichen Bilderdienst – sticht nur noch bedingt. Es kommt nicht darauf an, wie viel, sondern wofür – und in welcher Qualität.

ddp hat sich da gut positioniert, indem sie auf magazinigere Texte und Fotos setzen. Das kommt gut an, und es ist womöglich nur eine Frage der Zeit, in der die kleinere deutsche Agentur ihre Lücken im Textangebot und vor allem im Archiv füllen kann. Zumal sie gezielt einen Trend bedient, der für Zeitungen immer wichtiger wird: Weg von der reinen Nachricht, hin zu analytischeren Lesestücken.

Hinzu kommt, so argumentieren einige wie WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz: In Zeiten des Internet seien Nachrichten ohnehin überall frei verfügbar. Ein Verzicht auf dpa könne so eben durch verstärkte Internetrecherche kompensiert werden. Doch schon heute lässt sich immer schwerer nachvollziehen, woher die jeweilige Nachricht nun wirklich stammt – was oft genug und immer öfter an einer unsauberen Zitierweise und laxem Umgang mit Quellen liegt.

Das goutieren keineswegs alle in der Zeitungsbranche: „Eine Beobachtung anderer Medien im Internet mit Blick auf exklusive Nachrichten ist wichtig. Der Berufsstand der Journalisten darf aber nicht zu einem der Abschreiber verkommen. Gerade Journalisten müssen das Urheberrecht ernst nehmen und Quellen sauber zitieren“, mahnt Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der „Saarbrücker Zeitung“ und selbst – als ehemaliger Chef der „Lausitzer Rundschau“ erfahren im (zeitweisen) Verzicht auf dpa. Er warnt nachdrücklich vor zweierlei Maßstäben in der Branche: „Hochwertige Leistungen und exklusive Nachrichten müssen auch in Zukunft vernünftig honoriert werden. Wir dürfen nicht einfach in eine Art Wild-West-Mentalität verfallen, nur weil wir gerade in einer Krise stecken. Die Selbstbedienung bei der Leistung anderer, ohne dafür zu bezahlen, schadet letztlich der ganzen Branche.“ (weitere Statements s.a. www.mediummagazin.de)

Ein anderer Vorwurf lautet: dpa verzettele sich in zusätzlichen Angeboten wie den Kindernachrichten oder dem türkischen und arabischen Dienst, statt sich auf die Kernaufgaben und Bedürfnisse ihrer (Zeitungs-)Kunden zu konzentrieren, die zugleich schließlich Eigentümer und Hauptfinanziers der Agentur seien. Doch laut dpa-Geschäftsführer Michael Segbers binden diese Dienste keineswegs Kapazitäten, die anderswo fehlten: Die Kindernachrichten ebenso wie die anderen müssen sich selbst tragen. Und: „Wir brauchen solche Beiboote“, sagt Segbers mit Blick auf die Notwendigkeit neuer Erlösquellen für dpa. Der Erfolg gibt ihm recht: Immerhin ist es so sogar gelungen, die „Rheinpfalz“, die als erste Zeitung 2000 ganz auf dpa (bis auf den Grafikdienst) verzichtet hat, wieder als Text-Kunden zu gewinnen – zumindest für die Kindernachrichten.

Das wichtigste Argument gegen dpa ist jedoch ihr als unflexibel und zu teuer gescholtenes Preismodell – das auch auf dem Solidargedanken der großen mit den kleinen Verlagen beruht, was wiederum eine wichtige Stütze zum Erhalt der Pressevielfalt ist. Um die Preise flexibler zu gestalten, ist allerdings auch der Aufsichtsrat, also die Verlage selbst, gefragt: Gespräche über eine veränderte Preispolitik hätten begonnen, ist von dpa zu hören. Mit Auswirkungen sei aber frühestens Anfang 2010 zu rechnen. Das wäre höchste Zeit.

Annette Milz

Erschienen in Ausgabe 06/2009 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 5. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.