Stimmt’s, …?

1…. dass ARD und ZDF aus Fehlern gelernt haben und bei den anstehenden Wahlen mit NPD und DVU umzugehen wissen?

Es war am Wahlabend, im September 2004, als feststand, dass die NPD in den sächsischen Landtag einziehen wird. Bettina Schausten empfing daher auch NPD-Vertreter Holger Apfel in ihrer ZDF-Runde. Als Apfel begann, die Live-Gelegenheit zu nutzen, um Parolen abzusondern, verließen sämtliche Parteienvertreter das Studio. Wer kurz darauf zur ARD-„Tagesschau“ umschaltete, erlebte den sächsischen NPD-Landeschef erneut: Diesmal ließ MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich ein Interview zwischen Apfel und der MDR-Journalistin Sylvia Peuker abbrechen. Die beiden Fälle lösten bei ARD und ZDF heftige Debatten über den Umgang mit den Braunen aus.

Am 30. August wird im Saarland, in Thüringen und auch wieder in Sachsen gewählt. Vier Wochen später, am 27. September, werden Bundestag und Brandenburger Landtag gewählt. Zumindest in Sachsen und in Brandenburg ist die Gefahr real, dass NPD bzw. DVU erneut die Fünf-Prozent-Hürde überspringen und folglich schon aus gesetzlichen Gründen auch ein Vertreter dieser Parteien am Wahlabend gehört werden muss.

Von Leitlinien, Schulungen und Ähnlichem war bei der ARD im Nachgang der Wahlen 2004 die Rede. Was hat sich seither getan? Wie wollen ARD und ZDF verhindern, dass es bei den anstehenden Wahlen zu einem ähnlichen Debakel kommt?

Von der ARD eine Antwort zu erhalten, erweist sich als schwierig. ARD-Chefredakteur Thomas Baumann lässt lediglich ausrichten, solche internen Fragen beantworte er „ohnehin grundsätzlich nicht“. Sind solche Fragen an gebührenfinanzierte Sender ungebührlich? Baumann sagt, es bestünde kein Interesse daran, „unsere Vorgehensweise via Öffentlichkeit auch an NPD und DVU weiterzuleiten“ – gerade so, als handele es sich nicht um journalistisches Handwerk, sondern um Taschenspielertricks, die es geheim zu halten gilt. Doch auch Wolfgang Kenntemich, Chefredakteur des MDR, zeigt sich nicht gesprächsbereit, erst recht, nachdem er vorab ARD-intern über Baumanns Reaktion auf die Fragen des „Medium Magazins“ informiert wurde. Kenntemich lässt ausrichten, sich „zu diesem Thema zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu äußern“.

Wann, wenn nicht jetzt – vor den Wahlen – interessiert, was aus Kenntemichs schriftlicher Ankündigung vom 12. März dieses Jahres wurde? An diesem Tag stellte er in Aussicht, „demnächst“ einen „eintägigen Workshop“ zu veranstalten, „der Moderatoren, Reporter, Redakteure und Redaktionsverantwortliche auf diese Probleme sowie mögliche Reaktions- und Verhaltensmuster“ hinweist.

Auskunft darüber, ob dieser Workshop mittlerweile stattgefunden hat, will Kenntemich nicht geben, und so bleibt auch die Frage unbeantwortet, wieso er damals das Interview mit dem braunen NPD-Apfel nicht selbstverantwortlich führte, anstatt dies der in Live-Reportagen geübten, aber kaum mit Landespolitik vertrauten Sylvia Peuker zu überlassen.

Der RBB immerhin, der es in Brandenburg mit der DVU zu tun hat, hat kein Problem mit Fragen nach dem Umgang mit Rechtsextremen. Regelmäßig veranstaltet der RBB für seine Journalisten Seminare, oft in Zusammenarbeit mit Fachleuten, etwa des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung, zu dessen Angebot „Kommunikations- und Argumentationstrainings in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus“ gehören. Das Wichtigste sei, bei den Rechten nicht durch unsouveränes Verhalten Märtyrer zu produzieren, sagt Programmchefin Claudia Nothelle: „Wir setzen darauf, dass sie sich selbst diskreditieren“.

Aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat das ZDF. Chefredakteur Nikolaus Brender ernannte vor fünf Jahren Jürgen Bollmann zum „Beauftragten“ in Sachen Rechtsextremismus. Bollmann, im Hauptberuf stellvertretender Leiter der Redaktion „Blickpunkt“, beobachtet permanent die Entwicklungen bei den Rechten, koordiniert die Information der Landesstudios, organisiert Workshops und Diskussionen mit Juristen, Politologen, Verfassungsschützern und anderen Fachleuten und veranstaltet Trainings, in denen Interviews, vor allem in möglichst realistischen Live-Situationen, geübt und Verhaltensfehler reflektiert werden. Dabei gehe es stets um journalistische Kriterien, sachliche Information und klare Analyse, sagt Bollmann, niemals darum, einen Rechten in eine Ecke zu stellen oder schlicht empört zu reagieren; das sei kontraproduktiv und würde vom Zuschauer nicht honoriert. Verbindliche Regeln, wie mit einem Braunen umzugehen ist, dem Absprachen schnuppe sind und der die Live-Situation nutzt, um Krawall zu machen, gebe es nicht, sagt Bollmann. Umso wichtiger sei, sich mit dem Thema nicht nur sporadisch, sondern kontinuierlich, nicht nur einen Tag lang, sondern intensiv zu beschäftigen und Verhaltensstrategien einzelner Parteienvertreter zu studieren. Das gilt erst recht vor den Wahlen und erst recht für jene, die am Wahlabend auf dem Senderschirm auftreten.

