Tote auf Papier

Private Anzeigen sind für nationale Zeitungen selten das große Geschäft, anders bei der Belgrader Tageszeitung „Politika“. Die Anzeigen, die von den meisten Lesern eifrig gelesen werden, haben mit der Wirtschaftskrise nichts zu tun. Es sind die Todesanzeigen. Auch wenn es sich nicht um eine prominente Person handelt, würdigen bis zu 30 Todesanzeigen ein und denselben Toten. Die Todesanzeige, ein Mittel, der Welt zu zeigen, wie gut, klug und unvergesslich der Verstorbene war und wie sehr er von seiner Familie und Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen geliebt war. Die Größe der Todesanzeigen spielt auch eine Rolle. Eine Seite kostet 200 Euro – viel Geld für Menschen, deren Gehälter durchschnittlich 300 Euro betragen und gutes Geld für „Politika“, die täglich bis zu zehn Seiten Todesanzeigen druckt. Doch mit der Todesanzeige ist es nicht getan. 40 Tage nach dem Tod ist die erste Erinnerungsanzeige fällig, diese wird jedes Jahr mit genauso viel Dichtkunst wiederholt. Das Foto bleibt immer dasselbe, auch wenn der Verstorbene seit zehn Jahren das Zeitliche gesegnet hat. Als Slobodan Milosevic vor drei Jahren starb, erschienen die Todesanzeigen auf zehn Seiten. Auch seine Gegner meldeten sich zu Wort, in dem sie sich bei dem Toten für das Elend „bedankten“, das er verursacht hat. Es erschien aber auch die Todesanzeige, die von den 34 Gefangenen des Haager Tribunals verfasst war. Sie alle, ob Serben, Kroaten oder Bosnier, veröffentlichten den „letzten Gruß an den Haager Mitkämpfer“ in der „Politika“. Mittlerweile sind einige von ihnen nicht mehr unter den Lebenden – die Todesanzeigen haben es bestätigt, nach dem Motto: bevor der Name nicht in der Zeitung steht, ist der Mensch nicht tot.

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Erschienen in Ausgabe 07+08/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 63 bis 63 Autor/en: Danja Antonovic, Belgrad. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.