Für die Zukunft

Wenn ich über die Audio-Slideshow schreibe, bin ich immer unsicher: Ist das Medium mittlerweile bekannt? Oder muss man noch erklären, was das ist? Seit 2008 veröffentlichen FAZ.net und sueddeutsche.de regelmäßig Audio-Slideshows, aber manche Printjournalisten dürften sie noch immer nicht kennen. Das Prinzip ist schnell erklärt: Man kombiniert Fotos mit einer Tonspur und lässt dies wie ein Video in einem Player ablaufen.

Der große Irrtum. Ich habe vor zwei Jahren mit Audio-Slideshows begonnen, weil ich – wie andere Kollegen auch – dachte, das sei einfacher als Video. Das war der erste große Irrtum (viele weitere folgten): Die Audio-Slideshows ist kein einfaches Medium, sie ist sehr komplex, funktioniert oft anders, als man erst einmal denkt. Aber sie hat im Vergleich zum Video erstaunliche erzählerische Stärken. Weil der Rezipient keine Bewegungen sieht, muss er sich diese vorstellen. Dadurch steigt die Bedeutung der Tonspur, die alle Ereignisse vermittelt: Der Rezipient erwartet, dass ihm jemand die Bilder erklärt.

Oft setze ich die Bilder in einer Slideshow wie eine Bühne ein: Wenn ich zu einem menschenleeren Raum Geräusche abspiele oder ein Ereignis erzähle, kann sich der Rezipient in diesem Raum etwas vorstellen. Das ist einzigartig; weder Film noch Text kennen diese Möglichkeit. Und schließlich lebt die Audio-Slideshow von der Ästhetik und der emotionalen Dichte, die gute Fotos vermitteln.

Aller Anfang. Die Audioslideshow ist eine Form für Journalismus im Internet – eine sehr einzigartige Form. Für die Zukunft brauchen wir zum einen experimentierfreudige Verlage und Chefredakteure, die sich Gedanken über neue Finanzierungsmodelle und neue Formate im Netz machen.Zum anderen aber auch Journalisten, die ihre Berichterstattung an das multimediale Umfeld des Internets anpassen. Die Audio-Slideshow zeigt, dass man sich dabei nicht immer nur am Fernsehen orientieren muss, sondern dass auch Rückgriffe auf die klassische Fotoreportage der 30er-Jahre oder die Versuche des New Journalism aus den 80ern möglich sind. In den USA sind Audioslideshows bereits weit verbreitet: große Websites wie die der „New York Times“ oder der „Washington Post“ nutzen das Medium, die Agentur „Mediastorm“ bietet Audioslideshows an.

Hierzulande sind die Medien noch sehr zögerlich mit den Slideshows, wir hängen in der Entwicklung ziemlich nach, weil Video überall bevorzugt wurde. Was vielleicht auch daran liegt, dass es hier bislang kaum Journalisten gibt, die Audio-Slideshows anbieten: Außer mir gibt es maximal fünf bis zehn Leute in Deutschland, die überhaupt schon mehrere Audio-Slideshows veröffentlicht haben. Hauptabnehmer meiner Audio-Slideshows ist derzeit die Onlineredaktion der „Süddeutschen Zeitung“. Pro Monat veröffentliche ich dort etwa ein bis zwei Stück, zwischen drei und fünf Minuten lang, häufig Porträts. Thematisch ist man bei dieser Medienform grundsätzlich sehr frei, entscheidend ist vor allem, dass es gute Bilder gibt, die die Geschichte tragen und transportieren können.

Kontakte über weblogs. Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, hat auf einer der ersten Seiten des Internet empfohlen: »Put up some data. Manage a subject area. Write some software. Tell your friends.« Das ist auch mein Motto: Wenn man im Internet eine neue Sache auf die Beine stellen will, ist ein Weblog unverzichtbar, damit vernetzt man sich mit den wenigen anderen Experten. Mittlerweile tauschen wir uns auch über eine Mailingliste aus. Manchmal wälze ich tagelang medientheoretische Aufsätze, um die Unterschiede zwischen Audio-Slideshow und Film zu untersuchen, ein anderes Mal mache ich Serien von Testreportagen, um herauszufinden, wie man in der Audio-Slideshow mit Bewegung umgeht. Alle diese Erkenntnisse stelle ich dann auf meine Webseite. Das Engagement bringt Respekt und viele Kontakte – und Aufträge. Onlinemedien wie z. B. Spiegel-Online sind über mein Weblog auf mich gestoßen und haben Reportagen oder Artikel angefragt. Journalistenschulen und Verlage haben mich angeschrieben, für sie halte ich nun ein- bis dreitägige Kurse über Audio-Slideshows.

Marktentwicklung. Was sich ebenfalls gerade entwickelt, sind lukrative Auftragsarbeiten für NGOs und Firmen, die die Audio-Slideshow als informationsstarkes und doch emotionales Werbemedium entdecken. In all diesen Bereichen hätte ich es ohne Weblog viel schwerer gehabt.

Wenn mich Freunde fragen, was ich arbeite, antworte ich etwas zynisch: Drei Tage arbeite ich als Journalist und die restlichen zwei Tage verdiene ich Geld. Ich arbeite nebenher als PR-Texter oder Webdesigner für Internetfirmen, denn von den Audioslideshows kann ich derzeit noch nicht leben. Das hat auch Vorteile: Ich kann mir für meine Reportagen so viel Zeit lassen, wie ich möchte, ich kann die Themen bestimmen und ich kann ablehnen, wenn man eine Änderung von mir verlangt, die meine Geschichte kaputtmacht. Momentan biete ich die Slideshows noch zum Lockpreis an. Aber 500 Euro sollten eigentlich das Minimum sein, wenn man mindestens zwei Tage an einem Beitrag arbeitet.

Bei einem vernünftigen Honorar könnte ich endlich die Nebenjobs aufgeben und mehr Zeit in das neue Medium investieren. Das wäre mein Traum. Ich bin überzeugt, dass die Audio-Slideshow in zehn Jahren das klassische Reportagemedium des Internets sein wird – weil ihre erzählerischen Stärken so beeindruckend sind.

Serie „Freie Köpfe“:

„mediummagazin“ stellt hier gemeinsam mit Freischreiber e.V., dem Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, Projekte und Profile von Freien vor und wie sie sich im Markt behaupten.

Bisher sind erschienen: Das Online Magazin „16vor“ (mm 4-5/09),

Das Büro „Freizeichen“ (mm 6/09), „Spezialist in der Nische“, Hinrich Neumann (mm 7-8/09), nachzulesen auch unter

www.mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 09/2009 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 44 bis 44 Autor/en: Matthias Eberl. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.