Verzweifelt auf der Suche?

Sorgen um den Informationshunger der Deutschen macht sich der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg, genauer gesagt bei jenem abgehängten Drittel der Bevölkerung, das sich vor Bildschirmen jeglicher Art ausschließlich unterhalten lässt. Die Front verlaufe nicht zwischen Netz und Print, sondern zwischen informations– und unterhaltungsorientierter Mediennutzung. Steg diskutierte beim Medienforum NRW auf Einladung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und des Zeitungsverlegerverbandes Nordrhein–Westfalen (ZV NRW) zum Thema „Presse und Politik – Geht der öffentlichen Kommunikation das Publikum verloren?“ Steg glaubt nicht daran, dass Tageszeitungen schon verloren hätten: „An Auflage ja, aber nicht an Bedeutung“. Denn unter allen Medien genießen sie noch immer die größte Glaubwürdigkeit. Doch Print müsse mehr tun, um seine spezifischen Leistungen wie Hintergrundinformationen und Analysen stärker herauszustellen „und dafür auch den Preis einfordern.“

Auch Michael Spreng, Ex–„BamS“–Chefredakteur, heute Politikberater und Blogger ( www.Sprengsatz.de) fordert Zeitungsmacher auf, sich stärker auf ihre Stärken zu besinnen. Er kritisiert, dass Zeitungen noch immer „verzweifelt den Nachrichtenwettbewerb auf der Seite Eins“ suchen, den sie gegen Nachrichtenanbieter im Internet nur verlieren könnten. Für Spreng gehört stattdessen das Unverwechselbare und Profilprägende, „die Seite 3 und der Leitartikel“ auf den Titel einer Zeitung. Aus neuen Prioritäten ergeben sich laut Spreng notwendigerweise auch veränderte Erlösstrukturen: „Höhere Qualität, höhere Preise, geringere Auflage“.

Für Jost Springensguth, Noch–Chefredakteur der „Kölnischen Rundschau“ (s. a. Seite 78), hängt die Qualität der Presse zwingend mit einem tragfähigen Geschäftsmodell zusammen. Twitter, Blogs, YouTube und soziale Netzwerke hält er dabei für überschätzt, „denn dort wird größtenteils überhaupt kein Geld verdient“. Auch als Recherchekanal leidet Twitter für Springensguth an „schweren Glaubwürdigkeits– und Plausibiltätsproblemen“.

Dagegen füllen gerade Handy–Videos und Microblogging für Mercedes Bunz, Chefredakteurin von „Tagespiegel Online“, in Ländern wie dem Iran Lücken, die das Fehlen klassischer unabhängiger Medien hinterlässt. „Die Auslandskorrespondenten sind ausgesperrt worden, die Welt aber noch lange nicht“, betont Bunz.

Die polarisierte Grundsatzdiskussion, ob Journalisten Twitter vertrauen können, mutet typisch deutsch an. Währenddessen packen US–Medien das Problem einfach an, dass die Zuverlässigkeit von Quellen bei Twitter überprüft werden muss: Die NBC–Moderatorin Ann Curry z. B. fragte jüngst per Twitter, ob jemand Neda persönlich kenne. Ulrike Langer

Erschienen in Ausgabe 07+08/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 8 bis 8. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.