Besser als Obama

Der Bundestagswahlkampf kön- nte einer der langweiligsten in der Geschichte dieses Landes werden. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Martin Sonneborn: Nein. Man könnte den Wahlkampf natürlich besser machen, man könnte mit Inhalten arbeiten. Aber es ist nicht meine Aufgabe, Erklärungen dafür zu finden. Wir, die PARTEI, sind der politische Arm des Faktenmagazins „Titanic“. Wir beobachten eine extreme Themenlosigkeit und Verflachung und reagieren darauf satirisch. All das, was man der PARTEI vorwirft, tun derzeit die etablierten Parteien: Mit ein paar gesetzten Themen in den Medien, ein paar prägnanten Sätzen, aber null Inhalt gehen sie auf Stimmenfang. Obama hat diesen modernen Showkampf vorgemacht: Es kommt nicht mehr auf Inhalte an, sondern auf Image und Inszenierung. Und darin sind wir als die PARTEI besser als Obama.

Gibt es denn irgendeinen Ansatz, das Duell Merkel gegen Steinmeier medial interessant darzustellen?

Ich würde Merkel in einen Bikini stecken und Steinmeier in eine lustige Clownsmaske. Das wäre wahrscheinlich das Einzige, was das Ganze zumindest optisch noch spannend machen könnte, denn dass wieder die üblichen Phrasen geäußert werden, ist erwartbar. Man könnte beide unter Alkohol setzen, sodass die mühsam gewahrte Fassade der Langweiligkeit und des Nichtsagens vielleicht aufgebrochen würde. Aber das ist ja leider sehr unwahrscheinlich.

Kostüme und Alkohol? Das klingt nach Horst Schlämmer …

Ich schätze Hape Kerkeling, besonders seine frühen Sachen. Den Film habe ich noch nicht gesehen. Wenn es Hape Kerkeling geschafft hat, Irritation zu erzeugen in den Gesprächen mit Leuten wie Rüttgers und Claudia Roth, wenn der Plan, sich mit Horst Schlämmer fotografieren zu lassen, um Sympathien abzufischen, zum Teil nicht aufgegangen sein sollte, dann gefiele mir der Ansatz von Hape Kerkeling sehr gut. Wenn der Film versöhnlicher Klamauk ist, finde ich ihn verwerflich.

Also sind Sie ihm nicht böse, dass er Ihre Idee geklaut hat.

Nein, überhaupt nicht. Der Unterschied ist: Hape Kerkeling hat eine Phantasiepartei. Wir machen wirklich Politik. Das finden Sie jetzt lustig, aber es ist so …

Ich habe nicht gelacht …

Ich habe Ihr Grinsen durch die Telefonleitung gespürt.

Ich habe auch nicht gegrinst …

Jedenfalls macht die PARTEI nicht nur in Hamburg wirklich Politik. Es haben sich intelligente junge Menschen zusammengefunden, weil sie von der Politik der etablierten Parteien nicht mehr zufriedengestellt werden. Und das ist etwas anderes als das Medienphänomen Hape Kerkeling, der nur eine Phantasiepartei hinter sich hat.

Inwieweit trägt denn die mediale Inszenierung der Politik Mitschuld an der Langeweile?

Die Parteien leben von der medialen Vermittlung ihrer „Inhalte“. Die boulevardisierten Medien hungern nach plakativen Sätzen und Bildern, begegnen gerade in der Konkurrenz mit den Online-Medien damit, möglichst schnell und gerne ungeprüft etwas in die Welt zu setzen und auf Schlagworte zu reagieren. Das prägt den Politikstil, denn die Politik ist natürlich primitiv genug, mitzuspielen. Als wir vom Bundeswahlleiter nicht zugelassen wurden, war sehr interessant zu beobachten, wie dies zu einer Nachricht wurde, was das für eine Nachricht wurde, und dass es extrem schwer war, diese Nachricht in die Öffentlichkeit zu bringen.

Inwiefern?

Es ist ein komplexes Thema, das von 98 Prozent aller Journalisten nicht verstanden wurde. Es wurde nicht recherchiert, nicht geprüft, nicht nachgelesen. Der PARTEI wird der Vorwurf der mangelnden Ernsthaftigkeit gemacht. Kaum jemand hat begriffen, dass es bei der Frage der Ernsthaftigkeit nicht um die politischen Ziele der PARTEI geht, sondern lediglich um die ernsthaften Parteistrukturen, die der Bundeswahlleiter uns – bei 9 Landesverbänden natürlich zu Unrecht – abspricht. Ich lese immer noch, dass der Vorwurf der fehlenden Ernsthaftigkeit unserer Inhalte verantwortlich sei. Das ist schlicht falsch und schlecht recherchiert. Dietmar Hipp vom „Spiegel“ hat sich in Karlsruhe dankenswerter Weise einmal hingesetzt und den ganzen Vorgang aus juristischer Sicht ausgewertet und reflektiert. Er ist einer der wenigen, die verstanden haben, worum es geht: um Grundrechte einer Demokratie, die von einem böswilligen oder überforderten Beamten ausgehebelt werden.

Tipp:

Weitere Äußerungen von Martin Sonneborn sind nachzulesen unter www.mediummagazin.de

… und in seinem jüngsten Werk: „Das Partei-Buch. Wie man in Deutschland eine Partei gründet und die Macht übernimmt“, KiWi 2009

Erschienen in Ausgabe 09/2009 in der Rubrik „Politik“ auf Seite 18 bis 19 Autor/en: Interview: Matthias Thiele. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.