2…. dass Springer glaubt, mit der „Welt“ die Welt erobern zu können?

Es gibt tatsächlich einige bei Springer, die glauben, eine englischsprachige „Welt“ könnte in einer Liga mit „International Herald Tribune“ oder „Financial Times“ spielen. „Welt international“ nennt sich die an „Welt Kompakt“ erinnernde englischsprachige Ausgabe. Entwickelt hat sie ein Team um Art-Direktor Brian O’Connor. Angeblich gebe es eine Marktlücke für ein Blatt, das nicht aus amerikanischer oder angelsächsischer, sondern aus kontinentaleuropäischer Sicht auf das Welt-Geschehen blickt, heißt es bei Springer. Auf einer „Roadshow“, die in die USA und nach Asien geführt haben soll, seien potenzielle Werbekunden angesprochen worden. Mit der Entscheidung, ob aus der Idee Realität wird, sei vor August/September nicht zu rechnen.

Das Ganze erinnert an die gescheiterten Versuche um die Jahrtausendwende, als Mathias Döpfner Chefredakteur des Blattes war und eine englischsprachige Seite mit dem Titel „The New Berlin“ erschien, um die in die Hauptstadt ziehenden Diplomaten, Wirtschafts- und Wissenschaftsvertreter anzusprechen. Die Seite erwies sich als etwas, das die „Welt“ nicht braucht, genauso wenig wie der Abdruck von Originalbeiträgen aus dem englischsprachigen Raum, die kurzzeitig unter der Rubrik „Atlantic Daily: Berlin – London – New York“ im Feuilleton erschienen.

Auch der frühere „Spiegel“-Chef Stefan Aust hing einst dem Traum nach, das Nachrichtenmagazin mit einem englischsprachigen Ableger in alle Welt zu transportieren. Anders als Austs englischsprachiger „Spiegel“ würde „Welt international“ keine Übersetzungen, sondern eigens aufbereitete Artikel veröffentlichen, verlautet aus dem Entwicklungsteam. Aust scheiterte damals übrigens an den Gesellschaftern des Spiegel-Verlags, die für eine derart aufwendige und kostenintensive Träumerei kein Verständnis hatten.

Auch die „Welt“-Gruppe muss sich die Frage stellen, ob sie sich so ein Projekt leisten könnte. Die „Welt“ soll ja in den Jahren 2007 und 2008 erstmals profitabel gewesen sein. Nach der jüngsten, internen Prognose geht Springer davon aus, dass die „Welt“-Gruppe in diesem Jahr in die roten Zahlen rutscht – besser gesagt: rutschen würde, denn gottlob hat sich die „Welt“-Gruppe im vergangenen Herbst das „Hamburger Abendblatt“ einverleibt. Auf diese Weise, heißt es aus dem Kreis berufener Springer-Kalkulatoren, bleibt die „Welt“-Gruppe unterm Strich auch 2009 profitabel: Prognostiziert ist – Stand Juni – ein Gewinn von rund 25 Millionen Euro. Die Rechnung geht dem Vernehmen nach so: Zwar werde der Gewinn des „Abendblatts“ um etwa ein Drittel einbrechen; trotzdem werde das Plus der Regionalzeitung wohl 29 Millionen Euro betragen. Unterm Strich stehen demnach vier Mi
llionen Euro Miese für die gesamte „Welt“-Gruppe, lässt man das „Abendblatt“ außen vor. Bestätigen will Springer die Zahlen natürlich nicht.

3…. dass die „FAZ“ ihren Hochschulanzeiger einstellen wollte?

Traditionell stammte ein Drittel der Zeitungserlöse aus dem Vertrieb, zwei Drittel aus dem Anzeigengeschäft. Lang ist‘s her. 2009 könnte das Jahr werden, in dem die Vertriebserlöse erstmals höher ausfallen als die Anzeigenerlöse, mutmaßt Hans Werner Kilz, Chefredakteur der „Süddeutschen“. Auch Tobias Trevisan, Geschäftsführer der „FAZ“, mag das nicht ausschließen.

Allein bei den Anzeigen für Fach- und Führungskräfte zählt die „FAZ“ seit Jahresbeginn einen Einbruch um 45 Prozent. Darunter leidet auch der teils gratis verteilte, teils am Kiosk und im Abonnement vertriebene „FAZ-Hochschulanzeiger“, dessen wichtigste Funktion darin besteht, unter Studenten, Hochschulabsolventen und Berufseinsteigern Lesernachwuchs für die „FAZ“ zu rekrutieren. Umso mehr überraschte das zunächst seriös wirkende Gerücht, der „Hochschulanzeiger“ würde nur noch ein paar Mal erscheinen und dann eingestellt. Niemals, beteuert Trevisan. Im Gegenteil, gerade um Studenten müsste sich die „FAZ“ viel mehr kümmern. Richtig ist, dass sowohl Gabriele Sonntag, die Chefin des sechs Mal jährlich erscheinenden „FAZ-Hochschulanzeigers“, als auch ihr (einziger) Mitarbeiter zu jenen gehören, die das Abfindungsangebot, das der Verlag seit November 2008 Mitarbeitern unterbreitet, angenommen haben. Sonntags Nachfolger wird Josef Krieg, früher bei der Robert Bosch Stiftung und zuletzt Leiter der nicht offenkundig notwendigen „FAZ“-Unternehmenskommunikation.

Erschienen in Ausgabe 07+08/2009 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 12 bis 13 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.